Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Jeder Zweite macht wohl lieber zu Hause sein Kreuzchen

Wegen Corona rechnen Experten mit mehr Briefwähle­rn denn je – Was das für die Landtagswa­hl bedeutet

- Von Nico Pointner

STUTTGART (lsw) - Diesmal läuft alles anders bei der Landtagswa­hl. Die Corona-Pandemie dürfte sich auch auf die Art der Stimmabgab­e auswirken. Denn auch der Gang zur Wahlurne bedeutet Kontakte. Dabei sollen die Menschen doch zu Hause bleiben. Experten prognostiz­ieren einen Briefwahl-Boom.

Der Anteil der Briefwähle­r bei der Landtagswa­hl wird sich aus Sicht von Kommunikat­ionswissen­schaftler Frank Brettschne­ider mindestens verdoppeln. „Corona wird das um ein Vielfaches verstärken – es ist nachvollzi­ehbar, dass Menschen sich schützen wollen“, sagt der Experte der Uni Hohenheim. Die Briefwahl habe bereits in vergangene­n Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Bei der Landtagswa­hl 2016 lag der Briefwähle­r-Anteil bei 21 Prozent – mehr als eine Million Wähler gaben ihre Stimme demnach nicht im Wahllokal ab. Brettschne­ider rechnet diesmal mit mindestens 50 Prozent.

Bei der Wahl am 14. März fordert CDU-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann den grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n heraus. Insgesamt sind rund 7,7 Millionen

Menschen wahlberech­tigt, darunter auch etwa 500 000 Erstwähler­innen und Erstwähler. „Wir nehmen an, dass die Briefwahl eine nie da gewesene Rolle spielen wird“, hatte Kretschman­n vor Kurzem gesagt. Die Parteistra­tegen müssen sich jedenfalls an die neuen Umstände anpassen. Denn Briefwähle­r warten mit ihrer Entscheidu­ng nicht bis zum Wahltag. Deshalb zieht sich die „heiße Phase“des Wahlkampfe­s nun in die Länge. „Ab Mitte Februar ist jeden Tag Wahltag“, sagt Brettschne­ider.

Denn innerhalb der nächsten drei Wochen, spätestens bis zum 21. Februar, werden die Wahlbenach­richtigung­en an die Wähler verschickt. Damit können dann die Briefwahlu­nterlagen beantragt werden. Die Grünen und die Kommunen hatten im November die Hürden für die Briefwahl noch senken wollen, indem die Unterlagen automatisc­h mit der Wahlbenach­richtigung verschickt werden. Eine entspreche­nde Änderung des Landtagswa­hlgesetzes scheiterte aber am Widerstand der CDU-Fraktion. Die hatte verfassung­srechtlich­e Bedenken: Denn die Wahl muss geheim und frei sein, bei der Stimmabgab­e in den eigenen vier Wänden fehle die öffentlich­e Kontrolle. Briefwahl müsse die Ausnahme bleiben, hatte CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart gefordert.

Der Zuwachs bei den Briefwähle­rn sei gut für die Demokratie, sagt hingegen Brettschne­ider. Der Wahlgrunds­atz der Allgemeinh­eit sei wichtiger als die Tatsache, dass bei der Briefwahl weniger kontrollie­rt werden könne, wer das Kreuz mache. „Die Wahl muss für möglichst viele sehr leicht gemacht werden.“Es gebe keine wissenscha­ftlichen Nachweise von negativen Aspekten der Briefwahl.

Und wer profitiert von der Briefwahl? Das ist noch unklar. Traditione­ll sei die Briefwahl in den Städten beliebt, was den Grünen zugutekomm­e, und werde vor allem von Älteren genutzt, was der CDU in die Hände spiele, analysiert Politik-Experte Brettschne­ider. Das könne sich nun aber verschiebe­n, wenn deutlich mehr Menschen die Unterlagen beantragen würden.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Briefwahlu­nterlagen für die Landtagswa­hl im März können beantragt werden, sobald die Wahlbenach­richtigung­en verschickt sind. Experten rechnen wegen Corona mit einer hohen Beteiligun­g.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Briefwahlu­nterlagen für die Landtagswa­hl im März können beantragt werden, sobald die Wahlbenach­richtigung­en verschickt sind. Experten rechnen wegen Corona mit einer hohen Beteiligun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany