Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Altmaier will Kasse machen

In die Debatte über die Sanierung der Staatsfina­nzen bringt der Wirtschaft­sminister eine weitere Überlegung ins Spiel

- Von Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Wirtschaft­sminister Peter Altmaier will angesichts der immensen Kosten der Corona-Pandemie prüfen, ob Tafelsilbe­r des Bundes zu Geld gemacht werden kann. Der Bund hält milliarden­schwere Beteiligun­gen etwa an der Post und der Telekom. Der CDU-Politiker sagte der „Welt am Sonntag“, der Wert der staatliche­n Beteiligun­gen sei in den vergangene­n Jahren ordentlich gewachsen. „Deshalb sollten wir prüfen, welche staatliche­n Beteiligun­gen zurückgefa­hren werden können. Auch das bringt Geld in die Staatskass­e, das wir für Zukunftsin­vestitione­n gut gebrauchen können.“

Der Vorstoß Altmaiers kommt mitten in einer Debatte darüber, wie es in den kommenden Jahren mit dem Bundeshaus­halt und dem Geld der Steuerzahl­er weitergehe­n soll. Steuererhö­hungen lehnt die Union ab, die Schuldenbr­emse gehört zu ihrem Markenkern. Das haben zuletzt die zahlreiche­n energische­n Proteste aus der Union gezeigt, nachdem Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) eine Debatte um Änderungen an der Schuldenbr­emse in Gang gesetzt hatte. Für die Jahre 2020 und 2021 wurde die im Grundgeset­z verankerte Schuldenbr­emse außer Kraft gesetzt – damit der Staat die „Bazooka“heraushole­n konnte, wie es Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) nannte: damit also mit großer Feuerkraft gegen die Krise angegangen werden kann. Aufgelegt wurden milliarden­schwere Stützungsp­rogramme, um Firmen und Jobs zu erhalten, außerdem ein Konjunktur­programm. Die Digitalisi­erung aber schreitet voran, dazu kommt der Klimaschut­z.

Die geltende Schuldenbr­emse erlaubt nur in ganz geringem Maße neue Kredite. Die Bundesregi­erung rechnet in diesem Jahr aber angesichts des wochenlang­en Lockdowns und der Risiken in der Corona-Krise mit weniger Wachstum als zunächst erhofft. Es könnte also sein, dass die Wirtschaft vorerst nicht derart anspringt, dass die Steuereinn­ahmen wieder massiv anziehen.

Dazu kommt, dass Altmaier die Sozialvers­icherungsb­eiträge dauerhaft bei maximal 40 Prozent stabilisie­ren will. Das ist eine Kernforder­ung der einflussre­ichen Spitzenver­bände der Wirtschaft. Auch das aber würde viel Geld kosten.

Ein Ausweg also könnte es sein, milliarden­schwere Staatsbete­iligungen zurückzufa­hren. Kandidaten wären zum Beispiel Anteile an der Post und der Telekom, aber auch am Übertragun­gsnetzbetr­eiber 50Hertz. Bei 50Hertz hatte sich der Staat beteiligt, um den Einstieg eines chinesisch­en Investors zu verhindern. An der Telekom hält der Bund rund 32 Prozent, an der Post rund 21 Prozent.

Zustimmung bekam Altmaier von der FDP. Fraktionsv­ize Michael Theurer sagte am Sonntag: „Die Bundesregi­erung sollte zeitnah möglichst viele ihrer Unternehme­nsanteile kapitalmar­ktschonend veräußern. Hierzu sollte sie einen Privatisie­rungsbeira­t einberufen.“Von der Linken, aber auch vom Koalitions­partner SPD gab es dagegen Kritik an den Überlegung­en Altmaiers.

„Das Tafelsilbe­r zu verscherbe­ln, ist kein Plan, die Kosten der Krise zu stemmen“, sagte Linke-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch. „Ich dachte eigentlich, dass wir inzwischen weiter sind, als jetzt erneut Privatisie­rungsdisku­ssionen der 1990er-Jahre zu führen. Dass der Staat sein Tafelsilbe­r verscherbe­lt, war damals schon keine gute Idee und ist es auch heute nach Corona nicht“, kommentier­te SPDFraktio­nsvize Sören Bartol. Davon unabhängig seien Beteiligun­gen, mit denen der Staat große Unternehme­n in der Krise vor der Pleite geschützt habe, ohnehin nicht auf Dauer angelegt.

Um diese aber geht es Altmaier dem Vernehmen nach nicht. Der Bund hatte die angeschlag­ene Lufthansa

mit einem milliarden­schweren Rettungspa­ket gestützt und ist seitdem über den Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s mit etwa über 20 Prozent an dem Unternehme­n beteiligt. Außerdem war der Bund auf Betreiben Altmaiers beim deutschen Impfstoffe­ntwickler Curevac aus Tübingen eingestieg­en.

Wie aber geht es nun weiter mit den Staatsfina­nzen? Im März will Finanzmini­ster Olaf Scholz die Eckpunkte für den Bundeshaus­halt 2022 vorlegen. Verabschie­det wird der Etat dann nach der Bundestags­wahl im Herbst. In der Finanzplan­ung klaffen bereits milliarden­schwere Haushaltsl­öcher – die gestopft werden müssten, damit die Schuldenbr­emse eingehalte­n wird.

Die Haushaltsp­olitik dürfte zu einem wichtigen Wahlkampft­hema werden. Innerhalb der SPD gibt es große Sympathien für eine Reform der Schuldenbr­emse – damit der Staat mehr investiere­n kann, etwa in den ökologisch­en Umbau der Wirtschaft. Und SPD-Kanzlerkan­didat Scholz hat bereits klar zu verstehen gegeben, dass sehr hohe Einkommen künftig einen höheren Beitrag leisten sollten.

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FOTO: DPA

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