Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Öffentlich oder nicht – das ist die Frage
Nach Beschwerde beim Landratsamt: Bürgermeister kündigt an, mehr hinter verschlossenen Türen zu beraten
EMMINGEN-LIPTINGEN - Dass die Gemeinde Emmingen-Liptingen Räumlichkeiten für eine Arztpraxis im Ortsteil Emmingen kaufen wird, hat die Öffentlichkeit erst erfahren, als der Beschluss bereits nichtöffentlich gefasst worden war. Bei einer Gemeinderätin stieß diese Vorgehensweise auf Kritik. Sie verfasste ein Schreiben an das Landratsamt. Bürgermeister Joachim Löffler titulierte das Vorgehen nun als Eigentor und kündigte an, künftig noch mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu beraten.
Ein Blick zurück. Es ist der 12. Oktober 2020. Bei der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates, die damals in der Witthohhalle stattfindet, werden die anwesenden Zuhörer für einen Moment nach draußen geschickt. Angelika Störk stellt einen Geschäftsordnungsantrag, bei dem sie – wie jetzt klar wurde – die Debatte um den Kauf einer Arztpraxis in Emmingen öffentlich diskutieren will. Der Gemeinderat stimmt mehrheitlich dagegen, und so erfährt die Öffentlichkeit an besagtem Sitzungsabend noch nichts von dem Vorhaben. Erst am 2. November, also bei der nächsten öffentlichen Sitzung, landet dieser Punkt – „Kauf von Praxis-Räumlichkeiten in Emmingen im Neubau ,Silvester’“– dann auf der Tagesordnung und wird mit zwei Gegenstimmen nochmals öffentlich beschlossen.
„Die ganzen Dinge, die zum Arzthaus in Emmingen liefen, waren alle nicht öffentlich“, sagt Angelika Störk im Gespräch mit unserer Zeitung. Und das, obwohl es bei dieser Investition
um Hunderttausende Euro gehe. „Ich wusste Ende Oktober nicht, was Bürgermeister Löffler machen wird“, so Störk. Ihre Sorge: Wenn nichtöffentlich über das Vorhaben beschlossen würde, könnte der Beschluss nicht rechtskräftig sein. Sie erklärt: „Mit dem Schreiben an das Landratsamt wollte ich verhindern, dass die Demokratie untergraben wird und solche Sachen im Untergrund nichtöffentlich beschlossen werden.“Daher habe sie dem Landratsamt als Kommunalaufsichtsbehörde die Sachlage schriftlich vorgetragen. „Wir können für Projekte mit so einer Tragweite keine nichtöffentlichen Beschlüsse fassen“, findet sie.
Jüngst kam das Thema nochmals bei einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderates zur Sprache. Bürgermeister Joachim Löffler sagte, dass es laut Landratsamt unnötig gewesen sei, das Vorhaben nach dem nichtöffentlich getroffenen Beschluss überhaupt nochmals öffentlich zu behandeln. „Damit hat Frau Störk nun genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollte“, so Löffler. Er kündigte an, künftig noch mehr hinter verschlossenen Türen zu beraten und verwies auf die Amazon-Pläne der Stadt Trossingen – „dort wurde alles nichtöffentlich abgehandelt“.
Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Löffler: In einer nichtöffentlichen Sitzung im Oktober sei es um den Kauf der Praxis gegangen. Den Wunsch Störks, den Punkt öffentlich zu beraten, weil ein öffentliches Interesse bestehe, könne er nachvollziehen. Da es um den Kauf eines Grundstücks, also auch um Preise und Personalien ging, sei dieser Beschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefasst worden. „Es gab also genügend Gründe, das Thema nichtöffentlich zu behandeln“, sagt Löffler.
Wie er weiter berichtet, habe er dem Gemeinderat in dieser Sitzung aber bereits gesagt, dass in der nächsten öffentlichen Sitzung nochmals darüber beraten werde. „Wir haben die nächste Sitzung abgewartet, um die Öffentlichkeit zu informieren.“Das sei auch der einzige Punkt, der seitens der Behörde beanstandet worden sei. Das sei „von mir aus wissend nicht ganz richtig“gewesen, sagt Löffler zum Vorgehen, nichtöffentlich zu beschließen und das Thema dann nochmals öffentlich auszurollen. Er habe aber eine gewisse Diskussion auch in der öffentlichen Sitzung haben wollen. „Das war entgegen der Gemeindeordnung.“
Mit dem Erscheinen des jüngsten Amtsblatts spitzt sich die Lage noch etwas zu. „Herr Löffler behauptet, dass ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn eingereicht hätte“, sagt Angelika Störk. „Ich war fassungslos, weil das nicht dem Schreiben entspricht“, erklärt sie. „Jetzt will mich der Bürgermeister in der Öffentlichkeit diffamieren. Dabei habe ich nur mein Recht als Gemeinderätin genutzt“, schildert sie.
Löffler sagt dazu: „Sie hat prüfen lassen, ob das Vorgehen rechtens ist“, das komme einer Dienstaufsichtsbeschwerde gleich. „Natürlich soll das rechtens sein, und es ist ihr gutes Recht, sich zu beschweren“, sagt er. Allerdings dürfe sich die Gemeinderätin nicht wundern, wenn „eine Bauchlandung“publik gemacht werde, schildert Löffler seinen Standpunkt.
Doch wie ernst war denn nun seine Aussage gemeint, künftig alles, was möglich ist, nur noch nichtöffentlich zu beraten und zu beschließen? Die Nachfrage unserer Zeitung, ob das mehr als Fingerzeig zu werten sei, bejaht er. „Ich wollte deutlich gesagt haben, dass es nicht hilfreich ist, immer gegen alles zu poltern.“
„Jetzt will mich der Bürgermeister diffamieren.“Gemeinderätin Angelika Störk