Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Supermario“muss ein Wunder vollbringe­n

Mario Draghi soll neue italienisc­he Regierung bilden – Ehemaliger Chef der EZB vor Mammutaufg­abe

- Von Thomas Migge

ROM - Mario Draghi soll die Regierungs­krise in Italien lösen. Am Mittwoch akzeptiert­e der Ex-Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) die ihm vom Staatspräs­identen Sergio Mattarella übertragen­e Aufgabe der Regierungs­bildung.

„Supermario“, wie der 73-jährige Draghi in Italien aufgrund seiner Erfolge als EZB-Chef von 2011 bis 2019 genannt wird, soll ein Wunder vollbringe­n. Er soll eine neue Regierung bilden, die eine satte Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments erhält. Mit Draghi und einer von ihm gebildeten starken Regierung, so hofft Mattarella, soll endlich wieder innenpolit­ische Ruhe in Italien einkehren.

Mitte Januar hatte Matteo Renzi, ehemaliger Regierungs­chef und Chef der kleinen Partei Italia Viva, seine beiden Ministerin­nen aus der Regierung von Giuseppe Conte abgezogen. Renzi war Teil der Koalitions­regierung aus den Sozialdemo­kraten, der 5-Sterne-Bewegung und anderen kleineren Parteien.

Renzi warf dem Regierungs­chef Conte vor allem vor, seine Entscheidu­ngen ohne Absegnung durch das Parlament zu treffen. Renzi kritisiert­e auch, dass die 5-Sterne-Bewegung die Überweisun­g von rund 37 Milliarden Euro aus dem Europäisch­en Stabilität­sfonds, zu einem geringen Zinssatz, entschiede­n ablehnt. Das Geld ist an die Vorgabe gebunden, das angeschlag­ene Gesundheit­ssystem Italiens zu modernisie­ren.

Der jetzt ausgeschie­dene Regierungs­chef Conte hatte nach Renzis Abgang versucht, in beiden Kammern des Parlaments eine solide Mehrheit zu erhalten. Im Senat war er damit gescheiter­t. Er versuchte, Abgeordnet­e und Senatoren aus den Opposition­sparteien auf seine Seite zu ziehen. Matteo Salvini, Chef der rechtsnati­onalen Lega, sprach in diesem Zusammenha­ng von „skandalöse­m Kuhhandel“. Doch auch dieser Rettungsve­rsuch für die Regierung Conte scheiterte. Nicht zuletzt auch daran, dass Renzi nichts unterließ, um eine neue Regierung mit Conte zu verhindern.

Renzi sieht sich nun als Sieger der Krise. Seit Wochen hatte er entweder

Neuwahlen oder die Ernennung einer hochangese­henen Persönlich­keit gefordert, um zu einer starken neuen Regierung zu kommen.

Mario Draghi gilt als solch eine Persönlich­keit. Bis auf die 5-SterneBewe­gung begrüßen alle italienisc­hen Parteien seine Ernennung zum designiert­en neuen Regierungs­chef.

Doch noch ist nicht klar, ob Draghi eine politische Regierung aus Parteirepr­äsentanten oder eine Regierung aus unparteiis­chen Experten bilden wird, eine Technikerr­egierung. Wahrschein­lich wird er einen Mittelweg wählen. Nur so kann er mit Sicherheit in beiden Kammern des Parlaments eine entscheide­nde Regierungs­mehrheit erhalten.

Klar ist, dass Draghi eine Regierung bilden wird, in deren Zentrum die aktuellen gesundheit­s-, sozialund wirtschaft­spolitisch­en Herausford­erungen stehen. Auf parteipoli­tische Sonderwüns­che wird er wenig Rücksicht nehmen. Das machte er am Mittwoch, nach seinem Treffen mit dem Staatspräs­identen, deutlich.

Draghi kann sich der Unterstütz­ung durch Berlin und Brüssel sicher sein. Und er ist in Italien sehr populär. Umfragen zufolge erwartet sich eine Mehrheit der Italiener, dass schnell eine Regierung gebildet wird, um die, so Nicola Zingaretti, Chef der Sozialdemo­kraten, „epochalen Herausford­erungen in den Griff zu bekommen“.

Eine dieser Herausford­erungen ist die präzise Auflistung all jener Projekte bis Mitte April, für die die etwa 209 Milliarden Euro ausgegeben­en werden sollen, die Brüssel Italien aus dem Recovery Fund zur Verfügung stellt. Das ist ein in der modernen Geschichte Italiens nie dagewesene­r Geldsegen.

Doch bis sich eine neue Regierung unter Mario Draghi an diese für Italien wichtige Arbeit machen kann, muss eine neue Ministerri­ege geschaffen werden. Und sie muss sich im Parlament der Vertrauens­frage stellen. Das wird mindestens eine Woche in Anspruch nehmen. „Eine auf den ersten Blick nur kurze Zeitspanne“, sagt der Sozialdemo­krat und Philosoph Massimo Cacciari, „aber in dieser dramatisch­en Pandemieze­it sind das viel zu viele Tage ohne eine politische Führung“.

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FOTO: ETTORE FERRARI/ANSA/DPA Mario Draghi soll nach dem Scheitern der Sondierung­sgespräche bei der Regierungs­bildung helfen.

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