Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aus Eins mach Zwei
Paukenschlag in Stuttgart – Daimler spaltet sich auf und bringt einen Mehrheitsanteil seiner Truck-Sparte an die Börse
STUTTGART/RAVENSBURG - Der Stuttgarter Autobauer Daimler vollzieht den bereits länger erwarteten Schnitt: Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, soll das Lkw-und Bus-Geschäft abgespaltet und noch in diesem Jahr an die Börse gebracht werden. Für entsprechende Vorbereitungen hätten Aufsichtsrat und Vorstand grünes Licht gegeben. Beabsichtigt ist, den Mehrheitsanteil der Sparte an die heutigen DaimlerAktionäre im Rahmen eines Spinoffs zu übertragen. Eine Minderheitsbeteiligung will Daimler selbst behalten – und entsprechend auch im Aufsichtsrat mitreden.
„Dies ist ein historischer Moment für Daimler und der Anfang für eine tiefgreifende Umgestaltung des Unternehmens“, sagte Daimler-Chef Ola Källenius zu den Plänen. Er begründete die Aufspaltung damit, dass die beiden Sparten Mercedes-Benz Cars & Vans sowie Daimler Trucks &
Buses in verschiedenen Industrien arbeiteten, die sich noch dazu technologisch und strukturell umfassend verändern würden. „Diesen Wandel können sie deutlich effektiver gestalten, wenn sie dabei als unabhängige Einheiten agieren – mit einer starken Nettoliquidität und ohne die Einschränkungen einer Konglomeratsstruktur“,
erklärte Källenius. Daimler Truck ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Hersteller von Lkw und Bussen und vereint sieben Marken, unter anderem Mercedes-Benz, Setra und Freightliner, unter seinem Dach. Im Jahr 2019 erwirtschaftete die Sparte mit weltweit mehr als 100 000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 45 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis von 2,8 Milliarden Euro.
„Dies ist ein richtungsweisender Moment für Daimler Truck. Mit der Unabhängigkeit gewinnen wir neue Chancen, Sichtbarkeit und Transparenz“, kommentierte Spartenchef Martin Daum die Pläne. Er kündigte an, die Profitabilität der Sparte zu erhöhen, die Entwicklung von emissionsfreien Antriebstechnologien voranzutreiben und so Mehrwert für die Aktionäre schaffen zu wollen. Bei der Rendite wolle Daimler Truck auch künftig „Branchenführer sein“.
Aufsichtsratschef Manfred Bischoff verwies auf die unterschiedliche Profitabilität und Kapitalbedürfnisse der beiden Sparten MercedesBenz und Daimler Truck, angesichts dessen die Vorteile einer Aufteilung in zwei unabhängige Einheiten auf der Hand lägen. Die Kapitalmärkte, so Bischoff, würden einen solchen Schritt honorieren. Mit dieser Einschätzung lag er nicht falsch: Die Daimler-Aktie schoss nach Bekanntwerden der Pläne am MittwochNachmittag um bis zu zehn Prozent nach oben und setzte sich mit weitem Abstand an die Dax-Spitze.
Die endgültige Entscheidung über einen Spin-off soll bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im dritten Quartal fallen. Stimmen die Aktionäre den Plänen zu, soll die Transaktion bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Perspektivisch soll die Truck-Sparte die Kriterien für eine Aufnahme im Dax erfüllen. Zu einem späteren Zeitpunkt will sich der Konzern mit dem Pkw- und Van-Geschäft von Daimler in Mercedes-Benz umbenennen.
Bislang sind die Mercedes-Benz AG, die Daimler Truck AG und die Daimler Mobility AG unter dem Dach der Daimler AG vereint und vollständig in deren Besitz. Die Struktur war erst 2019 so eingeführt worden. Die Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen sollen im Zuge der Neustrukturierung in den beiden anderen Unternehmen aufgehen, die Daimler AG langfristig verschwinden.
Die Arbeitnehmervertreter stützen die Pläne von Management und Aufsichtsrat. „Das bringt zusätzliche Perspektiven für unsere Standorte und sichert Beschäftigung“, sagte Daimler-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht. Zudem würden Betriebsvereinbarungen „wie zum Beispiel unsere Zukunftssicherung bis zum Ende der Dekade“weiter gültig bleiben. „Wir haben die einzigartige Möglichkeit, die Nutzfahrzeugstandorte – von der Produktion bis zum Servicegeschäft – aktiv und nachhaltig mitzugestalten“, so Brecht.