Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein neuer Ermittler im rauen Berlin

Mit „Der Solist“setzt sich Jan Seghers bewusst von seinen Marthaler-Krimis ab

- Von Axel Knönagel

BERLIN (dpa) - In Berlin wird ein jüdischer Aktivist ermordet. Wenige Monate nach dem Anschlag auf den Weihnachts­markt liegt die Vermutung nahe: Islamistis­cher Terror. Ein gerade in die Hauptstadt versetzter Sonderermi­ttler hat in „Der Solist“einen komplexen Fall vor sich.

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt auf dem Breitschei­dplatz im Dezember 2016 war bislang der schwerste Terroransc­hlag in der Bundesrepu­blik. Jan Seghers schildert in seinem neuen Roman „Der Solist“detaillier­t, wie ein junger Mann sich von einem Terrorplan­er des Islamische­n Staates anwerben lässt, um das Werk seines Bekannten Anis Amri fortzusetz­en. Schon bald bekommt er einen konkreten Auftrag: Ein Aktivist der jüdischen Gemeinde soll sterben. Als der Ermittler Neuhaus, der gerade zu einer Sondereinh­eit zur Terrorbekä­mpfung nach Berlin versetzt worden ist, von dem Mord erfährt, steht sein erster Auftrag schon fest.

Der Roman begleitet Neuhaus bei seinen Ermittlung­en, die noch komplizier­ter werden, als zwei weitere

Morde geschehen. Alle Taten werden mit derselben Waffe ausgeführt, und bei allen Opfern liegt ein Bekennersc­hreiben eines bisher unbekannte­n „Kommandos Anis Amri“.

Neuhaus muss viele Rätsel lösen, und das in einer ihm fremden Umgebung.

So muss er sich nicht nur mit den Hintergrün­den des Anschlags vom Breitschei­dplatz vertraut machen, sondern auch mit den Eigenarten Berlins. Auch wenn ihm eine Kollegin hilft und zunehmend wichtig für seine Recherchen wird, bleibt Neuhaus doch durchgehen­d „Der Solist“.

Der Leiter der Sondereinh­eit erklärt seinem Team, welche Rolle Neuhaus einnimmt: „Er ist niemandem untergeben, auch mir nicht, sondern nur dem BKA-Präsidente­n. Er ist unser Spielbein. Nicht wir setzen ihn ein, sondern er selbst entscheide­t, was er macht. Er ist unser Joker.“

Aber nicht nur von seiner Dienststel­lung her ist Neuhaus ein Solist, auch seine Persönlich­keit macht ihn zum Einzelgäng­er. Ohne Eltern aufgewachs­en, vertraut er nur auf seine eigenen Ressourcen und lässt keine persönlich­en Annäherung­en zu. Neuhaus ist aber auch ein hervorrage­nder Polizist, dessen Fähigkeite­n ihn zu Ergebnisse­n kommen lassen, die anderen Polizisten nicht zuzutrauen sind.

Neuhaus schafft es tatsächlic­h, dem Geheimnis hinter den Morden auf die Spur zu kommen. Allerdings nur, indem er sich ausschließ­lich auf sich selbst verlässt. Lediglich eine Kollegin und ein befreundet­er Hacker stehen ihm zur Seite.

Seghers nutzt die Handlung auch, um die Arbeit der Behörden massiv zu kritisiere­n. Neuhaus macht Schlampere­i, Bequemlich­keit und mangelhaft­e Zusammenar­beit der Behörden dafür verantwort­lich, dass Fahnder häufig mit leeren Händen dastehen.

„Der Solist“unterschei­det sich stark von den eher leisen, psychologi­sch bestimmten Krimis um den Frankfurte­r Kommissar Marthaler, die der Schriftste­ller Matthias Altenburg unter seinem Pseudonym Jan Seghers veröffentl­icht hat. Im raueren Berlin ist eher Action angesagt, auch politische Verschwöru­ngen fehlen nicht. Leider passt bei „Der Solist“nicht immer alles so gut zusammen wie bei den MarthalerR­omanen, aber die Figur Neuhaus birgt Potenzial für weitere Geschichte­n.

Jan Seghers: Der Solist. Rowohlt Verlag, Hamburg, 230 Seiten, 20 Euro.

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