Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Anwalt der Kunst

Man nennt ihn „Mr. MoMa“– Zum 80. Geburtstag des Juristen und Förderers Peter Raue

- Von Gerd Roth

BERLIN (dpa) – Ausharren vor der Neuen Nationalga­lerie, Warteschla­ngen bis in die Nacht hinein. 1,2 Millionen Menschen wollten 2004 in Berlin die 200 Kunstwerke aus dem New Yorker Museum of Modern Art sehen. Die Idee stammte von Peter Raue. Der Anwalt und Kunstförde­rer brachte mit dem Verein „Freunde der Nationalga­lerie“die Arbeiten von Beckmann bis Pollock für sieben Monate nach Berlin. Dies brachte ihm den Spitznamen „Mr. MoMa“ein. Am Donnerstag wird Peter Raue 80 Jahre alt.

„Kultur war für mich eine Insel der Seligkeit. Ich hatte es zu Hause nicht ganz einfach“, beschreibt Raue im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sein Interesse für die Kultur. Er wollte immer Schauspiel­er werden. „Dieses Theater ist eine krankhafte Leidenscha­ft von mir.“Bereits mit 14 Jahren habe ihm seine Mutter ein Theaterabo­nnement in seiner Geburtssta­dt München geschenkt.

Mit der Schauspiel­erei wird es nichts, also entscheide­t sich Raue für ein Jurastudiu­m in Berlin. Inzwischen hat er eine Kanzlei mit 70 Anwälten. Im Lauf der Jahre wurde er zu einem Spezialist­en für Kunst- und Urheberrec­ht. Er vertrat den Autor Heiner Müller (1929-1995) gegen die Brecht-Erben wegen Brecht-Passagen im Müller-Stück „Germania 3“. Die erste „wirklich depperte Entscheidu­ng“eines Münchner Gerichts habe ihn „bis in den Schlaf“verfolgt, erinnert sich Raue. Er ging bis zum Bundesverf­assungsger­icht – und bekam recht.

Auch von einem anderen Verfahren erzählt Raue sichtlich erfreut: Ein Mandat für das Berghain, den internatio­nal gefeierten Berliner Club. Es ging um die Frage: Ist das Berghain eine Vergnügung­sstätte (19 Prozent Mehrwertst­euer) oder ein Ort der Kultur (sieben Prozent)? Um sich zu informiere­n, verbringt Raue eine Nacht in dem Club und erzählt: „Das, was sich im Berghain abspielt, ist genauso wie ein Konzert in der Philharmon­ie. Das Finanzamt hat gesagt: ,Aber die geraten doch in Ekstase.’ Aber das tue ich bei Mahlers Neunter auch.“Raue gewinnt. Auch im Südwesten war Peter Raue aktiv: Er hat für die Peter- und Gudrun-SelinkaSti­ftung den Vertrag über die Leihgaben für das Kunstmuseu­m Ravensburg ausgehande­lt.

Bis zum Jahr 2008 sitzt er dem „Verein der Freunde der Nationalga­lerie“vor. In jener Zeit konnte für das Museum für 1,2 Millionen US-Dollar „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue“des US-Künstlers Barnett Newman erworben werden. „Es ist das wichtigste Bild, das wir je gekauft haben. Bis heute.“

Ein paar Jahre später sitzt Raue mit Glenn Lowry, dem Chef des MoMA, in einer Kneipe in Schöneberg zusammen. Lowry berichtet von Plänen, Werke während der Sanierung seines Hauses durch drei, vier Museen wandern zu lassen. „Das schadet den Bildern“, entgegnet Raue, „du musst nach Berlin kommen für sieben Monate“. Eine Werbekampa­gne entfacht einen Hype. „Es blieben sieben Millionen Euro Gewinn, obwohl die Ausstellun­g 15 Millionen gekostet hat, weil sie am Ende rund um die Uhr geöffnet war.“

Soviel Energie und Einfluss ebnet oft den Weg in die Politik. Doch hat das Raue nie gereizt, zu viel Verwaltung.

Ein jüdischer familiärer Hintergrun­d ist ein Antrieb für Raues Engagement in der James-Simon-Stiftung. Und in seiner Wohnstraße ließ er 107 Stolperste­ine verlegen, die an die ermordeten Juden erinnern.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA Peter Raue

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