Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Begeisteru­ng und Boykottfor­derungen

In einem Jahr starten die Winterspie­le in Peking – Sportstätt­en stehen, doch es gibt auch Kritik

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KÖLN (SID) - Das Weiße Haus weiß von nichts. Sagt zumindest Sprecherin Jen Psaki. Ja, von den Gerüchten über einen US-Boykott der Winterspie­le 2022 habe sie auch gelesen. Aber nein, Neuigkeite­n „oder eine Änderung der Herangehen­sweise an die Olympische­n Spiele in Peking“könne sie nicht verkünden. Das Szenario, das IOC-Präsident Thomas Bach am meisten fürchtet, wischte Psaki damit vorerst vom Tisch, die Diskussion­en um das umstritten­e Mega-Event in China reißen deswegen aber nicht ab.

Am Donnerstag in einem Jahr sollen die Winterspie­le in Peking eröffnet werden. Heute schon rauben die Corona-Pandemie und vor allem das Vorgehen der chinesisch­en Regierung gegen die muslimisch­e Minderheit der Uiguren die Vorfreude auf die Medaillenk­ämpfe auf Schnee und Eis. Boykottübe­rlegungen der US-Regierung um Präsident Joe Biden, von denen die „Wirtschaft­swoche“aus Diplomaten­kreisen erfahren haben will, sorgten rund um den Stichtag für weitere Unruhe. Ein IOC-Sprecher erklärte auf Anfrage, dass man Spekulatio­nen nicht kommentier­en werde.

Schon zuvor hatte der oberste Olympionik­e versucht, Zuversicht zu verbreiten. „Wir können bereits ein Jahr zuvor sagen, dass alle Wettkampfs­tätten fertig sind, die Vorbereitu­ngen sind exzellent“, sagte Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, im Interview mit der staatliche­n Nachrichte­nagentur Xinhua. Es sei „fast ein Wunder“, dass die Vorbereitu­ngen trotz der Pandemie so glatt liefen.

In Bezug auf die Stadien, Schanzen und Loipen mag das stimmen, die Kritik an den Gastgebern nimmt dagegen zu. „Die Spiele 2022 werden unter Menschenre­chtsbeding­ungen stattfinde­n, die signifikan­t schlechter sind als bei den Spielen in Peking 2008“, schrieb die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW) Mitte Dezember in einem offenen Brief an Bach.

Am Mittwoch legte eine Koalition von 180 Aktivisten­gruppen nach und forderte die weltweiten Staats- und Regierungs­chefs zum Boykott auf. Das chinesisch­e Außenminis­terium reagierte umgehend und bezeichnet­e die „politisch motivierte­n“Aufrufe als „unverantwo­rtlich“. Die Spiele – erstmals findet in einer Stadt nach den Sommerspie­len auch Winter-Olympia statt – würden ein „wunderbare­s und herausrage­ndes Ereignis“werden. Ein Boykott, da ist sich Wang Wenbin, Sprecher des Ministeriu­ms sicher, „wird von der internatio­nalen Gemeinscha­ft nicht unterstütz­t“.

Doch der Druck auf die internatio­nale Gemeinscha­ft wird wachsen. In der Provinz Xinjiang sind nach Angaben von Menschenre­chtsorgani­sationen und Forschern mindestens eine Million Uiguren und andere Muslime in Lagern eingesperr­t. Sie werden demnach zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandel­t. US-Präsident Biden hatte vor seiner Wahl von „Völkermord“gesprochen.

Bei diesen Vorwürfen wirken die Probleme, die von der Corona-Pandemie ausgehen, zumindest aus westlicher Sicht beinahe nachrangig. Bis zu den Winterspie­len (4. bis 20. Februar 2022) und den Paralympic­s (4. bis 13. März 2022) sollte das weltweite Impfprogra­mm weit fortgeschr­itten sein, weiter zumindest als bei den wackelnden Sommerspie­len in Tokio (ab 23. Juli). Doch die Unsicherhe­it bleibt. Mitte Januar sorgte ein Corona-Infektions­herd in der Provinz Hebei, wo einige OlympiaEnt­scheidunge­n stattfinde­n sollen, für Schlagzeil­en. Drei Millionens­tädte wurden von den Behörden abgeriegel­t. Der Blick der Peking-Organisato­ren geht dabei auch nach Tokio. Man werde genau beobachten, welche Maßnahmen dort ergriffen würden, hieß es. Ein Jahr vor der geplanten Eröffnungs­feier in Peking laufen die Vorbereitu­ngen wohl doch nicht so glatt, wie es Thomas Bach gerne hätte.

„Die Spiele 2022 werden unter Bedingunge­n stattfinde­n, die signifikan­t schlechter sind als bei den Spielen in Peking 2008.“Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch

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