Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Grüne im Südwesten weiter deutlich vor der CDU
Trotz sinkender Beliebtheit von Regierungschef Kretschmann baut seine Partei den Vorsprung aus
STUTTGART (dpa) - Knapp sechs Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März haben die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage ihren Vorsprung auf die CDU deutlich vergrößert. Wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, könnten die Grünen mit 34 Prozent der Stimmen rechnen, die CDU mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann nur mit 27 Prozent.
Die Grünen verlieren laut der Erhebung von Infratest dimap im Auftrag von SWR und „Stuttgarter Zeitung“im Vergleich zu Mitte Dezember zwar einen Punkt, doch der kleinere Koalitionspartner CDU büßt sogar 3 Punkte ein. Die SPD kann sich auf niedrigem Niveau um einen Punkt verbessern und käme demnach auf 11 Prozent. Die AfD erreicht der Umfrage zufolge 10 Prozent (minus 1). Die FDP kann um zwei Punkte zulegen und liegt bei 9 Prozent. Die Linke würde mit 3 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Der 72-jährige Regierungschef Kretschmann ist zwar immer noch vergleichsweise beliebt, muss aber während der Corona-Pandemie starke Einbußen hinnehmen. Immerhin 69 Prozent stellen dem Grünen jedoch weiterhin ein gutes Zeugnis aus. Im Vergleich zu Oktober ist dies allerdings ein Minus von 8 Punkten. Kultusministerin Eisenmann, die zuletzt ebenso vehement wie erfolglos für die schnellstmögliche Öffnung von Schulen und Kitas gekämpft hat, liegt weiter klar hinter Kretschmann: Die 56-Jährige überzeugt gerade mal 23 Prozent (minus 1) mit ihrer Arbeit. Und so bleibt Kretschmann auch für beinahe zwei Drittel der Bürger in Baden-Württemberg Wunschkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten: 65 Prozent (minus 1) favorisieren ihn, nur 16 Prozent (plus 3) ziehen Herausforderin Eisenmann vor.
Momentan gibt es Ängste und Misstrauen gegenüber der Politik. Ein Auslöser war die Düngeverordnung. Die EU sagt, die Werte in Deutschland zum Nitrat im Grundwasser sind zu schlecht. Schuld daran sind dann pauschal alle Bauern. Dabei reicht das Netz an Messstellen nicht aus. Uns macht man auch für einen zu hohen CO2-Ausstoß verantwortlich, dabei binden wir auf den Feldern mehr CO2 als wir produzieren.
Im Gegensatz zu anderen Gruppen wie NGOs haben wir verschlafen, den Mund aufzumachen. Wir müssen erst lernen, mit Politikern und Medien umzugehen und uns zu behaupten. Ob wir eine schnelle Versöhnung in der Gesellschaft hinbekommen, bezweifle ich. Dafür müssten auch die NGOs abrüsten. Mit jeder Neuerung, die die Politik der Landwirtschaft verordnet hat, habe ich Geld auf dem Hof verloren. Ich wünsche mir von der Politik, dass sie nicht nur sagt, sie hilft uns, faire Lösungen zu finden, sondern das auch tut. Schon heute arbeite ich 60 bis 80 Stunden auf dem Hof. Ich möchte das nicht auf 120 Stunden ohne finanziellen Ausgleich erhöhen.
Martin Kloos, Landwirt aus Ingoldingen
Uns geht’s einfach saugut. Wir haben 1995 den Hof auf Bioland umgestellt. Seit der BSE-Krise Anfang des Jahrtausends reiten wir auf einer Welle. Am Anfang war man noch ein bisschen der Besondere, heute ist bio Mainstream. Dabei ist nicht alles automatisch perfekt, nur weil es bio ist.
Ich wünsche mir, dass die Verbraucher mitdenken. Wenn ein Kilo Schnitzel 4,99 kostet oder ein Sack Kartoffeln 99 Cent, dann muss eine Schweinerei dahinterstecken. Wird nur auf den Preis geguckt, spezialisieren sich Bauern immer mehr. Das schadet der Vielfalt. Unsere Böden brauchen aber Vielfalt, so wie wir Menschen. Auf der einen Seite spezialisieren wir uns, auf der anderen Seite machen wir Blühstreifen – das passt nicht zusammen. Wir sind ein vielfältiger Hof und setzen stark auf Direktvermarktung. Regionale Märkte sind gut. Aber dann muss man als Verbraucher auch mal akzeptieren, dass es ein Produkt gerade nicht gibt. Es liegt an uns allen, wie sich die Landwirtschaft entwickelt – nämlich daran, wie solidarisch wir uns verhalten.
Armin Bauschatz, Biolandwirt aus Grüningen
Landwirtschaft und Naturschutz müssen mehr gemeinsam machen. Landwirte haben Flächen und Maschinen, Naturschützer kennen oft die Ansprüche einzelner Arten. Ich habe die Erfahrung, dass man bei vielen Landwirten auf offene Ohren stößt.
Es wäre wichtig, dass zwischen den intensiv bewirtschafteten Feldern Brachflächen bleiben. Insekten, Kleinsäuger, Feldhasen brauchen sie nicht nur als Rückzugsraum, sondern zum Teil auch zum Überwintern. Wir brauchen mehr artenreiche Blühwiesen, möglichst an sonnigen Hängen. Wir müssen Strukturen in den Landschaften fördern, z.B. Hecken, Trockenhänge, Streuobstwiesen. Die sind die Voraussetzung für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt. Naturschützer allein können das nicht mehr ins Lot bringen, da müssen viele gesellschaftliche Gruppen mitmachen.
Die Aufgabe der Politik ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Naturschutz muss sich für den Landwirt lohnen. Städte und Gemeinden ziehen seit einigen Jahren sehr gut mit. Es wäre schön, wenn sich auch Firmen stärker beteiligen.
Willi Mayer aus Meckenbeuren, Vorsitzender der Nabu-Gruppe Ravensburg