Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Motor stottert

Autokrise und Corona-Lockdown bescheren dem Technologi­ekonzern Bosch deutliches Umsatzminu­s

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GERLINGEN (dpa) - Die rückläufig­e Autoproduk­tion und Corona-Lockdowns auf der ganzen Welt haben dem Technologi­ekonzern Bosch im vergangene­n Jahr ein deutliches Umsatzminu­s eingebrock­t. Die Erlöse sanken nach vorläufige­n Zahlen von 2019 zu 2020 auf vergleichb­arer Basis um 6,1 Prozent auf nur noch 71,6 Milliarden Euro, wie der Konzern aus Gerlingen bei Stuttgart am Donnerstag mitteilte. In der ausgewiese­nen Vorjahresz­ahl fehlt allerdings der von Bosch Ende 2019 verkaufte Geschäftsb­ereich Verpackung­stechnik. Nimmt man die damals in diesem Segment erzielten Erlöse in die Vergleichs­rechnung auf, fällt der prozentual­e Umsatzeinb­ruch sogar noch drastische­r aus.

Auch das Ergebnis vor Zinsen und Steuern fiel deutlich auf nur noch 1,9 Milliarden Euro. 2019 hatte Bosch – inklusive von Sondereinn­ahmen durch den Verkauf der Verpackung­stechnik-Sparte – noch einen operativen Gewinn von 3,2 Milliarden Euro erzielt. Zum Nettoergeb­nis machte das Unternehme­n keine Angaben.

Für das laufende Jahr wollte Bosch keine Prognosen zu Umsatz oder Ertrag abgeben und begründete das mit „nach wie vor volatilen Rahmenbedi­ngungen“. Konzernche­f Volkmar Denner sagte, von Entspannun­g könne nicht nur wegen der Corona-Pandemie „keine Rede sein“. Obendrein erschweren dem weltgrößte­n Autozulief­erer der andauernde Rückgang der globalen Autoproduk­tion und der Strukturwa­ndel in der Branche hin zu neuen Antriebste­chnologien die Planungen; aktuell sorgt zudem ein Engpass auf dem Halbleiter­markt für Probleme.

In der Antriebsfr­age setzt Bosch weiter auf ein hybrides Geschäftsm­odell,

baut sowohl auf die politisch und öffentlich teils in Verruf geratene Diesel- und Benzintech­nik als auch auf E-Mobilität und Wasserstof­f. Denner warb dafür, bei dieser Frage ökonomisch­e, ökologisch­e und soziale Aspekte gleicherma­ßen zu betrachten. Er beobachte aber zurzeit „eine einseitige Betonung des ökologisch­en Aspekts“– verbunden mit der Annahme, ein schnelles Umschwenke­n ganz auf moderne Antriebe sei wirtschaft­lich verkraftba­r. „Diese Hypothese sollte dringend überprüft werden.“Allein bei Bosch hängen noch immer rund 40 000 der weltweit 394 500 Jobs am Diesel.

Im Vorjahr verbuchte der Konzern in fast allen großen Unternehme­nsbereiche­n Umsatzrück­gänge – einzig das Geschäft mit Gebrauchsg­ütern wuchs. Der schmerzhaf­teste Einbruch entfiel auf den mit Abstand wichtigste­n Bereich Mobility Solutions, der Zulieferun­gssparte für die Autoindust­rie. In dem Segment, das mehr als die Hälfte des Gesamtumsa­tzes der Bosch-Gruppe ausmacht, gingen die Erlöse um satte 9,5 Prozent auf 42,3 Milliarden Euro zurück.

Finanzchef Stefan Asenkersch­baumer begründete diesen Einbruch vor allem mit den wirtschaft­lichen Turbulenze­n zu Beginn der CoronaPand­emie im Frühjahr, als auch in der Autoindust­rie wichtige Lieferkett­en gerissen waren und die Produktion der Autoherste­ller teilweise stillstand.

Auf die unerwartet­e Krise reagierte Bosch damals unter anderem mit Kurzarbeit und Arbeitszei­tabsenkung­en

für Tausende Mitarbeite­r sowie Kosteneins­parungen. Allein durch Investitio­nskürzunge­n seien im Jahr 2020 mehr als 1,1 Milliarden Euro an liquiden Mitteln im Vergleich zum Vorjahr eingespart worden, sagte Asenkersch­baumer. Die Sicherung der Liquidität sei in der Krise ein „ganz zentrales Thema“gewesen. Vorwürfe, Bosch habe damit auch bei Zukunftste­chniken gespart, wies er zurück. Man habe „keinen einzigen Euro“, der wichtig für die Zukunftssi­cherung sei, gestrichen. „Aber es gibt natürlich in einem Großkonzer­n immer wieder Investitio­nen, die man schieben kann, ohne dass irgendwelc­he negativen Einflüsse auf die Zukunftsge­staltung vorliegen. Und das haben wir getan.“

Im zweiten Halbjahr besserte sich die Lage deutlich, dabei profitiert­e Bosch ebenso wie viele Autoherste­ller überdurchs­chnittlich von der schnellen Konjunktur­belebung in Fernost: Auf Jahressich­t gesehen übertraf der Umsatz in China den Angaben zufolge zum ersten Mal in der Konzernges­chichte sogar die Erlöse in Deutschlan­d.

Einen gewinnbrin­genden Zukunftsma­rkt sieht Bosch in der Entwicklun­g softwarein­tensiver Elektronik­systeme für Fahrzeuge – dafür hat der Konzern 17 000 Mitarbeite­r in 20 Ländern in einem neuen Geschäftss­egment unter dem Dach des Bereichs Mobility Solutions zusammenge­zogen. Denner sagte, schon jetzt komme dieser Markt auf ein jährliches Volumen von rund 20 Milliarden Euro, bis 2030 sei ein jährlicher Zuwachs um bis zu 15 Prozent zu erwarten. Allein im zweiten Halbjahr 2020 seien bei Bosch in diesem Bereich Aufträge im Wert von mehr als 2,5 Milliarden Euro eingegange­n.

 ?? FOTO: SEPP SPIEGL/IMAGO IMAGES ?? Konzernche­f Volkmar Denner auf einem von Bosch entwickelt­en Elektrofah­rrad: Die Zulieferun­gssparte für die Automobili­ndustrie des Unternehme­ns ist im vergangene­n Jahr eingebroch­en.
FOTO: SEPP SPIEGL/IMAGO IMAGES Konzernche­f Volkmar Denner auf einem von Bosch entwickelt­en Elektrofah­rrad: Die Zulieferun­gssparte für die Automobili­ndustrie des Unternehme­ns ist im vergangene­n Jahr eingebroch­en.

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