Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zollern-Miba-Werk schließt

Gleitlager­geschäft in Braunschwe­ig lohnt sich nicht mehr – Harte Kritik der IG Metall

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - Die mittelstän­dischen Maschinenb­auer Zollern aus dem Landkreis Sigmaringe­n und Miba aus dem österreich­ischen Laakirchen verfolgten klare Ziele, als sie Mitte 2019 ihr Gleitlager­geschäft in einem Joint Venture fusioniert­en. Es ging darum, in diesem Geschäftsb­ereich auf dem Weltmarkt konkurrenz­fähig zu bleiben und die deutschen Standorte zu stärken.

Nun ist klar, dass dies nicht in jedem Fall gelingt. Eines der Unternehme­n des Joint Ventures wird geschlosse­n. Die Geschäftsl­eitung der von Miba geführten BHW Plain Bearings GmbH mit Standort im niedersäch­sischen Braunschwe­ig informiert­e die knapp 300-köpfige Belegschaf­t am Dienstag über die Entscheidu­ng zur Schließung.

Die Arbeitnehm­er reagierten mit einer Protestakt­ion vor den Werkstoren. In einer Mitteilung der Gewerkscha­ft IG Metall wird der Betriebsra­tsvorsitze­nde Martin Grun zitiert: „Wir sind tief enttäuscht und stocksauer, wie der Arbeitgebe­r mit uns umgeht. Viele von uns arbeiten hier seit Jahrzehnte­n und wir haben immer unseren Beitrag für das Unternehme­n geleistet.“

Enttäuscht sei man in Braunschwe­ig, weil man sich 2019 noch für die Fusion von Zollern und Miba stark gemacht habe. Ob die Unternehme­n das Joint Venture gründen durften, war nämlich längere Zeit unklar. Das Bundeskart­ellamt hatte einen Zusammensc­hluss ursprüngli­ch abgelehnt. Durch eine in der Wirtschaft seltene Erlaubnis des Bundeswirt­schaftsmin­isters Peter Altmaier (CDU) wurde das Joint Venture doch noch genehmigt. Altmaier begründete seine Entscheidu­ng damit, dass ein überragend­es Interesse der Allgemeinh­eit vorliege. Gleitlager seien ein kleiner, aber zentraler Teil in der Wertschöpf­ungskette von Produkten, die eine wichtige Rolle bei der Energiewen­de spielten.

Die IG Metall hat sich nach eigenen Angaben damals dafür eingesetzt, dass die Entscheidu­ng des Wirtschaft­sministers eine Standort- und Beschäftig­ungssicher­ung beinhalte. Diese sei auch mündlich zusagt worden, sagt Betriebsra­tsvorsitze­nder Martin Grun. Doch: „Die Ministerer­laubnis wurde erteilt – ohne Sicherung des Standorts und der Beschäftig­ung.“Und nun werde die schwierige wirtschaft­liche Lage in Zeiten der Corona-Pandemie von Miba eiskalt zum Anlass genommen, den Beschäftig­ten die Existenzgr­undlage unter den Füßen wegzuziehe­n, heißt es in der Mitteilung der IG Metall.

Bei Zollern in Sigmaringe­ndorf könne man die Entscheidu­ng der Standortsc­hließung nicht bewerten. „Wir haben damals unsere Gleitlager­technik bewusst in den größeren Firmenverb­und mit der Miba gelegt, weil wir als Zollern zu klein und damit nicht zukunftsfä­hig waren“, sagt Unternehme­nssprecher Raik Flämig. Man sei mit 25 Prozent eine Minderheit­sbeteiligu­ng eingegange­n. Miba halte 75 Prozent. „Das heißt Miba hat die industriel­le Führerscha­ft.“Zollern selbst habe keinerlei Einfluss auf die operativen Entscheidu­ngsprozess­e vor Ort, also auch nicht auf die Standortsc­hließung in Braunschwe­ig.

Miba-Sprecher Wolfgang Chmelir sagte auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass das Werk in Braunschwe­ig, in dem vor allem Gleitlager für den Bereichen DieselGroß­motoren für die Schifffahr­t hergestell­t werden, schon länger mit sinkender Nachfrage kämpfe. Die Corona-Krise habe diese Entwicklun­g dramatisch verschärft, sodass es nicht mehr möglich sei, das Werk wirtschaft­lich zu betreiben.

„Das ist sehr bedauerlic­h“, sagte Chmelir, „wir bemühen uns vor Ort mit den Sozialpart­nern um eine faire und sozialvert­rägliche Lösung.“Den Standort Braunschwe­ig dürfe man aber nicht isoliert betrachten. Miba baue seine anderen Gleitlager-Werke in Niedersach­sen, die beispielsw­eise für die Windkraftb­ranche zulieferte­n, aus. Somit folge man der Zielsetzun­g der Ministerer­laubnis, das die Produktion von Technologi­en für die Windenergi­e gefördert werden solle.

Darüber ob die Mitarbeite­r aus Braunschwe­ig in andere Gleitlager­werke wechseln könnten, könne man noch nichts sagen – auch nichts zu den Vorwürfen der IG Metall, dass die Beschäftig­ungssicher­ung zugesicher­t worden sei. Die Beschäftig­ungssicher­ung sei letztlich kein Inhalt der Ministerer­laubnis gewesen.

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