Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Dame mit dem kühlen Blick

Charlotte Rampling wird 75

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Charlotte Rampling umgibt eine fasziniere­nde Aura, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ihre markante Stimme zeugt von Erfahrung und Autorität. Ihr kühler Blick hat etwas Geheimnisv­olles. Der große Luchino Visconti engagierte sie angeblich deshalb. „Es ist alles in deinen Augen“, soll der legendäre Regisseur geschwärmt haben. „The Look“nannte es Dirk Bogarde, Ramplings Co-Star in dem italienisc­hen Drama „Die Verdammten“. Das war vor rund 50 Jahren. Der „Look“ist geblieben. Er ist heute immer noch das Markenzeic­hen der britischen Schauspiel­erin, die jetzt 75 Jahre alt wird.

Es war nicht das umstritten­e Historiend­rama „Die Verdammten“, das Rampling den internatio­nalen Durchbruch als Darsteller­in bescherte, sondern der Skandalfil­m „Der Nachtporti­er“von Regisseuri­n Liliana Cavani. Die heikle Geschichte über die sexuelle, sadomasoch­istische und zerstöreri­sche Beziehung zwischen einer Holocaust-Überlebend­en (Rampling) und ihrem KZWärter (wieder Bogarde) erhitzte 1974 die Gemüter. Und sie machte Rampling schlagarti­g bekannt.

Kritiker zerrissen das Psychodram­a, das in Italien zunächst verboten wurde. Erst mit Verzögerun­g wurde der Film vor Gericht zum Kunstwerk erklärt und freigegebe­n. „Es lag große Schönheit darin“, verteidigt­e Rampling im „Guardian“den Film, der ihre Karriere prägte. „Es war eine quälende, seltsame, dekadente Liebesgesc­hichte.“In vielen Szenen bleibt sie stumm. Aber ihr Blick sagt mehr als viele Worte.

Geboren in Essex, aufgewachs­en in Gibraltar, Frankreich und Spanien, machte sich Rampling im London der Swinging Sixties als Model einen Namen – und wurde zum Sexsymbol. Das brachte ihr kleine Film- und TVRollen

in England ein. WasserskiF­ahrerin in „Der gewisse Kniff“, Schützin in der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“oder hübsche Mitbewohne­rin in „Georgy Girl“– meist wurde sie wegen ihres Aussehens gecastet. In Italien suchte sie nach Rollen, die ihr mehr abverlangt­en und wurde bei Visconti und Cavani fündig.

Fortan war Rampling eine gefragte Darsteller­in für vielschich­tige und anspruchsv­olle Rollen. In den 1980er-Jahren drehte sie mit Woody Allen die Tragikomöd­ie „Stardust Memories“, spielte in Sidney Lumets Drama „The Verdict“mit und stand mit Mickey Rourke und Robert De Niro für Alan Parkers Psychothri­ller „Angel Heart“vor der Kamera.

In den 1990er-Jahren zog sie sich vorübergeh­end aus der Öffentlich­keit zurück. Jahre später berichtete Rampling, deren Schwester sich mit 23 das Leben genommen hatte, von ihrem eigenen Kampf gegen Depression­en. „Es ist eine dunkle, dunkle Krankheit“, sagte sie der „Times“. „Entweder kommt man da raus, oder nicht. Ich habe es geschafft, aber es hat lange gedauert.“

Privat war sie fast 20 Jahre mit dem französisc­hen Musiker und Komponiste­n Jean-Michel Jarre verheirate­t. Die beiden haben einen gemeinsame­n Sohn. Aus Ramplings erster Ehe mit dem Publiziste­n Bryan Southcombe ging ebenfalls ein Sohn hervor. Nach dem Ehe-Aus mit Jarre Ende der 1990er-Jahre war sie mit dem Journalist­en Jean-Noël Tassez liiert, der 2015 starb. Charlotte Rampling lebt in Paris.

Nachdem es in den 1990er-Jahren still um sie geworden war, erlebte Ramplings Karriere in den 2000ern einen zweiten Frühling, der bis heute anhält. Sie erhielt den Europäisch­en Filmpreis als beste Hauptdarst­ellerin für „Swimming Pool“(2003) und erneut für das Drama „45 Years“(2015), das ihr sogar eine Oscar-Nominierun­g einbrachte.

Die Grande Dame des Kinos überzeugt auch als Sängerin. Schon als Teenager sang sie auf der Bühne. Dem Publikum war ihr Gesangstal­ent spätestens seit einer aufsehener­regenden Szene in „Der Nachtporti­er“bekannt. Dort sang sie in provokante­m Outfit – halb nackt und mit der Mütze eines Nazi-Offiziers auf dem Kopf – Friedrich Hollaender­s deutschen Schlager „Wenn ich mir was wünschen dürfte“.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Charlotte Rampling bei der Berlinale 2019.

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