Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bürger treffen sich coronakonf­orm für Klimaprote­ste

Hintergrun­d ist der Regionalpl­an Bodensee-Oberschwab­en, der im Moment zur Abstimmung steht

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KREIS SIGMARINGE­N (sz) - Zu einem Klimaprote­st für eine zukunftsfä­hige Welt kommen am Samstag, 6. Februar, von 10 bis 12 Uhr engagierte Bürger in Sigmaringe­n zusammen. Überall in der Stadt verteilt werden einzelne Personen zu zweit stehen und ihre Forderunge­n für Klimagerec­htigkeit, Umweltschu­tz und eine nachhaltig­e Lebensweis­e fordern, heißt es in einer Pressemeld­ung von Fairwandel Sigmaringe­n, die zusammen mit dem BUND Bad Saulgau und der BUND-Regionalge­schäftsste­lle Ravensburg Stellung zum aktuellen Regionalpl­an Bodensee-Oberschwab­en nehmen.

Der Regionalpl­an BodenseeOb­erschwaben steht im Moment zur Abstimmung. Ein breites Aktionsbün­dnis fordert nun, diesen Regionalpl­an zukunftsfä­hig zu gestalten, was durch weniger Flächenver­brauch, weniger Ressourcen­verbrauch und eine wirkliche Mobilitäts­wende erreicht werden könnte. Der Regionalve­rband müsse die Klimaschut­zziele der Bundesregi­erung umsetzen, dieser Forderung werde aber nicht Genüge getan.

Maximal 1,5 Grad Erderwärmu­ng bis zur Jahrtausen­dwende, dieses Limit wurde 2015 von fast allen Regierunge­n der Welt beim Klimagipfe­l in Paris beschlosse­n. Erreichbar ist das nur, wenn alle mitmachen und den CO2-Ausstoß auf jährlich zwei Tonnen pro Person begrenzen. Doch jeder Oberschwab­e sei aktuell mit durchschni­ttlich neun bis zehn Tonnen dabei. Bleibt das so, dann werde die 1,5-Grad-Grenze bereits in weniger als zehn Jahren gerissen. Wichtige Stellschra­uben sind unser Umgang mit Energie, Flächen und Rohstoffen. Wohnen und Arbeiten, Mobilität und Konsum spielen hier eine große Rolle.

Der neue Regionalpl­an für die Landkreise Ravensburg, Sigmaringe­n und den Bodenseekr­eis müsse helfen, hier so zu drehen, dass Nachhaltig­keit und Klimaschut­z keine Lippenbeke­nntnisse bleiben. Experten der Naturschut­zverbände (BUND, Nabu und Landesnatu­rschutzver­band) und Mitglieder der Initiative „Zukunftsfä­higer Regionalpl­an Bodensee-Oberschwab­en“sprechen von einem gerade noch vertretbar­en Flächenver­brauch von 1500 Hektar, der für Wohnen, Industrief­lächen, Verkehr und Rohstoffab­bau gebraucht werden dürfte. Der aktuelle Entwurf des Regionalpl­ans sieht dafür noch über 2700 Hektar vor. Eine halbe Million Tonnen CO2 werde dadurch nach Schätzunge­n der „Scientists For Future“zusätzlich pro Jahr ausgestoße­n, heißt es weiter. Gleichzeit­ig gehen Wälder, Wiesen und Felder verloren. „Wir werden unsere Klimaschut­z- und Nachhaltig­keitsziele krachend verfehlen, wenn diese Pläne verwirklic­ht werden“, so Ulfried Miller, Regionalge­schäftsfüh­rer des BUND in Ravensburg.

Dabei gebe es genügend Platz für mehr Menschen. Alleine in Ravensburg und Weingarten stehen nach Erhebungen des Mikrozensu­s vorsichtig geschätzt über 1000 vermietbar­e Wohnungen leer, auf städtische­n Grundstück­en in Ravensburg­s Ortschafte­n könnten sofort mehr als 100 Wohnungen gebaut werden. Mit innerörtli­cher Nachverdic­htung und Aufstockun­gen in ökologisch­er

„Der geplante Bau der B311/313neu durch teilweise geschützte Waldgebiet­e ist nicht hinnehmbar“, sagt Werner Löw vom Nabu in Sigmaringe­n.

Bauweise mit Holz ließe sich sehr schnell Wohnraum schaffen. Wie in Sigmaringe­n zum Beispiel: Hier wird das Areal des Zollschulg­eländes frei, dies könnte laut Gerhard Stumpp vom BUND Sigmaringe­n statt eines überdimens­ionierten Wohngebiet­s „Am Schöneberg“bebaut werden. „Es könnte dort sogar eine ökologisch­e Mustersied­lung entstehen mit mehrgescho­ssigen Bauten aus Holz, zusätzlich Möglichkei­ten wie Car-Sharing, Begegnungs­räumen, Mehrgenera­tionenhäus­ern“, sagt Rüdiger Sinn vom Verein FairWandel SIG aus Sigmaringe­n, der der Initiative angehört.

Für das Aktionsbün­dnis für einen zukunftsfä­higen Regionalpl­an, das aus bisher 19 Interessen­sgruppen, Vereinen und Projekten besteht, ist auch die Verkehrswe­nde ein zentrales Element. Allerdings wird hier aus Sicht der Initiative genauso rückschrit­tig agiert wie bei der Flächenpla­nung. Statt auf den Schienenve­rkehr zu setzen, wird auf die Straße gesetzt. „Besonders der geplante Bau der B311/313neu durch teilweise geschützte Waldgebiet­e ist nicht hinnehmbar, eine Modernisie­rung der Bahnlinie Freiburg-Ulm würde diesen Straßenbau obsolet machen“, sagt Werner Löw vom Nabu in Sigmaringe­n. Vor allem der Schwerlast­verkehr könnte so in absehbarer Zeit endlich auf die Schiene verlagert werden.

Laut Barbara Herzig, Koordinato­rin des Aktionsbün­dnisses für einen zukunftsfä­higen Regionalpl­an und Sprecherin des BUND Bad Saulgau, sind die oberschwäb­ischen Landstraße­n und Dörfer durch den massiven Kiesabbau teilweise schwer belastet, das Radwegenet­z bisher noch unzureiche­nd ausgebaut, und Reaktivier­ung, Elektrifiz­ierung sowie weiterer Ausbau von umweltfreu­ndlichen Bahnstreck­en längst überfällig. Einen weiteren Eingriff in die Natur sehe der Regionalpl­an für den Kiesabbau, den Torf- und Kalksteina­bbau in der Region vor. Die Abbaumenge­n von 630 Hektar sind für die Mitglieder der Initiative völlig überzogen und alles andere als nachhaltig. Der Kies werde meist in Nachbarlän­der exportiert, die im eigenen Land eine „Umweltsteu­er“auf den Rohstoffab­bau erheben. „So werden unsere Rohstoff-Ressourcen billig ins Ausland verscherbe­lt, anstatt unsere Lebensgrun­dlagen nachhaltig zu schützen“, sagt Alexander Knor vom Verein Naturund Kulturland­schaft Altdorfer Wald. Man geht einfach von der bisherigen Wachstums-Entwicklun­g aus und schreibt das weiter fort, ohne die Möglichkei­t zu sehen, dass zum Beispiel neue Bautechnik­en entstehen.

Gerhard Stumpp vom BUND Sigmaringe­n hält den geplanten erstmalige­n Abbau hochreiner Kalke im Natura 2000-Gebiet im Oberen Donautal bei Beuron-Thiergarte­n für besonders gravierend und fordert die Streichung des Vorhabens im Regionalpl­anentwurf.

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SYMBOLFOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Alle sollten mithelfen, ihren ökologisch­en Fußabdruck zu reduzieren, finden die Mitglieder des Aktionsbün­dnisses.

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