Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Bäckerei Neher macht weiter

Moni Neher übernimmt Betrieb aus Insolvenz und führt ihn an sechs Standorten fort

- Von Jennifer Kuhlmann

RULFINGEN - Auch in Zukunft wird es Backwaren aus Rulfingen geben. Ein halbes Jahr nachdem die Bäckerei Neher GmbH einen Insolvenza­ntrag beim Amtsgerich­t in Ravensburg gestellt hat, übernimmt Moni Neher den Betrieb zum 1. Februar aus der Insolvenz heraus und will ihn mit fünf Filialen weiterführ­en. „Um das zu schaffen, sind vor allem zwei Dinge notwendig: Dass wir unseren Cafébereic­h bald wieder öffnen dürfen und die Menschen vor Ort ihrem Bäcker im Ort mit ihrem Einkauf den Rücken stärken“, sagt sie.

Hinter Moni Neher, ihren Brüdern Armin und Wolfgang sowie ihren rund 40 Angestellt­en liegen Monate, die an den Nerven gezerrt haben. Doch zusammen mit dem Insolvenzv­erwalter Andreas Wolf und externen Beratern ist es gelungen, das Familienun­ternehmen vor dem kompletten Aus zu bewahren. Dafür mussten drei Filialen – in Inzigkofen, der Mengener Hauptstraß­e und der Backshop in Meßkirch – geschlosse­n und die dort arbeitende­n Mitarbeite­r entlassen werden.

Der Insolvenzv­erwalter hat alle Lieferkett­en und Produktion­sabläufe unter die Lupe genommen und nach Einspar- und Optimierun­gspotenzia­l gesucht. Verkäuferi­nnen seien geschult, ein Bäckermeis­ter eingestell­t worden. Gleichzeit­ig wurde mit Lieferante­n und Belieferte­n gesprochen. Wie bei einer Inventur seien alle Vermögensg­egenstände gelistet und bewertet worden. Prinzipiel­l wäre möglich gewesen, die Mietverträ­ge

der Filialen zu kündigen und den Familienbe­trieb in Rulfingen zu verkaufen. „Aber wer übernimmt heute noch eine Bäckerei?“fragt Moni Neher. Da habe sie lieber selbst einen Finanzplan erstellt und den Betrieb für einen Neuanfang selbst wieder übernommen.

Anwalt Andreas Glib, der den Fall Neher in der Ulmer Kanzlei von seinem Kollegen Wolf übernommen hat, erklärt das Vorgehen so: „Das Insolvenzv­erfahren ist für die juristisch­e Person der GmbH eröffnet worden. Monika Neher hat ein Konzept erarbeitet und die finanziell­en Möglichkei­ten gefunden, die Vermögensw­erte aus der Insolvenzm­asse herauszuka­ufen.“So könne sie unbelastet neu beginnen, während die Schulden bei der GmbH verblieben und über das Verfahren abgewickel­t würden. „Somit bieten Insolvenzv­erfahren immer auch ein Chance, den Betrieb weiterzufü­hren und Arbeitsplä­tze zu erhalten“, sagt Glib. Das sei hier gelungen.

„An unserem Sortiment hat sich nichts geändert“, betont Moni Neher. Sie ist vor allem darüber froh, dass es gelungen sei, den Betrieb trotz aller Schwierigk­eiten am Laufen zu halten und jetzt einen nahtlosen Übergang zu schaffen. „Wenn wir die Backstube hätten schließen müssen, wäre ein Neuanfang deutlich schwierige­r geworden“, glaubt sie. „Kunden, die wir an die Konkurrenz verloren hätten, kommen so schnell nicht von selbst wieder.“

Vor allem die in den vergangene­n Jahren immer stärker aufkommend­en Backshops in Supermärkt­en und Discounter­n haben dem Familienun­ternehmen Neher wie ihren Bäckerkoll­egen arg zu schaffen gemacht. „Und wo mehrere Bäcker am Ort sind, teilt sich der Markt auf“, sagt sie. Die Filiale in Mengen hätte deshalb nicht genug Umsatz gebracht. Sie hofft natürlich, dass die Menschen aus Rulfingen, wo es nur die Bäckerei Neher gibt, ihr den Rücken stärken und ihr Brot nicht auswärts kaufen. Ein kleines Umdenken hätte dann einen großen Effekt. „Wie heißt ein Werbesloga­n: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“, sagt Neher.

Sie hofft außerdem, dass die Corona-Beschränku­ngen recht bald wieder gelockert werden. „Im Café in Meßkirch ist der Umsatz mit 50 Prozent am stärksten zurückgega­ngen, weil wir Kaffee und Kuchen nicht im Geschäft servieren dürfen“, sagt sie. Außerdem würden Lieferunge­n an Gastronome­n und Schulen fehlen sowie in den Innenstädt­en ein Teil der Laufkundsc­haft. „Wer im Homeoffice oder Kurzarbeit ist, holt sich morgens kein Vesper beim Bäcker. Auch das Schulvespe­r der Kinder fällt weg.“All das hätte sich bereits im Frühjahr summiert, durch die Schließung der drei Filialen hat man das zu einem großen Teil auffangen können. „Aber die Auftragsla­ge darf jetzt gern wieder anziehen“, sagt Moni Neher. Sie sei bereit, ihre ganze Energie ins Geschäft zu stecken. Die Bäckerei betreibt neben ihrem Stammhaus in Rulfingen Filialen in Krauchenwi­es, Sigmaringe­n, Pfullendor­f, Meßkirch und Ostrach.

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FOTO: IMAGO IMAGES/PETRA NOWACK Backwaren dürfen aktuell nur daheim verzehrt werden. Die Bäckerinnu­ng hat Brottüten mit Hinweisen zu den Hygienereg­eln erstellt.
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FOTO: NEHER Das Stammhaus der Bäckerei Neher in Rulfingen. Hier befindet sich die Backstube. Die Fassade will Moni Neher mit dem Logo neu gestalten.

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