Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Bäckerei Neher macht weiter
Moni Neher übernimmt Betrieb aus Insolvenz und führt ihn an sechs Standorten fort
RULFINGEN - Auch in Zukunft wird es Backwaren aus Rulfingen geben. Ein halbes Jahr nachdem die Bäckerei Neher GmbH einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht in Ravensburg gestellt hat, übernimmt Moni Neher den Betrieb zum 1. Februar aus der Insolvenz heraus und will ihn mit fünf Filialen weiterführen. „Um das zu schaffen, sind vor allem zwei Dinge notwendig: Dass wir unseren Cafébereich bald wieder öffnen dürfen und die Menschen vor Ort ihrem Bäcker im Ort mit ihrem Einkauf den Rücken stärken“, sagt sie.
Hinter Moni Neher, ihren Brüdern Armin und Wolfgang sowie ihren rund 40 Angestellten liegen Monate, die an den Nerven gezerrt haben. Doch zusammen mit dem Insolvenzverwalter Andreas Wolf und externen Beratern ist es gelungen, das Familienunternehmen vor dem kompletten Aus zu bewahren. Dafür mussten drei Filialen – in Inzigkofen, der Mengener Hauptstraße und der Backshop in Meßkirch – geschlossen und die dort arbeitenden Mitarbeiter entlassen werden.
Der Insolvenzverwalter hat alle Lieferketten und Produktionsabläufe unter die Lupe genommen und nach Einspar- und Optimierungspotenzial gesucht. Verkäuferinnen seien geschult, ein Bäckermeister eingestellt worden. Gleichzeitig wurde mit Lieferanten und Belieferten gesprochen. Wie bei einer Inventur seien alle Vermögensgegenstände gelistet und bewertet worden. Prinzipiell wäre möglich gewesen, die Mietverträge
der Filialen zu kündigen und den Familienbetrieb in Rulfingen zu verkaufen. „Aber wer übernimmt heute noch eine Bäckerei?“fragt Moni Neher. Da habe sie lieber selbst einen Finanzplan erstellt und den Betrieb für einen Neuanfang selbst wieder übernommen.
Anwalt Andreas Glib, der den Fall Neher in der Ulmer Kanzlei von seinem Kollegen Wolf übernommen hat, erklärt das Vorgehen so: „Das Insolvenzverfahren ist für die juristische Person der GmbH eröffnet worden. Monika Neher hat ein Konzept erarbeitet und die finanziellen Möglichkeiten gefunden, die Vermögenswerte aus der Insolvenzmasse herauszukaufen.“So könne sie unbelastet neu beginnen, während die Schulden bei der GmbH verblieben und über das Verfahren abgewickelt würden. „Somit bieten Insolvenzverfahren immer auch ein Chance, den Betrieb weiterzuführen und Arbeitsplätze zu erhalten“, sagt Glib. Das sei hier gelungen.
„An unserem Sortiment hat sich nichts geändert“, betont Moni Neher. Sie ist vor allem darüber froh, dass es gelungen sei, den Betrieb trotz aller Schwierigkeiten am Laufen zu halten und jetzt einen nahtlosen Übergang zu schaffen. „Wenn wir die Backstube hätten schließen müssen, wäre ein Neuanfang deutlich schwieriger geworden“, glaubt sie. „Kunden, die wir an die Konkurrenz verloren hätten, kommen so schnell nicht von selbst wieder.“
Vor allem die in den vergangenen Jahren immer stärker aufkommenden Backshops in Supermärkten und Discountern haben dem Familienunternehmen Neher wie ihren Bäckerkollegen arg zu schaffen gemacht. „Und wo mehrere Bäcker am Ort sind, teilt sich der Markt auf“, sagt sie. Die Filiale in Mengen hätte deshalb nicht genug Umsatz gebracht. Sie hofft natürlich, dass die Menschen aus Rulfingen, wo es nur die Bäckerei Neher gibt, ihr den Rücken stärken und ihr Brot nicht auswärts kaufen. Ein kleines Umdenken hätte dann einen großen Effekt. „Wie heißt ein Werbeslogan: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“, sagt Neher.
Sie hofft außerdem, dass die Corona-Beschränkungen recht bald wieder gelockert werden. „Im Café in Meßkirch ist der Umsatz mit 50 Prozent am stärksten zurückgegangen, weil wir Kaffee und Kuchen nicht im Geschäft servieren dürfen“, sagt sie. Außerdem würden Lieferungen an Gastronomen und Schulen fehlen sowie in den Innenstädten ein Teil der Laufkundschaft. „Wer im Homeoffice oder Kurzarbeit ist, holt sich morgens kein Vesper beim Bäcker. Auch das Schulvesper der Kinder fällt weg.“All das hätte sich bereits im Frühjahr summiert, durch die Schließung der drei Filialen hat man das zu einem großen Teil auffangen können. „Aber die Auftragslage darf jetzt gern wieder anziehen“, sagt Moni Neher. Sie sei bereit, ihre ganze Energie ins Geschäft zu stecken. Die Bäckerei betreibt neben ihrem Stammhaus in Rulfingen Filialen in Krauchenwies, Sigmaringen, Pfullendorf, Meßkirch und Ostrach.