Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Friedrichs junger Schub
Bobpilot leitet bei der Heim-WM in Altenberg den Generationswechsel im Team ein
ALTENBERG - Unerwartet hat Francesco Friedrich wieder ein Heimspiel. Ursprünglich sollten die BobWeltmeisterschaften in Lake Placid ausgetragen werden, wegen der Corona-Pandemie finden in diesem Winter jedoch alle Rennen in Europa statt. Und so darf der Rekord-Weltmeister aus Pirna wieder vor seiner Haustüre im Eiskanal in Altenberg antreten. Doch im Gegensatz zu den Titelkämpfen im Februar 2020 geht der 30-Jährige die Aufgabe gelassener an. „Der Druck ist geringer“, sagt er, „wir werden auch wieder gut sein, aber wir können dieses Jahr entspannter die Aufgabe angehen.“
Im Vorfeld der Titelkämpfe 2020 hatte sich Francesco Friedrich selbst eine gewaltige Bürde auferlegt. Der bullige Athlet wollte unbedingt die Bestmarke von Eugenio Monti einstellen. Der Italiener hatte in den 1950er-Jahren sechsmal hintereinander Gold im Zweier gewonnen. Als er dies geschafft hatte, gestand sein Anschieber Thorsten Margis: „Wir hatten einen enormen Druck und wir hatten auch die Momente, in denen wir uns nicht sicher waren.“Zwölf Monate später sagt Friedrich: „Diesen Titel haben alle von uns erwartet.“
Alles Weitere ist jetzt Zugabe. Zumindest bei Weltmeisterschaften. Friedrichs Blick richtet sich schon auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Peking. Denn auch da will er sich in die Geschichtsbücher einschreiben. „Wir wollen unbedingt Doppel-Gold bei den Spielen verteidigen, das hat höchste Priorität“, sagt Friedrich. Denn noch nie ist es einem Bobpiloten gelungen an zwei aufeinanderfolgenden Spielen die Konkurrenz im Zweier und im Vierer zu gewinnen.
Wegen dieses übergeordneten Zieles war Francesco Friedrich, den alle nur Franz nennen, nicht sonderlich glücklich über die Verlegung der Weltmeisterschaften. Einerseits kennt er die Altenberger Bahn bestens, weshalb die Vorbereitung einfacher für ihn und seine Truppe war. „Im Hinblick auf Olympia wäre für uns trotzdem Lake Placid besser gewesen“, gibt er unumwunden zu. Denn im Bobsport kommt es nicht nur auf die Leistung des Fahrers und seiner Anschieber an, sondern auch auf den Schlitten. Und in diesem Bereich, bekennt Friedrich, habe er im
Vierer Nachholbedarf. „Wenn wir dort hätten sehen können, dass unser Vierer besser läuft wie die Jahre davor, dann wäre das für uns auch gut gewesen“, so seine Argumentation.
Was soll beim Team Friedrich noch besser laufen? Vom Weltcupfinale in Innsbruck-Igls am vergangenen Wochenende durfte er wieder zusätzliches Gepäck mit nach Hause nehmen. Die große Kristallkugel für den Gewinn der Weltcup-Kombination aus Zweier und Vierer, dazu die beiden kleinen Kugeln für die Disziplinenwertung. Bei den insgesamt 16 Rennen hieß der Sieger 15 mal Francesco Friedrich. Lediglich einmal war sein Teamkollege Johannes Lochner im Zweier schneller. Für den 1,83 Meter großen und 96 Kilogramm schweren Piloten war es der vierte Triumph im
„Das ist eine Weltmeisterschaft, die hat nichts mit dem Saisonverlauf zu tun“Francesco Friedrich
Gesamt-Weltcup, dazu kommen vier Erfolge im Zweier und drei im Vierer. Und so ganz nebenbei übernahm er mit 52 Siegen die Tabellenspitze in dieser Wertung. Der seitherige Spitzenreiter war der vierfache Olympiasieger André Lange mit 46 Siegen. Trotz Heimspiel sowie aller Erfolge und Rekorde geht Francesco Friedrich die Titelkämpfe in Altenberg mit viel Respekt an. „Das ist eine Weltmeisterschaft, die hat nichts mit dem Saisonverlauf zu tun“, sagt er. Dies sei ein Rennen für sich, bei dem es auf die Tagesform ankomme. Vor allem vor Hansi Lochner hat er Respekt, aber auch die Letten um Oskars Melbardis sowie die Kanadier mit Justin Kripps hat er auf seiner Liste. Deshalb warnt der bodenständige Sachse vor Übermut: „Man darf sich nicht hochloben lassen. Wir haben noch vier Läufe vor uns, die wir alle gut bestreiten müssen.“
Um weiter konkurrenzfähig zu sein, hat er in diesem Winter sein Team neu geordnet. Statt ausschließlich Thorsten Margis, der ihn zu fünf WM-Siegen im Zweier beschleunigt hat, durfte in dieser Saison bei der Hälfte der Rennen Alexander Schüller anschieben. Auch im Vierer musste der 31-jährige Margis dem acht Jahre jüngeren Schüller als letzter Mann Platz machen und sitzt nun direkt hinter dem Piloten.
Auch diese Umbesetzung geschah schon im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2022. „DoppelDoppel-Gold ist noch keinem gelungen“, sagt Friedrich, „das wäre ein guter Rekord.“Aber noch lange nicht das Ende. 2023 findet die Weltmeisterschaft wieder in St. Moritz statt. „Das sind dann zehn Jahre nach dem ersten WM-Titel“, sagt der Rekordjäger. Auch ein besonderer Ort in der Laufbahn von Francesco Friedrich.