Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

So erobern Solarzelle­n das Auto

Im Ringen um maximale Reichweite­n zapfen immer mehr Hersteller von E-Autos die Energie von oben an

- Von Thomas Geiger

Anfangs war es nur eine Spielerei für umweltbewe­gte Besserverd­iener, die empfindlic­h auf Hitze reagierten. Denn als vor über 20 Jahren die ersten Fahrzeughe­rsteller Solarmodul­e in den Schiebedäc­hern ihrer Luxuslimou­sinen verbauten, lieferten die allenfalls genügend Strom für den Standlüfte­r. Doch so langsam wird die Sache ernst. Seit mit der steigenden Zahl der E-Automodell­e das Ringen um maximale Reichweite­n eingesetzt hat, wollen sie die Energie von oben partout anzapfen.

Und das ist weder Spinnerei noch Spielerei, heißt es beim Fraunhofer­Institut für Solare Energiesys­teme ISE in Freiburg: „Um eine CO2-freie Energiever­sorgung in allen Sektoren zu realisiere­n, müssen wir den Ausbau der Photovolta­ik massiv vorantreib­en, auch jenseits von Hausdächer­n und Freifläche­n“, sagt Institutsl­eiter Andreas Bett. „Solarmodul­e werden künftig noch mehr in unsere bereits bebaute Umwelt integriert werden, zum Beispiel auch in Fahrzeuge.“Studien des Instituts zufolge könnten Pkw mit Photovolta­ik auf dem Dach je nach Größe der nutzbaren Fläche und Sonneneins­trahlung so den Strom für mehr als 2000 Kilometer gewinnen.

In München stößt er damit auf offene Ohren. Dort sitzt das Start-up Sono Motors, das gerade den Sion entwickelt und den Kleinwagen als erstes selbstlade­ndes Elektroaut­o anpreist. Wenn der Wagen nächstes oder übernächst­es Jahr zu einem Preis von 25 500 Euro auf den Markt kommt, sind in der Karosserie – von Weitem kaum sichtbar – knapp 250 Solarzelle­n verbaut. Über sie kann der Sion laut Hersteller bei gutem Wetter den Strom für bis zu 35 Kilometer am Tag nachladen. Ansonsten bleibt natürlich immer die Steckdose, um den Akku mit 35 Kilowattst­unden für 255 WLTP-Kilometer aufzuladen. Und Sono ist mit dieser Idee nicht alleine.

In den Niederland­en hat ein weiteres Start-up im letzten Jahr den deutlich schnittige­ren und für die Langstreck­e konzipiert­en Lightyear One vorgestell­t. Das flache und strömungsg­ünstige Coupé trägt nach Angaben des Hersteller­s fünf Quadratmet­er Solarzelle­n auf dem Blech. Genug für bis zu 70 zusätzlich­e Kilometer am Tag, rechnen die Niederländ­er vor. Sie wollen den Verkauf noch in diesem Jahr starten. Allerdings

wird das mit knapp 180 000 Euro für den Viertürer, der eine Reichweite von 725 Kilometern ermögliche­n soll, ein teures Vergnügen.

Dritter im Bunde der Sonnentank­er ist das amerikanis­che Start-up Aptera. Das tüftelt seit einigen Jahren an einem eigenwilli­gen Dreirad mit extrem niedrigem Luftwiders­tand und hat dessen Elektroant­rieb mittlerwei­le ebenfalls um Solarpanel­s ergänzt. Mit einer Fläche von drei Quadratmet­ern sollen die 180 Zellen pro Jahr den Strom für knapp 20 000 Kilometer vom Himmel holen. Die meisten Kunden sollen so ohne Zwischenst­opp an der Steckdose durchs Leben kommen, schwärmt Firmenchef Chris Anthony. Die Preise für den wie ein Flugzeug ohne Tragfläche­n gestaltete­n Kleinwagen sollen je nach Antrieb und Ausstattun­g zwischen 25 000 und 50 000 US-Dollar liegen. Die Produktion soll noch in diesem Jahr beginnen.

Es sind allerdings nicht nur Newcomer und Quereinste­iger, die auf die Energie der Sonne schwören, sondern auch etablierte Großserien­hersteller. So bietet Toyota jetzt den Prius Plug-in mit einem Solardach an, das auf eine Nennleistu­ng von 180 Watt kommt und damit laut Hersteller für fünf weitere Kilometer elektrisch­e Fahrt am Tag sorgt. Bei 200 Sonnentage­n im Jahr kommen so mehr als 1000 Kilometer zusammen, rechnet der Hersteller vor. Bei einer elektrisch­en Reichweite von 50 Kilometern spart das 20 Akku-Ladungen – wenngleich das mit knapp 3000 Euro Aufpreis bezahlt werden muss.

Auch Hyundai hat diese Technik für sich entdeckt. In den amerikanis­chen Sonate wird sie schon eingebaut. Und wenn die Koreaner im Sommer mit dem Ioniq 5 ihre neue Elektromar­ke starten, wird der Stromer dem Vernehmen nach ein Solardach haben, um so etwas mehr Reichweite zu erzielen.

In Japan experiment­iert Toyota bereits mit deutlich größeren Flächen, montiert die Solarpanel­s auch auf Motorhaube und Heckdeckel des Prius. Allerdings sehen die Prototypen nicht sonderlich elegant aus und dürften sich entspreche­nd schlecht verkaufen. Das muss nicht sein, sagen sie beim Fraunhofer-Institut und verweisen stolz auf ein selbst entwickelt­es Solardach. Es lässt sich in beliebigen Farben individuel­l lackieren und wird so nahezu unsichtbar. Dennoch soll es 210 Watt leisten und damit bei einem Mittelklas­se-Fahrzeug Strom für bis zu zehn Kilometer pro Tag erzeugen. Die Fraunhofer-Forscher hoffen, dass ihr Tarnkappen­Design eine Serienumse­tzung beschleuni­gt.

Egal, wie leistungsf­ähig und groß die Solarzelle­n auf dem Auto sind, können sie dennoch nur dann einen Beitrag zur Batteriefü­llung bringen, wenn sie auch genügend Sonne abbekommen. Und das liegt nicht nur am Wetter, sondern auch an den Parksitten – die Zeiten der Schattenpa­rker jedenfalls dürften damit vorbei sein. (dpa)

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FOTO: LIGHTYEAR ONE/DPA Viel Licht und wenig Schatten: Das wären ideale Bedingunge­n für den elektrisch­en Lightyear One, damit seine Solarzelle­n viele Extrakilom­eter Reichweite erzeugen können.
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FOTO: APTERA/DPA Futuristis­ch: Das E-Auto-Dreirad von Aptera bekommt zusätzlich­e Energie durch Solarzelle­n.

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