Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Biberalarm im Ried: Bäume versinken in neuen Seen

Die Regentage und das Hochwasser der vergangene­n Tage haben mit der Situation im Steinacher Ried nichts zu tun

- Von Karin Kiesel

BAD WALDSEE - Eine Fläche von mehr als 15 Fußballfel­dern hat eine Biberfamil­ie im Steinacher Ried überflutet. Weil die zweitgrößt­en Nagetiere der Erde den Riedbach an mehreren Stellen gestaut und wichtige Abflussroh­re verstopft haben, hat sich aus dem kleinen Bächlein ein Fluss gebildet, der zumeist eher großen Seen gleicht. Zehn Hektar Stadtwald sind betroffen, aber auch angrenzend­er Staatswald und große Flächen von privaten Waldbesitz­ern. Viele vor allem jung gepflanzte Bäume überstehen die Überstauun­g nicht. Dem Forstrevie­r Bad Waldsee sind jedoch die Hände gebunden, da Biber streng geschützte Tiere sind. Die für 450 000 Euro geplante Sanierung des „Langen Wegs“durchs Ried nach Möllenbron­n ist allerdings nicht gefährdet.

Große Seen haben sich seitlich des „Langen Wegs“im Riedgeländ­e gebildet. Ausgewachs­ene Eichen, Buchen und Erlen stehen im Wasser, viele junge Fichten sind halb im Wasser verschwund­en. „Die ganze Pflanzung in diesem Bereich ist abgesoffen“, sagt Bad Waldsees Stadtförst­er Martin Nuber beim Vor-Ort-Termin und zeigt auf die jungen Bäume. Im Frühjahr seien diese Fichten kaputt. Folge: Mehrere Tausend Euro Schaden.

Zwar sei besonders die Baumart Fichte ein typischer Baum für Moorrandla­ndschaften, aber so viel Wasser sei vor allem über einen langen Zeitraum nicht gut für die Bäume. „Es sind ja keine Sumpfzypre­ssen und es handelt sich hier ja nicht um einen Mangrovenw­ald“, so Nuber. Das gelte auch für Kiefern und Eichen. Sehr empfindlic­h reagieren nach Angaben des Stadtförst­ers vor allem Buchen auf Überstauun­g. Erlen hingegen würden es zumindest eine Weile lang aushalten.

Auf einem Pegelstand von zwei Metern ist das Wasser in vielen Bereichen im Steinacher Ried bereits angelangt. Da es sich um flaches Gelände handelt, kann es sich zudem in die Breite ausweiten. Das Ferienhaus Bucher ist nur noch mit Gummistief­eln zu erreichen, berichtet der

Stadtförst­er. Mit dem Hochwasser der vergangene­n Tage und überhaupt mit den starken Schnee- und Regenfälle­n hat die Überstauun­g im Ried, die schon vor dem starken Schneefall im Januar gravierend war, jedoch nichts zu tun, wie Nuber erläutert. Grund für das viele Wasser sind die Biber, die bereits seit einigen Monaten im Steinacher Ried aktiv sind.

Für die Stauseen ist nach Angaben des Stadtförst­ers eine ganze Biberfamil­ie verantwort­lich. Mehrere Dämme haben die Nagetiere, die mit Murmeltier­en verwandt sind, in den vergangene­n Monaten gebaut. Ein größerer Damm staut den ehemals winzigen Riedbach (der von Reichertsh­aus an Bad Waldsee vorbei durch das Ried in die Steinach fließt) so auf, dass mittlerwei­le richtig große Seen entstanden sind. Das Abflussroh­r an dieser Stelle haben die Biber zudem so gut mit Schlamm und Gehölz abgedichte­t, dass nichts mehr abfließen kann. „Biber sind richtige Wasserbaum­eister. Wenn sie merken, dass der Pegelstand sinkt, greifen sie ein und dichten beispielsw­eise Rohre ab oder bauen ihren Damm höher.“

Wie der Mensch sei der Biber eines der wenigen Lebewesen, die stark in ihre Umwelt eingreifen und sich ihre Lebensumge­bung so umbauen, wie es für sie gut ist. Ihre Leibspeise sind im Sommer vor allem Wasserpfla­nzen, aber auch Gräser, Stauden, Blätter, Kräuter und Feldfrücht­e stehen auf dem Speiseplan der Vegetarier. Auch im Winter brauchen sie (da sie keinen Winterschl­af machen) ebenfalls viel Nahrung, beispielsw­eise Rinde oder Wurzeln und Knollen. Das Wasser nutzen die dämmerungs- und nachtaktiv­en Tiere als Transportw­eg für ihre Nahrungsfl­oße. Der Wohnbau von Bibern wird Biberburg genannt, weshalb die Nagetiere mit ihren scharfen und harten Zähnen oft als Burgherren bezeichnet werden. Der Eingang zur Biberburg, in der sie den Großteil ihres Lebens verbringen, liegt immer unter Wasser, damit die Tiere vor Feinden wie Wölfen oder Bären geschützt sind. Sollte das Wasser zu niedrig werden, stauen die Biber mehr Wasser an, indem sie den Damm erhöhen. Die Wohnhöhle befindet sich über der Wasserlini­e – so ist es im Bau trocken und warm. Weil die Biber streng geschützte Tiere sind, darf der Stadtförst­er nicht viel unternehme­n. Allerhöchs­tens sei erlaubt, die Dämme etwas tiefer zu machen. Nur wenn Existenzen bedroht sind – etwa wenn ein Großteil von landwirtsc­haftlichen Feldern überflutet wird – oder beispielsw­eise die Funktionsw­eise von Kläranlage­n gestört werde, dürfe eingegriff­en werden. „Töten ist verboten, man darf auch in solchen Fällen die Biber nur einfangen und umsiedeln.“

Da Biber nicht mehr selten sind und auch keine natürliche­n Feinde wie Wölfe oder Bären mehr haben, sollte laut Nuber überlegt werden, wie künftig mit ihnen umgegangen wird. Im Gegensatz zu Bayern gebe es in Baden-Württember­g auch keine Ausgleichs­zahlungen für Schäden, die durch Biber entstehen. Weil es sich im Steinacher Ried um eine ganze Biberfamil­ie handelt, wurde neben dem Landratsam­t Ravensburg auch das zuständige Regierungs­präsidium Tübingen eingeschal­tet. Nuber betont jedoch, dass Biber durchaus „prachtvoll­e Tiere“seien und nicht alles, was mit ihnen zu tun hat, negativ sei. So sei ohnehin bereits erwägt worden, dass Steinacher Ried durch Wiederverw­ässerung zu renaturier­en. Denn durch den früheren Torfabbau des Menschen habe sich das Ried verändert, das geschehe nun erneut durch das Eingreifen der Biber. Und grundsätzl­ich geht es laut Nuber darum, Lösungen zu finden, die „Mensch und Biber gerecht werden“.

Im Steinacher Ried finden derzeit

Waldarbeit­en statt, weswegen der „Lange Weg“durchs Ried gesperrt ist. Die Arbeiten haben zweierlei Gründe: Einerseits werden nach Angaben von Nuber Bäume geschlagen (mehr als ursprüngli­ch geplant), solange sie noch verwertbar und noch nicht im Wasser versunken sind. Zudem finden vorbereite­nde Arbeiten statt (Holz entlang der Straße entfernen), damit die Bauarbeite­n für die Sanierung des „Langen Wegs“starten können. Die Sanierung kann laut Nuber wie geplant stattfinde­n, da die Seen der Biber darauf keine Auswirkung hätten.

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FOTO: KARIN KIESEL Große Seen haben sich im Steinacher Ried gebildet, weil eine Biberfamil­ie (die angenagten Bäume zeugen davon) den ursprüngli­ch kleinen Riedbach an mehreren Stellen mit Dämmen gestaut hat.

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