Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Trotz Flugverbot: FCB ist völlig abgehoben
Positive Worte in Richtung Gianni Infantino sind wahrlich eine Seltenheit. Zahllose Affären hat der Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA in den vergangenen Jahren angehäuft, mittlerweile laufen in der Schweiz sogar strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn. Doch auf freundliche Töne aus Deutschland kann sich der 55-Jährige weiter verlassen. „Ich möchte mich bei der Fifa und ihrem Präsidenten Gianni Infantino bedanken, dass es auch in Zeiten von Corona möglich ist, um diesen Titel zu spielen“, ließ sich Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, kürzlich auf der Internetseite der Münchner zitieren.
Dieser Titel, das ist die Fifa-ClubWeltmeisterschaft, bei der der Champions-League-Sieger FC Bayern am Montag ins Geschehen eingreifen wird. Ein Turnier, dessen sportlicher Wert mehr als überschaubar ist und über dessen Austragung in Zeiten einer weltweiten Pandemie freimütig gestritten werden darf. Trotz der Ausbreitung des Coronavirus und einem extrem dichten Terminkalender der Profifußballer wurde an der Ausrichtung aber nie gerüttelt. Ebenso wenig am Austragungsort, obwohl der WM-2022-Gastgeber Katar massiv umstritten ist. In den vergangenen Jahren hatten Organisationen wie Amnesty International immer wieder die Menschenrechtslage in Katar kritisiert. Dabei ging es vor allem um die teilweise prekäre Situation der Gastarbeiter.
Der FC Bayern hat ganz offensichtlich kein Problem mit den Bedingungen in Katar. Seit Jahren schon beziehen die Münchner Sponsorengelder vom Emirat und reisen regelmäßig zu Trainingslagern und Werbezwecken
in den Wüstenstaat. Und so verkauft der deutsche Rekordmeister auch die Club-WM als Nonplusultra: Man könne „weiter Geschichte schreiben“, weil nach Meisterschaft, Pokal und Europapokal sowie zwei Supercups erstmals sechs Titel in einem Jahr möglich wären.
Als finale Mission titulieren die Bayern deshalb den Gewinn des Weltpokals. Auch wenn das ein gerne verwendeter Begriff im Profisport ist, lohnt sich doch einmal ein Blick auf die genaue Wortbedeutung: Der Duden definiert eine Mission als eine „ins Ausland entsandte Personengruppe mit besonderem Auftrag“. Und so musste man die Reaktionen der Club-Bosse nach dem Startverbot ihres Fliegers dann wohl auch verstehen: Der FC Bayern, irgendwo zwischen Blauhelmsoldaten und Voyager-Sonden. „Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben“, schimpfte Rummenigge, nachdem die Behörden dem Flugzeug mit der FCB-Delegation an Bord das Startrecht aufgrund des Nachtflugverbots verweigert hatten. Ausnahmen gibt es laut Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung nur für „wenige begründete Einzellagen (Notfälle, Postflüge, Regierungsflüge)“oder, zum Beispiel, falls „der Flug für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist“– also eher nicht für Fußballer, die den nächsten Pokal gewinnen wollen. Uli Hoeneß sieht das offenbar anders. Der Ehrenpräsident sprach von einem „Skandal ohne Ende“, die Mannschaft vertrete in Katar den deutschen Fußball, das sei „eine wichtige Geschichte“.
Nein, es ist kein Skandal, wenn die Einhaltung von Gesetzen verlangt wird. Es ist eine Unverschämtheit, wenn Menschen glauben, sie müssten sich über Vorschriften hinwegsetzen. Natürlich kann man den Ärger nachvollziehen, dass der Flieger wegen ein paar Sekunden oder Minuten nicht mehr abheben durfte. Und dennoch: Die Wortwahl der Bayern-Bosse zeigt einmal mehr, in welchen Sphären sie mittlerweile schweben. Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen mit großen Einschränkungen und Existenzsorgen zu kämpfen haben, zeugen die Aussagen von Hoeneß und Rummenigge von einer schier grenzenlosen Hybris, von einer Entrücktheit, die sprachlos macht.