Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Krisengewinner zur Kasse bitten?
Debatte um Sonderabgabe für Unternehmen, die stark in der Pandemie profitieren
FRANKFURT - Die aktuelle Pandemie ist nicht für alle Branchen gleichermaßen ein wirtschaftliches Desaster. Während Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomie oder auch die Veranstaltungsbranche schlicht ums Überleben kämpfen, klingeln bei anderen die Kassen. „Es gibt in der Krise nicht nur die Branchen, die finanzielle Hilfen brauchen, sondern auch die Bereiche der Wirtschaft, die gut funktionieren“, sagte Claus Michelsen der „Schwäbischen Zeitung“. Er ist Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Der Online-Gigant Amazon beispielsweise hat im letzten Quartal des vergangenen Jahres seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um sage und schreibe 44 Prozent steigern können. Bei Microsoft hat das CloudGeschäft zum Jahresende um 76 Prozent zugelegt. Apple und Facebook glänzen – für Technologieunternehmen aus der digitalen Welt bedeutet die Corona-Pandemie schlicht eine Sonderkonjunktur.
Gleichzeitig wird versucht, den durch die Pandemie in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen und Menschen mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen, um die Krise irgendwie zu meistern. Die Staatsschulden explodieren, während die Steuereinamen sinken: Bund und Länder haben im Haushaltsjahr 2020 rund 53,5 Milliarden Euro weniger eingenommen. Der Rückgang der Einnahmen gegenüber 2019 liegt bei über sieben Prozent.
Da liegt der Gedanke nahe, im Nachgang der Krise diejenigen verstärkt zur Kasse zu bitten, die von ihr profitiert haben. „Viele denken hier naheliegenderweise an Versandhandelsketten. Aber es gibt auch Vermögenswerte, die ganz gut durch die Krise kommen“, sagte Michelsen.
So bekommen Einzelhändler beispielsweise grundsätzlich staatliche Unterstützung, weil sie ihre Läden in den Innenstädten der Republik zeitweise schließen müssen. Gleiches gilt für Gastronomen. In den meisten Fällen bezahlen die ihre Miete aber einfach weiter. „Das hat auch damit zu tun, dass der Staat sozusagen eine gewisse Versicherungsfunktion wahrnimmt“, meint Claus Michelsen. Denn durch die Hilfen können Haushalte und Unternehmen auch ihre Mieten weiter bezahlen. Und diese Mieterträge beispielsweise, meint Michelsen, könnten im Nachgang der Krise etwas höher besteuert werden, um die Kosten zu finanzieren. Das hätte den Vorteil, dass man eben nicht an die Substanz der Immobilienwerte herangehen würde, sondern nur durch die Besteuerung der Mieteinnahmen im gewerblichen Bereich die Kosten der Krise mitfinanziert. „Wenn Einzelhändler hohe Mieten bezahlen, weil sie ihr Geschäft in einer guten Lage haben, aber in der Krise nichts davon materialisieren können, dann ist es eigentlich auch nur billig und fair zu sagen, dass man den Faktor Boden am unternehmerischen Risiko während dieser Krise mit beteiligt.“
Studien belegen, dass die Immobilienpreise bislang vergleichsweise stabil in der Krise geblieben sind. Trotz vermehrtem Homeoffice sehen die meisten Unternehmen solche Lösungen laut einer Umfrage des Institutes der Deutschen Wirtschaft (IW) nur als vorübergehende Phase, nur 6,4 Prozent von 1200 befragten Unternehmen planen in diesem Jahr, ihre Büroflächen zu reduzieren. „Büromieten und -preise haben früher sehr sensitiv auf Krisen reagiert“, sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. „Jetzt zeigt sich der Büromarkt äußerst stabil.“
Ein anderer Vorschlag zielt darauf, die Branchen gezielt stärker in die Verantwortung zu nehmen, die gerade in der Pandemie höhere Umsätze und Gewinne einfahren. Neben der Pharmabranche nennen Beobachter hier meist auch Lebensmittelhändler – insbesondere Supermarktketten. Denn die haben auch in Zeiten von Lockdowns durchgehend geöffnet. Und da die Menschen weder in Restaurants noch in andere Geschäfte gehen können, geben sie mehr Geld in den Supermärkten aus. Sollten solche und andere Krisenprofiteure sich verstärkt an der Krisenbewältigung beteiligen? Nein, heißt es beim deutschen Handelsverband HDE. Denn wer seine Gewinne steigere, der zahle bereits höhere Steuern. Zudem kosteten etwa die Hygienekonzepte mehr Geld.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) treibt offensichtlich die Frage um, wie die finanziellen Lasten der Krise zu schultern sind. Die SPD wolle das Steuersystem gerechter machen und dafür sorgen, „dass diejenigen, die sehr viel verdienen, einen etwas größeren Beitrag leisten und diejenigen, die wenig verdienen, entlastet werden“, sagte Scholz im „Bericht aus Berlin“. Zu einer möglichen Lösung bei der Lastenverteilung könne auch eine Vermögensteuer beitragen.
Das meint auch Claus Michelsen vom DIW: „Man kann sagen, dass die Vermögensungleichheit in der Krise weiter gestiegen ist. Sie ist in Deutschland ohnehin schon relativ hoch. So könnte man über eine Vermögensbesteuerung versuchen, hier wieder einen Ausgleich zu schaffen.“Das wäre auch dem sozialen Frieden hierzulande zuträglich.
Allerdings bleiben auch solche Ideen nicht unwidersprochen. So hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier unlängst gesagt, er halte Steuererhöhungen für den falschen Weg. Jegliche Steuererhöhung sei Gift in der Krise. Auch andere Politiker aus CDU, CSU und FDP hatten sich in der Vergangenheit gegen eine Vermögensabgabe ausgesprochen.