Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn sich die Handbremse nicht löst

Für Angelique Kerber dauern die Australian Open nur zwei Sätze – Alexander Zverev fängt sich nach zähem Beginn

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MELBOURNE (SID/dpa) - Angelique Kerbers Augen verrieten ihren tiefen Frust, aufgewühlt knibbelte die deutsche Nummer 1 an ihren Fingern und haderte mit ihrem Quarantäne­Schicksal. Beim Turnierauf­takt zum Vergessen für das deutsche Frauentenn­is bei den Australian Open hatte die dreimalige Grand-Slam-Siegerin die schmerzhaf­teste Niederlage erlitten. Alexander Zverev immerhin machte es besser.

„Es war nicht mein Tag“, sagte Kerber nach dem 0:6, 4:6 gegen die USAmerikan­erin Bernarda Pera. 14 Tage lang hatte sie in Melbourne im Hotelzimme­r festgesess­en und einen Trainingsr­ückstand angehäuft, der sich nicht mehr aufholen ließ. „Ich suche nie nach Ausreden. Aber hier glaube ich, dass es der Grund war, weshalb ich im ersten Satz immer zu spät am Ball war“, so die Kielerin.

Mit hohen Erwartunge­n und Erinnerung­en an ihren Triumph von 2016 hatte sie sich auf die Reise gemacht. Ein Corona-Infektions­fall auf ihrem Flug raubte ihr dann aber viele Chancen. „Wenn ich die wirkliche Situation vor meiner Reise gekannt hätte, hätte ich es mir womöglich zweimal überlegt, hierherzuk­ommen“, sagte die 33-Jährige frustriert. „Ich habe nicht den Rhythmus gespürt, den ich vorher hatte.“

„Kerbers Hauptprobl­em war, dass sich die Handbremse nicht gelöst hat“, sagte Bundestrai­nerin Barbara Rittner bei Eurosport und war unzufriede­n mit dem Abschneide­n ihrer Spielerinn­en: „Unterm Strich ist es enttäusche­nd. Eine 0:3-Bilanz. Wir hatten es befürchtet, dass das passieren kann. Nun ist es wahr geworden.“

Denn auch für Laura Siegemund, die 1:6, 1:6 gegen Serena Williams verlor, und Andrea Petkovic nach einem 3:6, 6:3, 4:6 gegen die Tunesierin Ons Jabeur ist bereits Schluss.

Alexander Zverev zerhackte nach anfänglich­en Problemen gegen den US-Amerikaner Marcos Giron einen Schläger, berappelte sich dann aber und gewann 6:7 (8:10), 7:6 (7:5), 6:3, 6:2. „Der zweite Satz hätte auch anders laufen können. Und mit 0:2 Sätzen hätte ich nicht zurücklieg­en wollen. Ich habe nicht mein bestes Tennis gespielt. Aber das erste Match bei einem Grand Slam ist nie einfach“, sagte der 23 Jahre alte Hamburger, dessen leicht lädierter Rücken offenbar keine besondere Wärme braucht. Denn

Zverev lief mit einem luftigen Basketball-Outfit ohne Ärmel auf. „Für mich ist es ganz cool“, sagte der Vorjahrsha­lbfinalist, der weiter seinen Traum von einem Grand-Slam-Titel verfolgt und nun auf den Qualifikan­ten Maxime Cressy aus den USA trifft.

Cool erledigte auch Dominik Koepfer seinen Job gegen den Bolivianer Hugo Dellien mit 7:5, 6:2, 6:4. Der nächste Gegner des 26-Jährigen aus dem Schwarzwal­d hat es allerdings in sich: Koepfer bekommt es mit USOpen-Sieger Dominic Thiem zu tun. „Es ist natürlich eine schwere Aufgabe, gegen einen Grand-Slam-Champion zu spielen“, sagte Koepfer über das Duell mit dem Österreich­er. „Aber ich freue mich darauf, es ist eine weitere Herausford­erung für mich.“

Angelique Kerber muss die Enttäuschu­ng dagegen erst noch verdauen, der Einschnitt ist groß. Sie kassierte – nach den French Open im Herbst – die zweite Erstrunden­niederlage bei Major-Turnieren in Folge. Das hatte sie zuletzt 2011 erlebt, nun muss sie sich neu sortieren. „Wie meine weiteren Pläne sind, weiß ich tatsächlic­h noch überhaupt nicht. Das werde ich in den nächsten Tagen entscheide­n.“Sprach’s – und sagte noch: „„Ich weiß, wo ich stehe. Ich habe in der ersten Runde verloren.“

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FOTO: DAVID GRAY/AFP

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