Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Fasnet findet ihren Weg
Am Auseligen gibt es in Kindergarten und Pflegeheim ein Programm.
SIGMARINGEN - Keine Umzüge, keine Zunftbälle und kein Bräuteln – die Narren haben es dieser Tage wahrlich nicht leicht. Aber da Not ja bekanntlich erfinderisch macht, müssen am Auseligen weder die Sigmaringer Kindergartenkinder noch die Bewohner des Sigmaringer Josefinenstifts auf närrisches Treiben verzichten.
Mit einem Korb und standesgemäßer Verkleidung besuchten Biggy Ressel und Nicole Diesch den Kindergarten Gorheimer Allee am späten Morgen. Sieben weitere Gruppen waren in weiteren Kindergärten unterwegs. Ihr Ziel: Den Kleinen wenigstens ein bisschen Fasnet ermöglichen. Dabei hatten sie einen Narrenbaum, den sie zuvor geschmückt hatten. Außerdem brachten sie sämtliche Häser der Sigmaringer Zünfte mit, stellten sie vor und erklärten die Hintergründe. Auch die Bräutlingsstange durfte natürlich nicht fehlen.
Die drei Notbetreuungsgruppen versammelten sich im Freien, dick eingepackt in warme Jacken, Mützen und Handschuhe und machten begeistert mit. Zuvor, erklärt eine Erzieherin, hatten die Kinder sich ausgiebig mit der Semmerenger Fasnet beschäftigt und fleißig gelernt. Das machte sich auch bemerkbar. Wenn Ressel fragte, welche Häser den Kleinen noch einfielen, riefen sie wild durcheinander und konnten die Kostüme auch hervorragend beschreiben. Selbst die Rufe der Zünfte hatten die Kleinen direkt lautstark parat.
Närrische Poesie gehört auch dazu und so hatten die Frauen ein Gedicht von Pastoralreferent Hermann Brodmann mitgebracht, in dem sie trotz Coronapandemie die Fasnet hochleben ließen. Den Kindern waren die Umstände auch zuwider. „Corona ist ein Spielverderber“, klagte ein Junge am Schluss des Besuchs der Zunftmitglieder, der mit Leckereien für den Nachwuchs endete.
Im Hof des Josefinenstifts sind am frühen Nachmittag die Bewohner und einige Zaungäste bereit für die Einlagen von Hermann Brodmann und Bezirkskantor Bruno Hamm. Mit Decken und Mützen ausgestattet blicken die Bewohner von den Balkonen und aus ihren Zimmern in den sonnigen Innenhof. Dort haben sich Brodmann und Hamm – mit genügend Abstand – an ihren Mikrofonen platziert und legen los. Während Brodmann singt, unterstützt ihn Bruno Hamm am Akkordeon. Auf den Balkonen ist leichtes Schunkeln zu erkennen, im Hof schwingt der eine oder die andere das Bein im Takt. So geht Fasnet während einer Pandemie.
Vom Semmerenger Mädle geht’s zu einem Fasnets-Gedicht aus der Feder Brodmanns, anschließend wird wieder gesungen. Zwischendrin – wie soll es anders sein – ein „Nauf auf d’Stang“aus dem Hof, die Antwort der Gäste folgt prompt. Nach „Lustig ist das Zigeunerleben“stimmt Brodmann „Auf’m Wase graset d’Hase“an, es wird mit eingestimmt, vereinzelt geht auch mal ein Arm in die Höhe, geklatscht wird im Takt. Quasi
Schunkelstimmung. Zwischendurch erklärt Brodmann, was es mit Corona auf sich hat, seine Katze sei „schon genervt, da wir jeden Tag in ihrer Wohnung sind“. Er habe aber auch gehört, dass das mit den Masken ja ganz praktisch sei: „Dann kann man auch mal ohne Gebiss unterwegs sein“. Und weiter mit Musik und Gesang. Es geht um eine Bäuerin, die ihr Kätzle verloren hat und anschließend den Wald, in dem es geschneit hat. Das Publikum weiß Bescheid, es gibt Bravo-Rufe und Applaus.
Gegen Ende rezitiert Brodmann ein Gedicht von Dora Bilharz und kommt schlussendlich – natürlich in musikalischer Weise – zu der Frage: „Muss i denn zum Städtele hinaus“. Im Gegenteil. Nach der Fasnets-Einlage geht es für die Bewohner wieder nach drinnen. Denn dort warten Kaffee und Kuchen.
„Corona ist ein Spielverderber“, sagt eines der Kindergartenkinder beim Besuch der Zunftmitglieder.