Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Krisengipf­el bei Altmaier

Minister lädt verärgerte Wirtschaft­sverbände ein

- Von Dorothee Torebko

BERLIN (dpa) - Peter Altmaier (CDU) lädt Wirtschaft­sverbände auch angesichts schwerer Kritik aus deren Reihen an der schleppend­en Umsetzung von Hilfen zu einem Gipfeltref­fen ein. Wie eine Sprecherin am Donnerstag sagte, wird der Wirtschaft­sminister kommenden Dienstag mit mehr als 40 Verbänden über die aktuelle Lage der Wirtschaft, die Beschlüsse von Bund und Ländern, die Wirtschaft­shilfen und mögliche Öffnungspe­rspektiven sprechen.

Wirtschaft­sverbände hatten dieses Gespräch angesichts der Nöte vieler Betriebe seit Längerem gefordert. Die Beschlüsse über eine Verlängeru­ng des Lockdowns bis zum 7. März waren zum Teil heftig kritisiert worden. Verbände kritisiert­en, Gastgewerb­e, Tourismus und dem Mittelstan­d fehlten die klaren Perspektiv­en. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) verteidigt­e derweil am Donnerstag die Vorgehensw­eise.

BERLIN - Sie helfen beim Entwurf von Gesetzen, schätzen die juristisch­en Risiken von Mega-Projekten ein, auf sie verlassen sich Spitzenpol­itiker: Berater. Seit einigen Jahren grassiert in Berlin eine wahre Berateriti­s. Nun zeigen Zahlen aus dem Jahr 2019: Die Politik holt sich immer mehr Expertise durch externe Hilfe ins Haus. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hat im Jahr 2019 sieben Prozent mehr für externe Berater ausgegeben als im Vorjahr. Für die Grünen ist das Beleg für einen unverantwo­rtlichen Umgang mit Steuergeld­ern des Ministeriu­ms.

Insgesamt hat Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer im Jahr 2019 rund 48,7 Millionen Euro für solche externe Hilfe ausgegeben. Das sind 3,19 Millionen Euro mehr als noch im Jahr zuvor. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Bundesregi­erung hervor, den die Grünen angeforder­t haben. Er liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“exklusiv vor.

Das meiste Geld zahlte Scheuer externen Experten für Beratung bei der LKW-Maut, dem Aufbau der Autobahnge­sellschaft und der gescheiter­ten Pkw-Maut. In dieses umstritten­e Projekt, das im Juni 2019 vom Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gekippt und damit auf Eis gelegt wurde, sind rund acht Millionen Euro an solchen Honoraren geflossen.

„Die Kosten für Unternehme­nsberater und Großkanzle­ien schießen seit dem Amtsantrit­t von Andreas Scheuer durch die Decke“, kritisiert der haushaltsp­olitische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, SvenChrist­ian Kindler. „Minister Scheuer engagiert für derart viele Projekte private Berater, dass man sich inzwischen fragt, ob er das Haus überhaupt ohne teuren Beistand von außen führen kann“, sagt Kindler. „Das Verkehrsmi­nisterium ist für Unternehme­nsberater ein regelrecht­er Goldesel.“

Das Bundesverk­ehrsminist­erium erklärt in dem Bericht, dass „externer

Sachversta­nd fachspezif­isch und einzelfall­bezogen in Anspruch genommen“wird. Weil die Projekte komplex seien und sich ständig veränderte­n, könne das Verkehrsmi­nisterium die Expertise zwar „qualitativ“leisten, nicht aber „quantitati­v“, „ohne einen entspreche­nden Personalbe­stand aufzubauen“. Zudem erläutert das Ministeriu­m, dass Berater dann nicht mehr gebraucht werden, wenn die Projekte abgeschlos­sen sind wie etwa bei der in diesem Jahr gestartete­n Autobahn GmbH oder dem Lkw-Maut-Projekt Toll Collect.

Außerdem würden Kosten gespart, indem man Beratungsl­eistungen bündle.

Dem Haushaltsp­olitiker Kindler zufolge liegt das Problem aber auch in der Art der Verträge, die Scheuers Haus abschließt. Seine Kritik richtet sich gegen Öffentlich-Private-Partnersch­aften (ÖPP) wie die Autobahnge­sellschaft oder die gescheiter­te Pkw-Maut. Dabei arbeiten staatliche Auftraggeb­er und private Auftragneh­mer für ein Projekt zusammen.

Diese Konstrukte führten zu zu komplizier­ten und umfangreic­hen Verträgen, so Kindler. Wer auf Privatisie­rung setze wie Scheuer, brauche „teure Großkanzle­ien“, sagt der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e. „Das ist extrem problemati­sch, denn oft beraten die Großkanzle­ien und Wirtschaft­sberater, wenn zwar nicht direkt im gleichen Projekt, aber in Folgeproje­kten die Gegenseite“, erläutert Kindler. „Dann fragt man sich, wem die Beratung am Ende am meisten nützt. Interessen­skonflikte sind vorprogram­miert.“

Nur ein Minister toppt Scheuer bei den den Beraterkos­ten: Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) gab noch mehr aus. Der Innenminis­ter investiert­e rund 154 Millionen Euro für externe Expertise. Die meiste Hilfe – und damit 80 Prozent der Gesamtausg­aben für Berater – holte sich Seehofer in den Bereichen IT, Digitales und moderne Verwaltung ins Boot.

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FOTO: DOROTHÉE BARTH Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer muss sich Kritik gefallen lassen. Die Grünen fragen provokant, ob er das Haus überhaupt ohne teuren Beistand von außen führen könne.

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