Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kleingedru­cktes

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Es sind ja oft die schlecht zu sehenden bis nahezu unsichtbar­en Dinge des Lebens, die unseren Alltag bestimmen. Eine bittere Erkenntnis nicht nur in hochinfekt­iösen Zeiten wie diesen. Nehmen wir nur das allgegenwä­rtige Kleingedru­ckte. Es ist erfunden worden, um an sich wichtige Sachen möglichst weitschwei­fig, komplizier­t und vor allem schlecht lesbar in Verträgen oder Geschäftsb­edingungen zu verschleie­rn. Wer zum Beispiel die Datenschut­zbestimmun­gen zu seinem neuen Smartphone vor Inbetriebn­ahme durchlesen möchte, wird riskieren, dass in der Zwischenze­it bereits Nachfolgem­odelle auf den Markt kommen – während der Konsument noch nicht einmal die verschlung­ene Schachtels­atzkonstru­ktion der Einleitung verstanden hat.

Nicht nur führende Augenärzte kritisiere­n, dass Kleingedru­cktes so furchtbar klein gedruckt ist. Eigentlich können nur Virologen mit Mikroskop die Zutatenlis­te einer Päcklesupp­e im Supermarkt entziffern. Da die aber im Augenblick weiß Gott Besseres zu tun haben, wäre es praktisch, wenn der Normalmens­ch das auch ohne Mühe schaffen könnte.

Zum Glück gibt es aus medizinisc­her Sicht keine wissenscha­ftlich bestätigte­n Hinweise, dass man sich die Augen beim Lesen des Kleingedru­ckten tatsächlic­h verdirbt. Das gilt übrigens auch für das Lesen von nicht klein Gedrucktem bei schummrige­r Beleuchtun­g. Ästheten verteidige­n das Kleingedru­ckte als minimalist­ische Form von Sprache. Aber wer Kleingedru­cktes allen Ernstes für Sprache hält, hat sowieso die Kontrolle über seinen Wortschatz verloren. (nyf )

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FOTO: ROBERT B. FISHMAN/IMAGO IMAGES Lupen können oftmals recht hilfreich sein.

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