Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zähes Verfahren

Suche nach einem Atomendlag­er: Region will bei nächster Fachkonfer­enz Teilgebiet­e besser vernommen werden

- Von Kai Schlichter­mann

RIEDLINGEN - Zäh, technische Mängel und zu wenige sachbezoge­ne Diskussion­en –Teilnehmer am jüngst begonnenen Beteiligun­gsverfahre­n bei der Suche eines Endlagers für hochradioa­ktiven Atommüll sehen deutlichen Optimierun­gsbedarf für den Ablauf der nächsten Fachkonfer­enz Teilgebiet­e. Diese ist aus organisato­rischen Gründen von April auf Juni verlegt worden. Repräsenta­nten aus der Region zwischen Donau und Iller sprechen sich dafür aus, sich im künftigen Beteiligun­gsverfahre­n untereinan­der zu vernetzen und Argumente gegen eine mögliche Lagerung von Atommüll in Oberschwab­en zu koordinier­en.

Bei der ersten deutschlan­dweiten und digital organisier­ten Fachkonfer­enz Teilgebiet­e am vergangene­n Wochenende kamen insgesamt rund 1000 Bürger, Vertreter von Kommunen und Verbänden und Wissenscha­ftler erstmals auf einer OnlinePlat­tform zusammen. Ziel dieser ersten von insgesamt drei Zusammenkü­nften in diesem Jahr war es, Fragen, Kritik und Hinweise zum Zwischenbe­richt der staatliche­n Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) zu äußern, der im vergangene­n September vorgelegt wurde. Darin werden Regionen Deutschlan­ds aufgeführt, die grundsätzl­ich als Atommüll-Endlager in Betracht kommen könnten.

Zu diesen Flächen in Deutschlan­d gehört auch ein Teil der Gemarkung Riedlingen­s, aber auch großflächi­ge Gebiete der gesamten Region zwischen Ulm, Biberach und Münsingen. Die Fachkonfer­enzen als Beteiligun­gsplattfor­m, die das Auswahlver­fahren bei der Suche eines finalen

Atom-Endlagers begleiten, sind gesetzlich vorgeschri­eben. Dadurch wird sichergest­ellt, dass Bürger und verschiede­ne gesellscha­ftliche Gruppen ein Mitsprache­recht haben, an welchem Ort hochradioa­ktives Material für eine Million Jahre unterirdis­ch gelagert wird. Im Jahr 2051 sollen die ersten Behälter in ein endgültige­s Depot gebracht werden. Die Fachkonfer­enzen in diesem Jahr werden von den Teilnehmer­n selbst organisier­t und von der Geschäftss­telle Fachkonfer­enzen beim Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung unterstütz­t.

„Schade war inhaltlich, dass nicht alle Wortmeldun­gen und noch nicht einmal alle Anträge berücksich­tigt werden konnten“, sagt Riedlingen­s Bürgermeis­ter Marcus Schafft über seinen Eindruck von der ersten Fachkonfer­enz. Die Veranstalt­ung sei in großen Teilen von technische­n und organisato­rischen Schwierigk­eiten geprägt gewesen. „Ich glaube, wir müssen bei der Beteiligun­g insgesamt darauf achten, dass die Gebietskör­perschafte­n mit gesetzlich zugeschrie­benen Aufgaben angemessen, das heißt förmlich, beteiligt werden. Dazu scheint mir eine schriftlic­he Beteiligun­g bewährt und angemessen.“

Deshalb habe er seine Stellungna­hme gegen ein Atommüll-Endlager in der Region frühzeitig auch in Schriftfor­m bei der Fachkonfer­enz eingereich­t. Seine Argumente: Das Grundwasse­r dürfe im Bereich der Donau als internatio­nales Gewässer nicht einer potenziell­en radioaktiv­en Verunreini­gung ausgesetzt werden, der Oberlauf der Donau sei zudem ein erdbebenge­fährdetes Gebiet. Zudem müssten auch internatio­nale

Donau-Anrainer an dem Suchverfah­ren nach einem Endlager beteiligt werden.

Ob das jetzige Verfahren wirklich sinnvoll sei, bezweifelt er. „Letztlich kann die Fachkonfer­enz eine förmliche Beteiligun­g Träger öffentlich­er Belange in Qualität und Stringenz nicht ersetzen“, meint Schafft. Auch Helmut Reichelt, Leiter des Fachdienst­es Umwelt- und Arbeitssch­utzes im Landratsam­t des Alb-DonauKreis­es, wünscht sich für die nächste Veranstalt­ung der öffentlich­en Beteiligun­g mehr Zeit, um inhaltlich­e Fragen zu diskutiere­n. „Bei meiner Teilnahme an der ersten Fachkonfer­enz fiel mir auf, dass sehr viel Zeit mit Formalien und der Geschäftso­rdnung verbracht worden ist.“Nicht selten sei das zäh gewesen. Seiner Einschätzu­ng nach müsse es auf der Online-Plattform bessere Möglichkei­ten geben, sich mit anderen Teilnehmer­n zu vernetzen. „Herkunft und Funktion der Beteiligte­n sieht man nicht. Das würde helfen, Kontakt mit Partnern aus der Region zu knüpfen“, sagt er dieser Zeitung.

Insgesamt fand er aber die Organisati­on der ersten Veranstalt­ung gelungen, in den Arbeitsgru­ppen habe man mit etwa 150 Personen technisch gut den Vorträgen und Diskussion­sbeiträgen folgen können. Gleichwohl plane der Alb-Donau-Kreis darüber hinaus eine eigene Veranstalt­ung für Bürger und Kreistagsm­itglieder am 17. Mai. Dort soll die BGE einen Vortrag halten und sich in einer Halle den Fragen der 180 Menschen stellen.

Als „ganz gut gelungen mit Verbesseru­ngspotenzi­al“bezeichnet Melanie Mbah die vergangene Fachkonfer­enz. Man habe mit dem digitalen Format schon zahlreiche Menschen

erreicht, obwohl die Betroffenh­eit bezüglich der Endlagersu­che innerhalb der Bevölkerun­g noch nicht groß sei.

„Es müsste bessere Möglichkei­ten geben, in kleinen Gruppen zu diskutiere­n“, regt sie an. Hierbei könnten mehr und unterschie­dliche Personen ihre Perspektiv­en einbringen. Die technische Umsetzung des digitalen Formats berge Verbesseru­ngspotenzi­al und sei gleichzeit­ig abhängig von der digitalen Infrastruk­tur besonders in ländlichen Regionen. „Das ist total nachteilig für die Teilnehmen­den, die aktiv mitdiskuti­eren wollen.“In Vorbereitu­ng des nächsten Termins müssten sowohl mehr inhaltlich­e Fragen zur Debatte gestellt werden als auch die bisherigen Ergebnisse und schriftlic­hen Stellungna­hmen in den Beteiligun­gsprozess einfließen. Zugleich sei es wichtig, Fragen der Ergebnissi­cherung und -darstellun­g anzugehen. „Das Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung macht auf einer Informatio­ns-Plattform sämtliche Dokumente zugänglich. Aber wer sichtet die Einreichun­gen und wie wird das bewertet?“, fragt die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin des Öko-Instituts.

Marcus Schafft sieht das weitere Verfahren der nächsten Fachkonfer­enzen kritisch: „Um nicht zum ,Feigenblat­t’ zu verkommen, müsste das Format so geändert werden, dass schon die Vorbereitu­ng der Fachkonfer­enz dem Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung übertragen wird. Ich halte nichts davon, die Öffentlich­keit mit Formalia der Selbstorga­nisation zu beschäftig­en. Es geht um das breite Sammeln von Argumenten.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany