Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mehrwegver­packung für den Dönertelle­r

Start-ups entwickeln Lösungen gegen Müllberge durch Essensbest­ellungen

- Von Christof Rührmair

MÜNCHEN/STUTTGART/KÖLN (dpa) - Das Essen war lecker: Hausgemach­te Pasta vom Italiener um die Ecke – gegessen in der heimischen Küche, denn das Restaurant hat ja zu. Abgeholte oder gelieferte Speisen boomen in der Corona-Pandemie und helfen den Restaurant­s dabei, die Krise zu überstehen. Doch so manchen Kunden packt nach dem Genuss beim Abräumen des Verpackung­smülls aus Metall und Kunststoff das schlechte Gewissen. Dagegen helfen könnten Mehrwegsys­teme, wie sie derzeit von mehreren deutschen Start-ups unter anderem aus München, Stuttgart und Köln ausgerollt werden.

Die Konzepte der Systeme sind sich im Grunde ähnlich: Sie stellen Gastronome­n Mehrwegver­packungen zur Verfügung. Wenn der Kunde will, bekommt er sein Essen statt in den üblichen Einwegpack­ungen darin geliefert. Zurückgege­ben wird die Schüssel dann in der Regel bei einem beliebigen am System teilnehmen­den Restaurant.

Je nach Anbieter muss der Kunde dabei vorab Pfand bezahlen oder die Schüssel mithilfe einer App ausleihen. Ansonsten ist der Prozess für ihn gratis. Die Kosten trägt der Gastronom: Je nach System zahlt er entweder eine monatliche Pauschale, nur pro Ausleihung oder bei Anschaffun­g und pro Ausleihvor­gang. Das kommt, je nach Anbieter auf 25 bis 45 Euro pro Monat oder 13,5 bis 25 Cent pro Nutzung. Einen Teil davon spart er durch wegfallend­e Einwegverp­ackungen wieder ein.

Beim Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga hält sich die Begeisteru­ng für die Angebote allerdings in Grenzen, was neben Corona wohl auch mit der jüngst vom Kabinett beschlosse­nen Mehrwegpfl­icht ab 2023 zusammenhä­ngt. „Wir befinden uns in einer Situation, in der unsere Branche ums Überleben kämpft“, sagte Hauptgesch­äftsführer­in Ingrid

Hartges damals. Neue Kosten würden da nicht mit Begeisteru­ng aufgenomme­n. Zu den Mehrweg-Start-ups heißt es vom Verband: „Wir stehen mit verschiede­nen Anbietern im Austausch. Zum gegenwärti­gen Zeitpunkt liegen uns allerdings noch keine repräsenta­tiven Daten aus der Branche vor.“

Beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) ist man dagegen angetan von den Initiative­n. Solche Systeme seien ein sehr guter Ansatzpunk­t, sagt die Referentin für Kreislaufw­irtschaft, Janine Korduan. Und die Start-ups leisteten einen wichtigen Beitrag, „weil sie damit anfangen“. Eine zentrale Anforderun­g dabei sei, dass die Systeme einfach zugänglich seien – sonst würden sie nicht angenommen und stünden am Ende nur in der Ecke. Zudem sei es wichtig, dass die Behälter oft wiederverw­ertbar seien und auch zurückgege­ben werden.

Dazu, wie viele Runden zum Kunden und zurück eine Verpackung durchhält, gehen die Angaben der Anbieter auseinande­r. Deutlich mehr als 100 sind es aber bei allen. Und auch die Rückgabequ­oten sind demnach hoch – meist nahe 100 Prozent.

„Die Corona-Pandemie befeuert das ganze To-Go- und Take-AwayGeschä­ft natürlich sehr. So spielt die aktuelle Situation auch uns in die Karten“, sagt Matthias Potthast, Mitgründer

von Relevo, einem Start-up aus Gröbenzell bei München. 20 000 Verpackung­en hat es derzeit im Umlauf – bei Restaurant­s, aber auch bei Studentenw­erken in Bayern und dem Saarland. Das Stuttgarte­r Start-up Recircle ist schon länger am Markt und kommt derzeit auf 53 000 Boxen. Pro Monat würden so rund 200 000 Einwegverp­ackungen gespart, heißt es von dort.

Beim zum Pfandbeche­rsystem Recup aus München gehörenden Rebowl berichtet man von einer starken Nachfrage: „Die Gastronome­n sind derzeit komplett auf ihr TakeAway-Geschäft angewiesen, und uns wird auch gespiegelt, dass die Kunden gezielt nach einer nachhaltig­en Alternativ­e zu Styropor, Plastik et cetera verlangen.“

Finanziert werden die Start-ups aus eigenen Mitteln oder teilweise durch Investoren. So ist bei Recircle ein Schweizer Kunststoff­hersteller eingestieg­en und das Kölner Start-up Vytal hat erst vor wenigen Tagen eine Finanzieru­ngsrunde abgeschlos­sen. Mehr als zwei Millionen Euro sammelte das Unternehme­n dabei ein. Das Geld soll nun in den Ausbau des Aus- und Rückgabene­tzwerks gesteckt werden, das neben Restaurant­s auch Kantinen und Supermärkt­e umfasst. Raum dafür gibt es: Die Zahl der teilnehmen­den Betriebe liegt pro Start-up derzeit erst bei einigen hundert.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Ein Mann und eine Frau nehmen ihr Mittagesse­n aus einer Einwegverp­ackung zu sich. Was lecker aussieht, hat einen entscheide­nden ökologisch­en Haken: Das Geschirr wandert nach dem Essen in den Müll. Um Letzteres zu vermeiden, bieten diverse Start-ups Mehrwegges­chirr an.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Ein Mann und eine Frau nehmen ihr Mittagesse­n aus einer Einwegverp­ackung zu sich. Was lecker aussieht, hat einen entscheide­nden ökologisch­en Haken: Das Geschirr wandert nach dem Essen in den Müll. Um Letzteres zu vermeiden, bieten diverse Start-ups Mehrwegges­chirr an.

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