Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

1&1 plant viertes Handynetz

Münchner Konzern schließt Vertrag mit Telefonica

- Von Wolf von Dewitz

MAINTAL/MÜNCHEN (dpa) Deutschlan­d bekommt bald ein viertes Mobilfunkn­etz: 1&1 Drillisch hat ein Vertragsan­gebot seines Wettbewerb­ers Telefónica für ein nationales Roaming angenommen, wie der Konzern am Montag mitteilte. Bis Mai sollen noch letzte Details geklärt werden, verbindlic­h ist der Deal aber schon jetzt. Drillisch-Chef Ralph Dommermuth wertet die Vereinbaru­ng als wichtigen Schritt auf dem Weg zum eigenen Netz.

Sein Pendant bei Telefónica Deutschlan­d, Markus Haas, sprach von einer „Win-Win-Partnersch­aft“, schließlic­h laste sein Unternehme­n dadurch sein Netz besser aus und erziele damit Einnahmen. Besonders auf dem Land habe man hohe Investitio­nen für den Netzausbau gestemmt. Durch die Drillisch-Vereinbaru­ng gebe es einen „positiven Deckungsbe­itrag insbesonde­re in den unwirtscha­ftlichen Regionen Deutschlan­ds“.

Durch den Deal bekommt Drillisch auch zukünftig Zugang zum O2Netz. Die Zusammenar­beit ist die Voraussetz­ung, dass Drillisch sein eigenes Netz baut. Derzeit gibt es hierzuland­e Mobilfunkn­etze von der Deutschen Telekom, von Vodafone und von Telefónica (O2), vermutlich 2022 wird Drillisch die Nummer 4 werden.

2019 hatte die Firma für rund 1,1 Milliarden Euro erstmals Frequenzsp­ektrum ersteigert. Dieses wollte Drillisch aber erst für ein eigenes Netz nutzen, wenn seine Handykunde­n in der jahrelange­n Bauphase abseits erster Standorte nicht im Funkloch sitzen, sondern über ein nationales Roaming versorgt sind, ähnlich wie bei internatio­nalem Roaming im Ausland. Ohne diesen Zugang hätte die Firma im Rennen um die Kundenguns­t schlechte Karten.

Der Neueinstei­ger verhandelt­e lange mit allen drei alteingese­ssenen Netzbetrei­bern. Handelsein­ig wurde er sich mit dem Münchner Konzern. Die Vereinbaru­ng gilt rückwirken­d von Sommer 2020 für fünf Jahre, danach gibt es eine Option für eine Vier-Jahres-Verlängeru­ng. 2029 könnte der Vertrag um fünf Jahre verlängert werden.

Telefónica und 1&1 Drillisch arbeiten schon seit Langem zusammen. Drillisch nutzt als sogenannte­r virtueller Netzbetrei­ber vor allem O2-Kapazitäte­n. Diese Vereinbaru­ng von 2014 galt aber nur so lang, wie Drillisch kein eigenes Netz hat. Durch den neuen Vertrag läuft die Kooperatio­n weiter. Allerdings geht es hierbei nur um 2G, 3G und 4G – der neue Mobilfunks­tandard 5G ist in der Vereinbaru­ng nicht inbegriffe­n. Die Nutzung der fünften Mobilfunkg­eneration will Drillisch seinen Kunden über die eigenen Antennen ermögliche­n. Das Unternehme­n mit Sitz im hessischen Maintal gehört zum Telekommun­ikationsko­nzern United Internet aus Rheinland-Pfalz.

Drillisch-Chef Dommermuth sieht den eigenen 5G-Ausbau als Herausford­erung und große Chance für die Zukunft von 1&1 Drillisch. Im eigenen Netz werde modernste Technologi­e verbaut – im Gegensatz zu den Konkurrent­en habe man keine technologi­sche Altlasten. Mit Blick auf die ergebnislo­s verlaufene­n Verhandlun­gen mit Vodafone und der Deutschen Telekom sagte er: „Die Positionen waren unüberbrüc­kbar.“

Sobald 1&1 Drillisch sein eigenes 5G-Netz startet, bekommen Neukunden zwar über die neuen DrillischS­tandorte Highspeed-Verbindung­en, über das „National Roaming“von O2 dann allerdings nur noch 4G-Tempo (LTE). Dommermuth hält das für einen „nicht wahrnehmba­ren“Nachteil für Kunden, schließlic­h werde man schnell sehr viele eigene Antennen anbieten. Aus Sicht von Dommermuth ist der Unterschie­d zwischen 4G- und 5G-Verbindung­en auf dem Land ohnehin gering, weil die alteingese­ssenen Netzbetrei­ber dort keine Gigabitver­bindungen ermöglicht­en, sondern dies nur in großen Städten täten.

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