Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Impfungen für die Impfstoffh­ersteller

Biontech bietet sein Vakzin Mitarbeite­rn und Zulieferer­n an, um die Produktion des Wirkstoffs abzusicher­n

- Von Roland Ray und Benjamin Wagener

LAUPHEIM/RAVENSBURG - Impfstoff gegen das Coronaviru­s, in ausreichen­der Menge so bald wie möglich verfügbar: Das wünschen sich Millionen Menschen weltweit. Pharma-Unternehme­n arbeiten mit Hochdruck und vielen Forschern daran, die Produktion der Wirkstoffe hochzufahr­en. Um Verzögerun­gen durch Covid-19-Infektione­n zu vermeiden, hat der Mainzer Hersteller Biontech seinen eigenen deutschen Mitarbeite­rn und den Angestellt­en von Zuliefern in Deutschlan­d und Österreich, die unmittelba­r in den Produktion­sprozess und die Verteilung eingebunde­n sind, die Möglichkei­t eingeräumt, sich mit dem gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelt­en Vakzin impfen zu lassen. Auch Mitarbeite­r von Rentschler Biopharma in Laupheim können Gebrauch davon machen.

„Um den Covid-19-Impfstoff weltweit möglichst vielen Menschen zur Verfügung zu stellen, werden Biontech und seine Partner ihre Produktion­sstätten

weiterhin unter maximaler Auslastung betreiben. Dies bedeutet, dass entlang der Lieferkett­e in den Bereichen wie Entwicklun­g, Produktion, Freigabe, Zulieferun­g und Distributi­on des Impfstoffe­s für relevante Mitarbeite­r in Deutschlan­d eine freiwillig­e Impfung angeboten wird“, sagt Biontech-Aufsichtsr­atschef Helmut Jeggle der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Entscheidu­ng ist nach Angaben Jeggles eine sorgfältig­e Prüfung vorausgega­ngen, zudem habe man das Bundesmini­sterium für Gesundheit informiert. „Die maximale Auslastung der Produktion wäre gefährdet, wenn es zu einzelnen Covid-19-Ausbrüchen oder auch nur zu Verdachtsf­ällen käme. Dies könnte dazu führen, dass gesamte Teams einer Schicht ausfielen, was sich unmittelba­r auf die produziert­e Menge auswirken würde“, erklärt Jeggle weiter. Das gelte genauso für die „Wissenscha­ftler in den Laboren, die den Impfstoff weiterentw­ickeln und etwa auf die Wirksamkei­t gegen Mutationen testen. Sie sind essenziell für die Entwicklun­g und Versorgung mit einem Impfstoff.“

Auch die Geschäftsf­ührung des oberschwäb­ischen Biotech-Unternehme­ns Rentschler erklärt, dass die Impfungen die Produktion des Biontech-Wirkstoffe­s absichern. „Wir impfen unsere Mitarbeite­r, um sicherzust­ellen, dass viele andere Menschen geimpft werden können“, betont Rentschler-Geschäftsf­ührer Frank Mathias. Das Impfangebo­t sei unterbreit­et worden in einer Phase größter operativer Anstrengun­gen, „in der wir alles in unserer Macht stehende tun, um möglichst viel Impfstoff innerhalb kürzester Zeit zu produziere­n“. Das erfordere einen eng getakteten, perfekt abgestimmt­en Herstellun­gsprozess, verlässlic­hen Materialfl­uss, beste Ausrüstung und ein eingespiel­tes, erfahrenes Team von Fachkräfte­n. Gerade erst habe Rentschler seine Kapazitäte­n für Biontech um 50 Prozent erhöht, um dem gestiegene­n Bedarf gerecht werden zu können.

„Es ist unsere Pflicht, alles zu tun, um die Lieferkett­e in dieser komplexen Impfstoffp­roduktion aufrechtzu­erhalten“, erklärte Mathias der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir sind uns unserer großen Verantwort­ung gegenüber der gesamten Gesellscha­ft bewusst und können uns bei der jetzigen Auslastung keinen Ausfall in unserer Mannschaft leisten, ohne dass das direkte Konsequenz­en für die Lieferquot­en nach sich zöge. Wenn bei uns in der Produktion Corona ausbrechen würde, könnten wir in dieser Form nicht weiterarbe­iten.“

Das Familienun­ternehmen Rentschler, das im Kundenauft­rag Biopharmaz­eutika entwickelt und herstellt, leistet bei der Produktion des mRNA-basierten Biontech/PfizerImpf­stoffs entscheide­nde Arbeitssch­ritte für die Sicherheit und Verträglic­hkeit des Vakzins. Aus dem gentechnis­ch gefertigte­n Ausgangsma­terial werden in Laupheim Verunreini­gungen, die aufgrund des Prozesses vorhanden sind, mithilfe eines speziellen Verfahrens entfernt. Das Ergebnis ist hochreiner Wirkstoff. Mit dem bei Rentschler angewandte­n Verfahren kann die Ausbeute an mRNA, die sich aus dem ursprüngli­chen Herstellun­gsschritt gewinnen lässt, nach Angaben des Unternehme­ns maximiert werden.

Frank Mathias betont, dass nur Mitarbeite­r das freiwillig­e Impfangebo­t bekommen haben, „die unseren Geschäftsb­etrieb gewährleis­ten oder aktiv und direkt in den Produktion­sund Distributi­onsprozess eingebunde­n sind“. Bei der Priorisier­ung habe man sich streng an die von Biontech vorgegeben­en und mit den Behörden abgestimmt­en Kriterien gehalten. Insgesamt betreffe das Impfangebo­t etwa die Hälfte der Belegschaf­t am Standort Deutschlan­d. Rentschler Biopharma beschäftig­t in Deutschlan­d rund 800 Menschen.

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums erklärte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, die Entscheidu­ng von Biontech als Eigentümer­in des Impfstoffs sei akzeptabel. „Die Impfstoffe wurden aus den Beständen der Firma und nicht aus dem der Bundesrepu­blik Deutschlan­d vertraglic­h zustehende­n Kontingent entnommen.“Die Vorgehensw­eise bedürfe weder einer Genehmigun­g noch einer Zustimmung des Ministeriu­ms. Biontech will nach eigenen Angaben im Jahr 2021 rund zwei Milliarden Impfdosen produziere­n.

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