Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Harter Winter setzt Wild zu
Schnee und Spaziergänger erschweren Futtersuche – Jäger fordern mehr Ruhezonen
SIGMARINGEN - Die Corona-Pandemie setzt nicht nur uns Menschen zu, sondern auch den Tieren: Auch das Wild hat unter den Folgen zu leiden, weil sehr viel mehr Spaziergänger als sonst in seinem Lebensraum unterwegs sind. Die Situation beobachtet die Kreisjägervereinigung Sigmaringen mit großer Sorge, denn der harte Winter und ein Fütterungsverbot erschweren die Lage zusätzlich. Deshalb wünschen sich die Jäger mehr Wildruhezonen, vor allem im kommunalen Wald.
Normalerweise, sagt Kreisjägermeister Hans-Jürgen Klaiber, sei das Wild an Wanderer gewöhnt, wenn die Aktivitäten im Rahmen blieben. Doch Kontaktverbot, Homeoffice und Ausgangssperren haben dafür gesorgt, dass immer mehr Menschen auch den Wald aufsuchen. „Teilweise sind so viele Besucher unterwegs, dass sie dem Wild den Weg zur Nahrung abschneiden“, sagt Klaiber. Auch die Loipen, die in diesem Jahr möglich waren, seien teils unbedacht angelegt worden; zwar gebe es in manchen Wäldern Ruhezonen für die Tiere, doch manche Loipen grenzen nah an den Bereich an, wodurch Langläufer das Wild wieder störten.
Was in diesem Jahr die Situation so problematisch macht, ist der kalte Winter mit viel Schnee, erklärt Klaiber: „Das Wild hat Hunger, aber kommt durch den Schnee nicht an die Nahrung heran, erst recht nicht, wenn die unterste Schicht gefroren ist.“Besonders betroffen seien Rehe und auch Feldhasen. Schwarzwild, also Wildschweine, könnten mit ihren starken Rüsseln den Schnee eher durchbrechen. Landwirtschaftlich bewirtschaftete Felder, auf denen einst im Winter Ackerbrache angelegt war, wovon sich die Tiere ernähren konnten, seien heutzutage kaum noch vorhanden, so Klaiber.
Die Folge: Die Tiere hungern stark. Müssen sie dann noch vor Spaziergängern fliehen, gehe ihnen wertvolle Energie verloren, sagt Klaiber: „Ihnen droht der Hungertod.“Ein weiteres Problem kommt dazu, denn durch das Jagd- und
Wildtiermanagementgesetz, das 2015 in Baden-Württemberg in Kraft getreten ist, dürfen Jäger das Wild nicht mehr füttern. Lediglich im Raum Gammertingen sei die Fütterung auf Basis eines bestimmten Konzepts wegen der Höhenlage unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
Die einzige kurzfristige Option sieht Klaiber in einem Appell an Spaziergänger, immer auf den Wegen zu bleiben und Hunde an der Leine zu halten. Die Wege seien meist so angelegt, dass dem Wild genügend Raum bleibt. Am besten eigneten sich Premiumwanderwege – bei deren Entstehen seien Jäger involviert gewesen, sodass der Schutz des Wildes bei den Strecken eine große Rolle spielte.
Eine Lösung dafür sieht Klaiber in den sogenannten Ruhezonen, von denen es im Wildpark Josefslust bereits einige gebe. Diese Zonen dürfen von Menschen nicht betreten werden. Dort finden die Tiere Zuflucht. Doch im kommunalen Wald seien diese Ruhezonen eine Seltenheit, was Klaiber kritisiert.
Die Stadt Sigmaringen hat in ihren Wäldern keine Wildruhezonen ausgewiesen, wie Stadtsprecherin Janina Krall mitteilt. Diese würden meist in großen, zusammenhängenden Wäldern eingerichtet. Im Kommunalwald wiederum seien sämtliche Flächen jagdlich verpachtet. Allerdings gebe es in den Zonen kleinere Wildruheareale durch die Jagdpächter, beispielsweise im Donau-, Lauchert- und Schmeiental. Laut Krall eigneten sich die Ruhezonen besonders bei Wild, das in Rudeln vorkommt weil häufige Störungen besonders schädlich sein könnten, beispielsweise bei Rot- oder Damwild. „Bis auf Gamswild im Donautal kommen diese Tierarten in unseren städtischen Wäldern jedoch nicht vor“, sagt Krall. Sie appelliert allerdings ebenfalls an Spaziergänger, auf Wegen zu bleiben, sich ruhig zu verhalten und keinen Müll zu hinterlassen. „So können Wildtiere Situationen gut einschätzen und sich ohne Stress zum Beispiel von viel begangenen Wegen zurückziehen“, sagt sie.