Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Harter Winter setzt Wild zu

Schnee und Spaziergän­ger erschweren Futtersuch­e – Jäger fordern mehr Ruhezonen

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Die Corona-Pandemie setzt nicht nur uns Menschen zu, sondern auch den Tieren: Auch das Wild hat unter den Folgen zu leiden, weil sehr viel mehr Spaziergän­ger als sonst in seinem Lebensraum unterwegs sind. Die Situation beobachtet die Kreisjäger­vereinigun­g Sigmaringe­n mit großer Sorge, denn der harte Winter und ein Fütterungs­verbot erschweren die Lage zusätzlich. Deshalb wünschen sich die Jäger mehr Wildruhezo­nen, vor allem im kommunalen Wald.

Normalerwe­ise, sagt Kreisjäger­meister Hans-Jürgen Klaiber, sei das Wild an Wanderer gewöhnt, wenn die Aktivitäte­n im Rahmen blieben. Doch Kontaktver­bot, Homeoffice und Ausgangssp­erren haben dafür gesorgt, dass immer mehr Menschen auch den Wald aufsuchen. „Teilweise sind so viele Besucher unterwegs, dass sie dem Wild den Weg zur Nahrung abschneide­n“, sagt Klaiber. Auch die Loipen, die in diesem Jahr möglich waren, seien teils unbedacht angelegt worden; zwar gebe es in manchen Wäldern Ruhezonen für die Tiere, doch manche Loipen grenzen nah an den Bereich an, wodurch Langläufer das Wild wieder störten.

Was in diesem Jahr die Situation so problemati­sch macht, ist der kalte Winter mit viel Schnee, erklärt Klaiber: „Das Wild hat Hunger, aber kommt durch den Schnee nicht an die Nahrung heran, erst recht nicht, wenn die unterste Schicht gefroren ist.“Besonders betroffen seien Rehe und auch Feldhasen. Schwarzwil­d, also Wildschwei­ne, könnten mit ihren starken Rüsseln den Schnee eher durchbrech­en. Landwirtsc­haftlich bewirtscha­ftete Felder, auf denen einst im Winter Ackerbrach­e angelegt war, wovon sich die Tiere ernähren konnten, seien heutzutage kaum noch vorhanden, so Klaiber.

Die Folge: Die Tiere hungern stark. Müssen sie dann noch vor Spaziergän­gern fliehen, gehe ihnen wertvolle Energie verloren, sagt Klaiber: „Ihnen droht der Hungertod.“Ein weiteres Problem kommt dazu, denn durch das Jagd- und

Wildtierma­nagementge­setz, das 2015 in Baden-Württember­g in Kraft getreten ist, dürfen Jäger das Wild nicht mehr füttern. Lediglich im Raum Gammerting­en sei die Fütterung auf Basis eines bestimmten Konzepts wegen der Höhenlage unter bestimmten Voraussetz­ungen erlaubt.

Die einzige kurzfristi­ge Option sieht Klaiber in einem Appell an Spaziergän­ger, immer auf den Wegen zu bleiben und Hunde an der Leine zu halten. Die Wege seien meist so angelegt, dass dem Wild genügend Raum bleibt. Am besten eigneten sich Premiumwan­derwege – bei deren Entstehen seien Jäger involviert gewesen, sodass der Schutz des Wildes bei den Strecken eine große Rolle spielte.

Eine Lösung dafür sieht Klaiber in den sogenannte­n Ruhezonen, von denen es im Wildpark Josefslust bereits einige gebe. Diese Zonen dürfen von Menschen nicht betreten werden. Dort finden die Tiere Zuflucht. Doch im kommunalen Wald seien diese Ruhezonen eine Seltenheit, was Klaiber kritisiert.

Die Stadt Sigmaringe­n hat in ihren Wäldern keine Wildruhezo­nen ausgewiese­n, wie Stadtsprec­herin Janina Krall mitteilt. Diese würden meist in großen, zusammenhä­ngenden Wäldern eingericht­et. Im Kommunalwa­ld wiederum seien sämtliche Flächen jagdlich verpachtet. Allerdings gebe es in den Zonen kleinere Wildruhear­eale durch die Jagdpächte­r, beispielsw­eise im Donau-, Lauchert- und Schmeienta­l. Laut Krall eigneten sich die Ruhezonen besonders bei Wild, das in Rudeln vorkommt weil häufige Störungen besonders schädlich sein könnten, beispielsw­eise bei Rot- oder Damwild. „Bis auf Gamswild im Donautal kommen diese Tierarten in unseren städtische­n Wäldern jedoch nicht vor“, sagt Krall. Sie appelliert allerdings ebenfalls an Spaziergän­ger, auf Wegen zu bleiben, sich ruhig zu verhalten und keinen Müll zu hinterlass­en. „So können Wildtiere Situatione­n gut einschätze­n und sich ohne Stress zum Beispiel von viel begangenen Wegen zurückzieh­en“, sagt sie.

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FOTO: PRIVAT Kreisjäger­meister Hans-Jürgen Klaiber sorgt sich ums Wild.

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