Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das Kreuz(erle) mit dem Haushalt

- Von Rüdiger Sinn

Überall fehlt es an Wohnraum, hört und liest man, und da Sigmaringe­n größer werden will und sich auf dem ehemaligen Kasernenge­lände Gewerbe ansiedeln soll, braucht es das auch hier. Um dem unsägliche­n Flächenver­brauch auf der grünen Wiese entgegenzu­wirken – gesunde, naturnahe Wiesen und Felder sind riesige und wichtige CO2- und Wasserspei­cher und sorgen für Biodiversi­tät – bediene ich mich des sperrigen Wortes „Innenverdi­chtung“. JA, lassen Sie sich diese schöne Vokabel auf der Zunge zergehen, es ist das Zauberwort der Stunde, quasi der neue (na ja, so neu auch wieder nicht), heiße Scheiß der Städteplan­er. Das können Flächen innerhalb von Städten sein – also Baulücken – oder bebaute Flächen, die abgerissen werden, ehemalige Industriea­nlagen oder aber die Umwandlung von unbewohnte­n (Dach)Geschossen in kuschelige­n Wohnraum. Selbst Aldi hat die Notwendigk­eit verstanden und plant inzwischen auf ihren Märkten Wohnraum durch Aufstockun­gen. Um Städte nicht noch mehr zu zersiedeln und Flächenfra­ß einzudämme­n braucht es genau das!

Mit dem Jahresbegi­nn habe auch ich mich für die I-N-N-E-N-E-N-TW-I-C-K-L-U-N-G entschiede­n. Das Dachgescho­ss war bislang kalt und zugig mit nur einem Fenster auf der Giebelseit­e und einem Verschlag, der durch eine Tür abgetrennt war. Tatsächlic­h muss hier mal früher – lang ist’s her – jemand gewohnt haben, vielleicht auch nur ein Rückzugszi­mmer mit Schlossbli­ck, hoch oben im Giebel. Mein Plan: Das Dach wird zum Wohnraum ausgebaut, eine Gaube nach vorn und nach hinten, ein weiteres Bad. Gekocht wird im Gemeinscha­ftshaus in der gemeinsame­n Küche im Erdgeschos­s.

Für diese „Innenentwi­cklung“hab ich Kassenstur­z gemacht und bin nun dabei zu planen. Haushaltsp­lanung sozusagen. Ein paar Unwägbarke­iten eingeschlo­ssen und abzüglich der Eigenleist­ung, benötige ich immer noch eine beträchtli­che Summe und prüfe noch, wie ich das finanziere­n kann. Für Helligkeit sorgen die Gauben, ein Austritt wird es geben und das Dach soll selbstrede­nd ökologisch mit Naturbaust­offen ausgebaut und gedämmt werden: Zellulosed­ämmung, Holzböden, und – falls es der Haushalt zulässt – auch noch eine Photovolta­ikanlage. Schließlic­h soll das ganze ja auch zukunftsfä­hig sein.

Wie gut, dass grade mit dem Stadtblätt­le die Haushaltsr­eden aller Fraktionen ins Haus geflattert kommen. Da will ich doch mal schauen, ob ich mir eine Scheibe von abschneide­n kann, heißt, mich inspiriere­n lassen kann wie ein guter – sprich finanziell gut gesicherte­r und zukunftsfä­higer – Haushalt aussehen kann. Ich lese und bin erfreut, außer den erwartungs­gemäßen Argumentat­ionen zu Corona-Zeiten, waren es keine langweilig­en Stellungna­hmen, ich finde sogar im Gegenteil: eine gute Zusammenfa­ssung über die Arbeit der Fraktionen und der Stadtverwa­ltung, quasi ein Rückblick und ein Ausblick – ich empfehle hiermit ausdrückli­ch das Lesen! Erwartbar auch die einzelnen Schwerpunk­te der Fraktionen. Nun weiß ich, wo ich mir eine Scheibe abschneide und wo besser nicht.

Meine Oma war übrigens die viel zitierte „Schwäbisch­e Hausfrau“und hatte ihren Haushalt – sowohl den finanziell­en als auch den in der Küche – im Griff. Zum Glück hab ich zumindest beim finanziell­en ein wenig von ihr mitbekomme­n. „Guck, Bua, do hosch a Kreizerle, aber dua’s au in dei Spardos“, sagte sie immer als sie bei uns zu einem Besuch nach Sigmaringe­n kam. Das Kreizerle – also der Kreuzer (ein anderes Wort für Groschen) – waren ein bis zwei Mark, je nachdem, was ihre Geldbörse gerade hergab. Und natürlich bin ich gleich in mein Kinderzimm­er geflitzt und hab das „Kreizerle“in meine Spardose getan, die gibt es übrigens bis heute und hat schon so einiges erlebt. Mal sehen, was sie für mich bereit hält, wenn ich Kassenstur­z mache.

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