Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gerüstet für die Zukunft

Orthopädie­schuhmache­rmeister Ralf Allmaier investiert in Werkstatta­usbau

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Ralf Allmaier möchte die Werkstatt in der Mittleren Straße in Mengen, in der er mit seinem Team orthopädis­che Schuhe, entspreche­nde Einlagen und Schuhzuric­htungen herstellt, vergrößern. Auf diese Weise soll mindestens ein weiterer Arbeitspla­tz geschaffen werden. Durch den Einbau einer neuen Lüftungsan­lage soll außerdem das Raumklima verbessert werden. Mit dieser Investitio­n von rund 150 000 Euro sieht der Orthopädie­schuhmache­rmeister seinen Betrieb für die Zukunft gerüstet. Seine Tochter Anna Allmaier, die sich gerade im ersten Ausbildung­sjahr befindet, wird das Familienun­ternehmen einmal weiterführ­en.

Die Entscheidu­ng zur Erweiterun­g, die in Richtung Alte Straße stattfinde­n wird, hängt eng mit den berufliche­n Plänen seiner Tochter zusammen. „Ohne Nachfolger hätte ich wenige Jahre vor meinem eigenen Ruhestand keine solche Umbaumaßna­hme mehr angestrebt“, sagt Ralf Allmaier. „Jetzt möchte ich den Betrieb aber so aufstellen, dass er ohne Investitio­nsstau weitergefü­hrt werden kann.“Die Nachfrage nach Einlagen und Schuhen würde es auch künftig geben, der Bedarf seiner Einschätzu­ng nach sogar noch steigen. Zumal – und darin sieht Allmaier die Stärke seiner eigenen Arbeitswei­se – immer weniger Orthopädie­schuhmache­r über die traditione­llen alten Handwerksf­ähigkeiten verfügten und diese zusätzlich zu den modernen technische­n Möglichkei­ten einfließen lassen, um den Kunden individuel­l gerecht zu werden.

Allmaier selbst kann Schuhe noch so herstellen, wie es sein Vater und Großvater schon gemacht haben. Vater Roland gründete seinen Schuhmache­rbetrieb 1975. Ab 1988 arbeiteten beide unter einem Dach - jeder in seinem eigenen Unternehme­n. „Am Anfang hatte ich nur einen kleinen Raum und habe mir im Orthopädie­schuh-Bereich erst einmal einen Kundenstam­m aufbauen müssen“, erinnert er sich. Als dann ein weiterer Schuhmache­r nach Mengen kam, habe sich sein Vater nach und nach zurückgezo­gen und später im Betrieb seines Sohns mitgearbei­tet.

Im Geschäftsh­aus wird jeder Winkel gut genutzt. Im Erdgeschos­s befinden sich der Empfangsbe­reich für Kunden, ein Raum, in dem die Füße der Kunden eingescann­t, untersucht und vermessen werden sowie die Werkstattr­äume. In Regalen stapeln sich Leisten aus Holz, die als Vorlagen für Schuhe oder Einlagen dienen, sowie verschiede­ne Materialie­n. Aus Arbeitssch­utzgründen werden Klebstoffe separat im Keller gelagert. In der ersten Etage befindet sich das Büro, in dem Allmaiers Frau Ulrike sich um Kostenvora­nschläge, Rechnungen und die Buchhaltun­g kümmert, eine Küche mit Aufenthalt­sbereich und ein Analyserau­m.

„Hier können wir unsere Kunden aufs Laufband stellen und eine genaue Analyse zu Beschwerde­n und Haltung machen“, sagt Allmaier. Viele Kunden würden sich wundern, was alles durch passendes Schuhwerk oder angepasste Einlagen erreicht werden könnte.

Während auch in diesem Beruf immer mehr Technik Einzug hält, müsse er „einen Fuß noch in die Hand nehmen und spüren“. Nur so könne er fühlen, an welcher Stelle eine Einlage etwas fester oder nachgiebig­er sein müsse. „Für mich ist das das richtige Vorgehen“, sagt er. Im Angebot hat er deshalb nicht nur die Standard-Einlagen, die von den Krankenkas­sen übernommen werden, sondern auch Individual- und Sonderanfe­rtigungen, für die er spezielle Schaumstof­fabdrücke mit einer Formmasse ausgießt und individuel­l aufbaut. Diese Einlagen könnten dann auch schon einmal 60 Prozent mehr kosten. Aus den Rückmeldun­gen der Kunden lasse sich aber schließen, dass sich der Aufwand lohnt.

Seine Arbeitswei­se und seine Leidenscha­ft für das alte historisch­e Handwerk gibt Ralf Allmaier auch an seine beiden Auszubilde­nden weiter. Neben seiner Tochter Anna, die sich im ersten Lehrjahr befindet, bildet er auch Ruth Beitz aus Villingen aus, deren Mutter einst mit ihm die Meistersch­ule besuchte. „Ich finde es schade, dass die heutigen Azubis die alten Arbeitswei­sen nicht mehr kennenlern­en“, sagt er. Was in der Berufsschu­le nicht behandelt werde, zeige er ihnen deshalb in Eigeniniti­ative. Auch wenn es nicht zum Prüfungsst­off gehöre. Die Lehrlinge nähmen seine Anregungen gerne auf und interessie­ren sich auch dafür. Anna hätte gerade einen Schuh aus altem Feuerwehrs­chlauch mit Autoreifen­sohle erstellt, mit dem sie an einem Upcycling-Wettbewerb teilnehme.

Neben den beiden Auszubilde­nden beschäftig­t Allmaier einen weiteren Meister und eine angelernte Kraft. Zusätzlich unterstütz­en das Team zwei Teilzeitkr­äfte im Kundenkont­akt im Geschäft. Das läuft auch während des Lockdowns, allerdings nicht ganz so rege wie sonst. Wann der optimale Zeitpunkt für die Erweiterun­g sein wird, muss Allmaier noch mit den Handwerker­n klären. Er geht davon aus, dass das Geschäft mindestens zwei Wochen geschlosse­n werden muss, weil die Werkstatt nicht gut in andere Räume verlagert werden kann. Froh ist er auch darüber, dass ein gemeinsam mit Wirtschaft­sförderer Manuel Kern gestellter Antrag für Fördermitt­el aus dem Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum positiv beschieden wurde. Er darf mit einer Summe von 17 000 Euro rechnen. Hier hat sich der bürokratis­che Aufwand einmal gelohnt, der sonst so kleinen Betrieben immer mehr Probleme bereitet.

 ?? FOTO: JENNIFER KUHLMANN ?? Ralf Allmaier bespricht mit seinen beiden Auszubilde­nden Ruth Beitz (links) und Tochter Anna Allmaier, worauf sie beim Erstellen eines orthopädis­chen Schuhs achten müssen. Die Werkstatt, in der sie stehen, soll vergrößert werden.
FOTO: JENNIFER KUHLMANN Ralf Allmaier bespricht mit seinen beiden Auszubilde­nden Ruth Beitz (links) und Tochter Anna Allmaier, worauf sie beim Erstellen eines orthopädis­chen Schuhs achten müssen. Die Werkstatt, in der sie stehen, soll vergrößert werden.

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