Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Von Narren und Polizisten
Nach Vorfällen in Überlingen, Ravensburg und Rottweil hagelt es beidseitig Vorwürfe
Natürlich brechen nicht nur Narren die CoronaRegeln. So blieb es am Rosenmontag vielerorts komplett ruhig. In der Fasnetshochburg Rottweil sprangen jedoch trotz Pandemie 25 Maskierte – nach dem Motto „Wir lassen uns von der Obrigkeit nichts sagen“– um Punkt
8 Uhr durch das Schwarze Tor (Foto: Sebastian Gollnow/ dpa). 450 Zuschauer waren laut Polizei anwesend. Im Gegensatz zu anderen Orten, etwa in Überlingen oder Ravensburg, schritten die Beamten jedoch nicht ein.
BODENSEEKREIS - Fasnet daheim: So lautet dieses Jahr die an die Pandemiesituation angepasste Devise der Narren. Doch nicht alle Zünfte ziehen da mit. Nachdem am Samstagabend eine Zusammenkunft der Überlinger Hänsele mit über 200 Menschen für Furore sorgte, zogen am Montagvormittag laut Polizei 25 Narren und 450 Zuschauer in Rottweil nach. Und auch in Ravensburg gab es einen Narrensprung-Versuch von 15 Schwarzen Veri – die Polizei löste die Gruppe jedoch sofort auf. Wie ist die Sicht auf das Geschehene bei den betroffenen Zünften, der Polizei und dem Fasnets-Dachverband? Die „Schwäbische Zeitung“(SZ) hat nachgefragt.
Große Widersprüche gibt es zwischen Narren und Polizei, was die Teilnehmerzahlen bei den jeweiligen Versammlungen betrifft. Schon am Sonntag hatte Überlingens Narrenvater Harald Kirchmaier gegenüber der SZ geäußert, dass seine Mitglieder das Handeln der Beamten als „unverhältnismäßig“wahrgenommen hatten. Am Montag bekräftigt er diesen Standpunkt: „Es war garantiert keine offizielle Veranstaltung der Hänselezunft“, sagt er. Aus diesem Grund seien die Mitglieder darüber informiert worden, nicht als Hänsele durch die Straßen zu jucken. Die Zunft habe aber keinen Einfluss darauf, wenn trotzdem einige der insgesamt 1500 Hänsele ihr Häs anziehen und auf den Straßen unterwegs sind. „Es ist auch nicht sicher, dass alle, die ein Hänselehäs tragen, auch Mitglieder der Zunft sind“, sagt Kirchmaier. Er habe volles Verständnis für die Corona-Vorkehrungen und sei gewiss kein Corona-Leugner. Dennoch habe die Polizei unverhältnismäßig reagiert, sagt Kirchmaier.
„Es sollen mehr Polizisten als Hänsele unterwegs gewesen sein“, meint der Narrenvater. Ihn ärgert es, dass die Hänsele von den Beamten offenbar gezielt herausgegriffen und teilweise des Platzes verwiesen worden seien. „Wenn ein Hänsele mit der Karbatsche schnellt, hält er automatisch Abstand. Er kann nichts dafür, wenn dann Zuschauer kommen, die untereinander keinen Abstand halten“, sagt er und verweist auf Rottweil, wo die Polizei laut Deutscher Presseagentur am Montag nur Einzelne angesprochen haben soll. „Man kann seine Arbeit so oder so machen, das gilt auch für die Polizei“, sagt er.
Der Rottweiler Narrenmeister Christoph Bechthold sagt über das Geschehen in seiner Stadt: „Es waren keine 450 Zuschauer da, sondern 200 plus 20 bis 25 Narren.“Auch er widerspricht damit den offiziellen Zuschauerzahlen der örtlichen Polizei. Bechthold betont: „Der Narrensprung war auch bei uns abgesagt. Dass dennoch welche unterwegs waren, war nicht in unserem Sinne.“Ob ein solches Verhalten durch Mitglieder in seiner Zunft zum Ausschluss dieser führt? „Das ist ein Problem, denn wir wissen noch nicht mal, ob es Mitglieder sind, die unterwegs waren“, meint Bechthold.
Ärgerlich reagiert der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer auf die Äußerungen der Überlinger Zunft. „Da verwechseln offenbar manche Ursache und Wirkung“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. „Da haben einige offenbar den Schuss nicht gehört.“Art und Ablauf der Ereignisse am Samstagabend in Überlingen deuteten darauf hin, dass die Aktion „organisiert und verabredet“war, vermutet Stürmer. Das sei verantwortungslos. Seine Beamten seien „mit Fingerspitzengefühl“vorgegangen. „Das ärgert mich dann schon, dass von Vertretern der Zunft die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes infrage gestellt wird. Gegen diesen Vorwurf verwahre ich mich. In 86 Städten und Gemeinden im Gebiet unseres Präsidiums halten sich die Zünfte an die Verordnungen. Da können wir doch jetzt bei denen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht einfach wegschauen“, erläutert er. Es sei zudem nicht das erste Mal, dass die Überlinger Narren ins Blickfeld seines Präsidiums geraten seien. „Auch am Dreikönigstag sind sie schon mit einer Karbatschen-Aktion aufgefallen. Nun ist es das zweite Mal, dass da etwas passiert ist, auf das man als Narr nicht unbedingt stolz sein muss“, sagt Stürmer.
Dass die Polizei in Rottweil nur vereinzelt ermahnt habe und man es dort, wie die Deutsche Presseagentur den Polizeisprecher zitiert, als „nicht verhältnismäßig“betrachtet habe, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“, will der Ravensburger Polizeichef nicht kommentieren. „Ich halte an meiner Linie fest. Corona macht in der Fasnet keine Pause und es kann nicht sein, dass manche meinen, sie hätten Sonderrechte“, sagt Stürmer.
„Eine Zunft hat nicht in der Hand, wenn einzelne Mitglieder sich nicht an die Regeln halten“, sagt Otto Gäng, Ehrenzunftmeister der Historischen Narrenzunft Markdorf und Vize-Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Trotzdem sei es schlecht, wenn das Verhalten einiger weniger die Fasnet in ein schlechtes Licht rücken. Der Verband hatte früh entschieden, dieses Jahr auf Veranstaltungen zu verzichten.