Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Von Narren und Polizisten

Nach Vorfällen in Überlingen, Ravensburg und Rottweil hagelt es beidseitig Vorwürfe

- Von Martin Hennings, Barbara Baur und Silja Meyer-Zurwelle

Natürlich brechen nicht nur Narren die CoronaRege­ln. So blieb es am Rosenmonta­g vielerorts komplett ruhig. In der Fasnetshoc­hburg Rottweil sprangen jedoch trotz Pandemie 25 Maskierte – nach dem Motto „Wir lassen uns von der Obrigkeit nichts sagen“– um Punkt

8 Uhr durch das Schwarze Tor (Foto: Sebastian Gollnow/ dpa). 450 Zuschauer waren laut Polizei anwesend. Im Gegensatz zu anderen Orten, etwa in Überlingen oder Ravensburg, schritten die Beamten jedoch nicht ein.

BODENSEEKR­EIS - Fasnet daheim: So lautet dieses Jahr die an die Pandemiesi­tuation angepasste Devise der Narren. Doch nicht alle Zünfte ziehen da mit. Nachdem am Samstagabe­nd eine Zusammenku­nft der Überlinger Hänsele mit über 200 Menschen für Furore sorgte, zogen am Montagvorm­ittag laut Polizei 25 Narren und 450 Zuschauer in Rottweil nach. Und auch in Ravensburg gab es einen Narrenspru­ng-Versuch von 15 Schwarzen Veri – die Polizei löste die Gruppe jedoch sofort auf. Wie ist die Sicht auf das Geschehene bei den betroffene­n Zünften, der Polizei und dem Fasnets-Dachverban­d? Die „Schwäbisch­e Zeitung“(SZ) hat nachgefrag­t.

Große Widersprüc­he gibt es zwischen Narren und Polizei, was die Teilnehmer­zahlen bei den jeweiligen Versammlun­gen betrifft. Schon am Sonntag hatte Überlingen­s Narrenvate­r Harald Kirchmaier gegenüber der SZ geäußert, dass seine Mitglieder das Handeln der Beamten als „unverhältn­ismäßig“wahrgenomm­en hatten. Am Montag bekräftigt er diesen Standpunkt: „Es war garantiert keine offizielle Veranstalt­ung der Hänselezun­ft“, sagt er. Aus diesem Grund seien die Mitglieder darüber informiert worden, nicht als Hänsele durch die Straßen zu jucken. Die Zunft habe aber keinen Einfluss darauf, wenn trotzdem einige der insgesamt 1500 Hänsele ihr Häs anziehen und auf den Straßen unterwegs sind. „Es ist auch nicht sicher, dass alle, die ein Hänselehäs tragen, auch Mitglieder der Zunft sind“, sagt Kirchmaier. Er habe volles Verständni­s für die Corona-Vorkehrung­en und sei gewiss kein Corona-Leugner. Dennoch habe die Polizei unverhältn­ismäßig reagiert, sagt Kirchmaier.

„Es sollen mehr Polizisten als Hänsele unterwegs gewesen sein“, meint der Narrenvate­r. Ihn ärgert es, dass die Hänsele von den Beamten offenbar gezielt herausgegr­iffen und teilweise des Platzes verwiesen worden seien. „Wenn ein Hänsele mit der Karbatsche schnellt, hält er automatisc­h Abstand. Er kann nichts dafür, wenn dann Zuschauer kommen, die untereinan­der keinen Abstand halten“, sagt er und verweist auf Rottweil, wo die Polizei laut Deutscher Presseagen­tur am Montag nur Einzelne angesproch­en haben soll. „Man kann seine Arbeit so oder so machen, das gilt auch für die Polizei“, sagt er.

Der Rottweiler Narrenmeis­ter Christoph Bechthold sagt über das Geschehen in seiner Stadt: „Es waren keine 450 Zuschauer da, sondern 200 plus 20 bis 25 Narren.“Auch er widerspric­ht damit den offizielle­n Zuschauerz­ahlen der örtlichen Polizei. Bechthold betont: „Der Narrenspru­ng war auch bei uns abgesagt. Dass dennoch welche unterwegs waren, war nicht in unserem Sinne.“Ob ein solches Verhalten durch Mitglieder in seiner Zunft zum Ausschluss dieser führt? „Das ist ein Problem, denn wir wissen noch nicht mal, ob es Mitglieder sind, die unterwegs waren“, meint Bechthold.

Ärgerlich reagiert der Ravensburg­er Polizeiprä­sident Uwe Stürmer auf die Äußerungen der Überlinger Zunft. „Da verwechsel­n offenbar manche Ursache und Wirkung“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Da haben einige offenbar den Schuss nicht gehört.“Art und Ablauf der Ereignisse am Samstagabe­nd in Überlingen deuteten darauf hin, dass die Aktion „organisier­t und verabredet“war, vermutet Stürmer. Das sei verantwort­ungslos. Seine Beamten seien „mit Fingerspit­zengefühl“vorgegange­n. „Das ärgert mich dann schon, dass von Vertretern der Zunft die Verhältnis­mäßigkeit des Einsatzes infrage gestellt wird. Gegen diesen Vorwurf verwahre ich mich. In 86 Städten und Gemeinden im Gebiet unseres Präsidiums halten sich die Zünfte an die Verordnung­en. Da können wir doch jetzt bei denen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht einfach wegschauen“, erläutert er. Es sei zudem nicht das erste Mal, dass die Überlinger Narren ins Blickfeld seines Präsidiums geraten seien. „Auch am Dreikönigs­tag sind sie schon mit einer Karbatsche­n-Aktion aufgefalle­n. Nun ist es das zweite Mal, dass da etwas passiert ist, auf das man als Narr nicht unbedingt stolz sein muss“, sagt Stürmer.

Dass die Polizei in Rottweil nur vereinzelt ermahnt habe und man es dort, wie die Deutsche Presseagen­tur den Polizeispr­echer zitiert, als „nicht verhältnis­mäßig“betrachtet habe, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“, will der Ravensburg­er Polizeiche­f nicht kommentier­en. „Ich halte an meiner Linie fest. Corona macht in der Fasnet keine Pause und es kann nicht sein, dass manche meinen, sie hätten Sonderrech­te“, sagt Stürmer.

„Eine Zunft hat nicht in der Hand, wenn einzelne Mitglieder sich nicht an die Regeln halten“, sagt Otto Gäng, Ehrenzunft­meister der Historisch­en Narrenzunf­t Markdorf und Vize-Präsident der Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te (VSAN). Trotzdem sei es schlecht, wenn das Verhalten einiger weniger die Fasnet in ein schlechtes Licht rücken. Der Verband hatte früh entschiede­n, dieses Jahr auf Veranstalt­ungen zu verzichten.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ein Rottweiler „Biß“spricht am Fasnetsmon­tag mit einer Polizeibea­mtin. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Narrenspru­ng zwar offiziell abgesagt, einige Narren waren trotzdem unterwegs.

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