Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das zähe Warten auf den Impftermin
Leser berichten von Problemen mit Rückruf-System – Sozialministerium bittet um Geduld
RAVENSBURG - Besetzte Hotlines, mühsame Suche im Internet: Einen Impftermin gegen das Coronavirus zu bekommen, gleicht für viele Baden-Württemberger auch rund zwei Monate nach Beginn der landesweiten Impfkampagne einem Glücksspiel.
So versucht beispielsweise Jutta B. aus Stetten mit ihrem Mann KlausDieter seit Wochen, einen Impftermin für ihre 89-jährigen Eltern in Aalen zu bekommen. „Wir sitzen regelmäßig um Mitternacht vor dem Computer, weil das die einzige Chance ist, überhaupt Termine angeboten zu bekommen“, erzählt das Ehepaar. Das gestaltet sich allerdings schwierig: Nachdem man umständlich die persönlichen Daten eingetragen habe, seien alle Termine schon wieder vergeben, kritisiert das Paar.
Auch die Corona-Hotline, über die sich auch telefonisch Impftermine vereinbaren lassen, bereitet vielen Probleme. Egon Hagmann aus Leutkirch im Allgäu etwa berichtet von enttäuschten Bekannten, die abgewiesen wurden. „Sie bekamen gesagt: ,Wir haben keinen Termin. Rufen Sie bitte später wieder an’.“
Die Landesregierung weiß um diese Probleme. Um die Terminvergabe zu vereinfachen, hat sie vor knapp zwei Wochen das sogenannte Recall-System eingeführt. Anrufer müssen sich jetzt nur noch einmal über eine Hotline registrieren und bekommen dann per Rückruf mitgeteilt, wann ein freier Termin zur Verfügung steht.
So zumindest die Theorie. Die B.’s warten seit rund zehn Tagen auf eine Rückmeldung. „Wir wissen nicht, ob sich jemals etwas tun wird“, sagt Jutta B. Nachdem sie einen Mitarbeiter der Hotline erreicht und ihm alle Angaben mündlich diktiert habe, habe sie keine schriftliche Bestätigung erhalten, dass ihre Eltern auf der Warteliste stehen, sagt sie. Und auch auf Nachfragen keine Informationen über die voraussichtliche Wartezeit.
Ein Sprecher des Sozialministeriums in Baden-Württemberg erklärt, woran das liegt. „Als die Warteliste neu eingeführt worden war, hatten wir an einem einzigen Tag 305 000 Anrufer. Das ist für jede Hotline eine enorme Last.“Zurzeit arbeite die Regierung mit Hochdruck daran, allen 103 000 Personen, die aktuell auf der Warteliste stehen, einen Termin zu verschaffen. Wegen der Impfstoffknappheit könne man aber keine konkreten Angaben machen, wie lange das dauert. Die Mitarbeiter setzten aber alle Anrufer auf die Liste und bestätigen ihnen das mündlich. Schriftlich sei dies vonseiten des Systems nicht möglich. „Wir bitten um Geduld“, sagt der Sprecher.
Doch diese müssen die Menschen im Land nun schon seit Wochen aufbringen, bemängeln die B.’s. Das sorge für Frust. So auch bei Gabriele
Fränkel-Jungwirth, die zwei Wochen lang vergeblich versucht hat, einen Impftermin für ihre Mutter zu bekommen. „Ob online oder telefonisch – nichts hat geklappt“, erzählt sie. Dann sei sie durch Zufall auf die Impftermin-Ampel von „Schwaebische.de“aufmerksam geworden. Diese zeigt auf einen Blick, welche Impfzentren der Region zwischen Alb und Oberschwaben, Bodensee und Allgäu noch freie Termine zu vergeben haben.
Die Idee dazu hatte Jennifer Schuler, die selbst auf der schwierigen Suche nach einem Impftermin für ihre Schwiegergroßmutter war. Mittlerweile konnte sie dieser einen Termin für Anfang März verschaffen und ist erstaunt, wie viele positive Rückmeldungen es zu der Ampel gibt. „Da erreichen uns fast täglich E-Mails mit einem Dankeschön“, sagt sie. Auch
Fränkel-Jungwirth gelang es mithilfe der Ampel endlich, einen Impftermin für ihre Mutter zu bekommen – und das sogar in deren Heimatort.
Egon Hagmann gelang dank der Impfampel ebenfalls ein Erfolg: Er sicherte sich so Termine für seine Frau und zwei Bekannte. „Das hat alles schnell und reibungslos geklappt“, sagt er. „Da war ich natürlich sehr froh drüber.“Kein Glück hatten bislang die B.’s. Zudem fürchten Jutta und Klaus-Dieter B., dass die Ampeln das Rennen um einen Impftermin noch verstärken. „Die Ampeln sind sicher gut gemeint. Sie können leider das grundsätzlich falsche Verteilungssystem nicht verbessern“, resümieren die B.’s daher. Ihnen zufolge wäre es sinnvoller, Impftermine künftig per E-Mail, Brief oder Online-Formular zu beantragen. Nach einer Anmeldebestätigung könnte man die Termine gemäß der Bedürftigkeit und der Verfügbarkeit des Impfstoffs zuteilen. Dadurch könnten dann auch die Schwächsten und Ältesten zum Zug kommen, meinen sie.
Das Sozialministerium hält diese Idee allerdings für nicht umsetzbar. „Alle, die auf der Warteliste stehen, haben den gleichen Anspruch auf eine Impfung, wir können da nicht nach Bedürftigkeit unterscheiden“, erklärt der Sprecher.
Immerhin: Einige Verbesserungen bei der Terminvergabe hat das Land schon vorgenommen. So warten Anrufer nun im Schnitt nur eine halbe Minute in der Hotline, bis sie mit einem Mitarbeiter verbunden werden. „Jeder, der anruft, wird quasi unmittelbar an einen Ansprechpartner verbunden“, versichert der Sprecher. Zudem würden alle Wege der Terminvergabe ab sofort gleichermaßen bedient. Niemand müsse daher befürchten, dass alle Termine über Webseite und Hotline bereits weggeschnappt werden und am Ende keiner mehr zum Zug komme, im Gegenteil. „Temporär kann es auch mal sein, dass es über die Webseite weniger Termine zur freien Vergabe gibt, weil diese über die Warteliste vergeben werden“, sagt der Sprecher. Er garantiere aber, dass das Vergabesystem in etwa ausbalanciert werde.
Den B.’s käme eine schnelle Rückmeldung entgegen. „Es wäre wünschenswert, dass nicht alle, die für Eltern oder Großeltern einen Termin bekommen wollen, gezwungen werden, es immer und immer wieder zu versuchen“, sagen sie. Das zehre an den Kräften und verschwende kostbare Zeit.