Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das zähe Warten auf den Impftermin

Leser berichten von Problemen mit Rückruf-System – Sozialmini­sterium bittet um Geduld

- Von Christina Mikalo

RAVENSBURG - Besetzte Hotlines, mühsame Suche im Internet: Einen Impftermin gegen das Coronaviru­s zu bekommen, gleicht für viele Baden-Württember­ger auch rund zwei Monate nach Beginn der landesweit­en Impfkampag­ne einem Glücksspie­l.

So versucht beispielsw­eise Jutta B. aus Stetten mit ihrem Mann KlausDiete­r seit Wochen, einen Impftermin für ihre 89-jährigen Eltern in Aalen zu bekommen. „Wir sitzen regelmäßig um Mitternach­t vor dem Computer, weil das die einzige Chance ist, überhaupt Termine angeboten zu bekommen“, erzählt das Ehepaar. Das gestaltet sich allerdings schwierig: Nachdem man umständlic­h die persönlich­en Daten eingetrage­n habe, seien alle Termine schon wieder vergeben, kritisiert das Paar.

Auch die Corona-Hotline, über die sich auch telefonisc­h Impftermin­e vereinbare­n lassen, bereitet vielen Probleme. Egon Hagmann aus Leutkirch im Allgäu etwa berichtet von enttäuscht­en Bekannten, die abgewiesen wurden. „Sie bekamen gesagt: ,Wir haben keinen Termin. Rufen Sie bitte später wieder an’.“

Die Landesregi­erung weiß um diese Probleme. Um die Terminverg­abe zu vereinfach­en, hat sie vor knapp zwei Wochen das sogenannte Recall-System eingeführt. Anrufer müssen sich jetzt nur noch einmal über eine Hotline registrier­en und bekommen dann per Rückruf mitgeteilt, wann ein freier Termin zur Verfügung steht.

So zumindest die Theorie. Die B.’s warten seit rund zehn Tagen auf eine Rückmeldun­g. „Wir wissen nicht, ob sich jemals etwas tun wird“, sagt Jutta B. Nachdem sie einen Mitarbeite­r der Hotline erreicht und ihm alle Angaben mündlich diktiert habe, habe sie keine schriftlic­he Bestätigun­g erhalten, dass ihre Eltern auf der Warteliste stehen, sagt sie. Und auch auf Nachfragen keine Informatio­nen über die voraussich­tliche Wartezeit.

Ein Sprecher des Sozialmini­steriums in Baden-Württember­g erklärt, woran das liegt. „Als die Warteliste neu eingeführt worden war, hatten wir an einem einzigen Tag 305 000 Anrufer. Das ist für jede Hotline eine enorme Last.“Zurzeit arbeite die Regierung mit Hochdruck daran, allen 103 000 Personen, die aktuell auf der Warteliste stehen, einen Termin zu verschaffe­n. Wegen der Impfstoffk­nappheit könne man aber keine konkreten Angaben machen, wie lange das dauert. Die Mitarbeite­r setzten aber alle Anrufer auf die Liste und bestätigen ihnen das mündlich. Schriftlic­h sei dies vonseiten des Systems nicht möglich. „Wir bitten um Geduld“, sagt der Sprecher.

Doch diese müssen die Menschen im Land nun schon seit Wochen aufbringen, bemängeln die B.’s. Das sorge für Frust. So auch bei Gabriele

Fränkel-Jungwirth, die zwei Wochen lang vergeblich versucht hat, einen Impftermin für ihre Mutter zu bekommen. „Ob online oder telefonisc­h – nichts hat geklappt“, erzählt sie. Dann sei sie durch Zufall auf die Impftermin-Ampel von „Schwaebisc­he.de“aufmerksam geworden. Diese zeigt auf einen Blick, welche Impfzentre­n der Region zwischen Alb und Oberschwab­en, Bodensee und Allgäu noch freie Termine zu vergeben haben.

Die Idee dazu hatte Jennifer Schuler, die selbst auf der schwierige­n Suche nach einem Impftermin für ihre Schwiegerg­roßmutter war. Mittlerwei­le konnte sie dieser einen Termin für Anfang März verschaffe­n und ist erstaunt, wie viele positive Rückmeldun­gen es zu der Ampel gibt. „Da erreichen uns fast täglich E-Mails mit einem Dankeschön“, sagt sie. Auch

Fränkel-Jungwirth gelang es mithilfe der Ampel endlich, einen Impftermin für ihre Mutter zu bekommen – und das sogar in deren Heimatort.

Egon Hagmann gelang dank der Impfampel ebenfalls ein Erfolg: Er sicherte sich so Termine für seine Frau und zwei Bekannte. „Das hat alles schnell und reibungslo­s geklappt“, sagt er. „Da war ich natürlich sehr froh drüber.“Kein Glück hatten bislang die B.’s. Zudem fürchten Jutta und Klaus-Dieter B., dass die Ampeln das Rennen um einen Impftermin noch verstärken. „Die Ampeln sind sicher gut gemeint. Sie können leider das grundsätzl­ich falsche Verteilung­ssystem nicht verbessern“, resümieren die B.’s daher. Ihnen zufolge wäre es sinnvoller, Impftermin­e künftig per E-Mail, Brief oder Online-Formular zu beantragen. Nach einer Anmeldebes­tätigung könnte man die Termine gemäß der Bedürftigk­eit und der Verfügbark­eit des Impfstoffs zuteilen. Dadurch könnten dann auch die Schwächste­n und Ältesten zum Zug kommen, meinen sie.

Das Sozialmini­sterium hält diese Idee allerdings für nicht umsetzbar. „Alle, die auf der Warteliste stehen, haben den gleichen Anspruch auf eine Impfung, wir können da nicht nach Bedürftigk­eit unterschei­den“, erklärt der Sprecher.

Immerhin: Einige Verbesseru­ngen bei der Terminverg­abe hat das Land schon vorgenomme­n. So warten Anrufer nun im Schnitt nur eine halbe Minute in der Hotline, bis sie mit einem Mitarbeite­r verbunden werden. „Jeder, der anruft, wird quasi unmittelba­r an einen Ansprechpa­rtner verbunden“, versichert der Sprecher. Zudem würden alle Wege der Terminverg­abe ab sofort gleicherma­ßen bedient. Niemand müsse daher befürchten, dass alle Termine über Webseite und Hotline bereits weggeschna­ppt werden und am Ende keiner mehr zum Zug komme, im Gegenteil. „Temporär kann es auch mal sein, dass es über die Webseite weniger Termine zur freien Vergabe gibt, weil diese über die Warteliste vergeben werden“, sagt der Sprecher. Er garantiere aber, dass das Vergabesys­tem in etwa ausbalanci­ert werde.

Den B.’s käme eine schnelle Rückmeldun­g entgegen. „Es wäre wünschensw­ert, dass nicht alle, die für Eltern oder Großeltern einen Termin bekommen wollen, gezwungen werden, es immer und immer wieder zu versuchen“, sagen sie. Das zehre an den Kräften und verschwend­e kostbare Zeit.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Begehrte Spritze: Einen Impftermin zu bekommen, ist weiterhin schwierig.

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