Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Anna-Maria Wagner findet den Tunnel wieder

Judoka vom KJC Ravensburg gewinnt in Tel Aviv erste Grand-Slam-Goldmedail­le ihrer Karriere

- Von Michael Panzram

RAVENSBURG - Die Erleichter­ung durchfuhr Anna-Maria Wagner innerhalb von Sekundenbr­uchteilen. Als der Kampfricht­er im Finale des Grand Slams in Tel Aviv ihrer Gegnerin die dritte Verwarnung gab und damit das Duell zugunsten der Judoka vom KJC Ravensburg entschied, strahlte die 24-Jährige los. Und hörte gar nicht mehr auf damit. In diesem Moment endete für sie eine Durststrec­ke, die ziemlich genau ein Jahr gedauert hatte.

23. Februar 2020: Anna-Maria Wagner holt Bronze beim Grand Slam in Düsseldorf in der Klasse bis 78 Kilogramm und sichert sich dadurch wenig später ihr Ticket für die Olympische­n Spiele in Tokio. Danach folgen: lange Wettkampfp­ause wegen der Corona-Pandemie, kein Olympia, frühes Aus bei der EM in Prag im November, frühes Aus beim Masters in Doha im November.

20. Februar 2021: 363 Tage nach ihrem letzten Sieg bei einem großen internatio­nalen Turnier geht Wagner wieder als Gewinnerin von der Judomatte – gegen die Ukrainerin Anastasiya Turchyn in Runde zwei. Als sie diesen Punkt überwunden hat, scheint sie wie von einer Last befreit, besiegt Aleksandra Babinseva aus Russland im Viertelfin­ale, besiegt Audrey Theomeo aus Frankreich im Halbfinale, besiegt Fanny Estelle Posvite aus Frankreich und holt sich die Goldmedail­le. Und das erstmals in ihrer Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier.

„Auf das Finale bin ich unglaublic­h stolz“, sagt Wagner, nachdem sie Stunden später im Hotel angekommen ist. Gegen Posvite, immerhin die Nummer drei der Weltrangli­ste, habe sie, die vier Plätze dahinter gelistet ist, bisher immer verloren. „Mit der komme ich eigentlich überhaupt nicht klar. Aber wir hatten ein Konzept. Es ist unbeschrei­blich. Das ist so eine wichtige Medaille, gerade im Hinblick auf Tokio. Ich konnte zeigen, dass ich Gas geben kann, wenn es drauf ankommt“, sagt Wagner.

Gegen Posvite ist sie von Beginn an dominant, geht nach vorn, probiert viel, setzt die Französin unter Druck; doch in den vier regulären Kampfminut­en schafft sie keine Wertung. So muss die Verlängeru­ng entscheide­n, in der Wagner einfach weitermach­t, ihre Gegnerin immer wieder attackiert, nicht wackelt, nicht hadert, bis sich Posvite ihre dritte Verwarnung einfängt – und Wagner zu strahlen beginnt. In diesem Moment fällt alles ab, was sie viele Monaten belastet hat.

„Ich bin einfach nur überglückl­ich. Es war so ein hartes Jahr, es gab Höhen und Tiefen“, erinnert sie sich. Sie habe immer weiter trainiert. Das habe sich in Tel Aviv ausgezahlt. „Ich bin wieder drin“, lautet Wagners Fazit nach dem Erfolg in Israel. Sie habe „den Tunnel gefunden“, in den sie muss, um die volle Konzentrat­ion für den nächsten Kampf zu haben. Sie habe ihre Linie durchgehal­ten, die ganzen vier Kämpfe lang. „Es hat einfach alles geklappt“, freut sich AnnaMaria Wagner.

 ?? FOTO: IJFF MEDIA TEAM/BEN URBAN ?? Ein großer Moment: Anna-Maria Wagner nach ihrem Finalsieg beim Grand Slam in Tel Aviv.
FOTO: IJFF MEDIA TEAM/BEN URBAN Ein großer Moment: Anna-Maria Wagner nach ihrem Finalsieg beim Grand Slam in Tel Aviv.

Newspapers in German

Newspapers from Germany