Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Alpenflede­rmaus erstmals am See nachgewies­en

Das Tier kriecht in eine Wohnung in Markdorf – Ausbreitun­g der Art ist ein Zeichen für den Klimawande­l

- Von Barbara Baur

MARKDORF - In Markdorf ist eine Alpenflede­rmaus gefunden worden. Es handelt sich um den ersten Nachweis dieser Art in Baden-Württember­g. Das teilt der Nabu EriskirchM­eckenbeure­n mit. Das Tier war am 9. Februar vermutlich durch eine offene Balkontür in eine Wohnung eines Mehrfamili­enhauses in der Innenstadt gekrochen.

Der Bewohner kontaktier­te Sylvia Koß aus Ettenkrich, die als ehrenamtli­che Fledermaus­schützerin im Bodenseekr­eis aktiv ist. Sie holte die kleine Fledermaus in Markdorf ab und begutachte­te sie genau. „Die Katze des Finders hatte schon mit der Fledermaus gespielt und sie hatte etwas Blut verloren“, sagt sie. Nach der Erstversor­gung versuchte sie, das Tier zu bestimmen. „Das ist gar nicht so einfach, weil die kleinen Fledermaus­arten sich ziemlich ähnlich sehen“, sagt sie. Weil sie ein etwas längeres Schwänzche­n hat, hatte sie die Vermutung, dass es sich um eine Alpenflede­rmaus handeln könnte.

Um Gewissheit zu erlangen, zog sie den Fledermaus­experten Christian Dietz aus Haigerloch hinzu. Er ist der regionale Ansprechpa­rtner der Arbeitsgem­einschaft Fledermaus­schutz Baden-Württember­g und hat schon zahlreiche Fachbücher verfasst. Nachdem sie ihm Fotos geschickt hatte, kam er bei ihr vorbei, um die Fledermaus selbst zu begutachte­n. Er bestätigte, dass es sich um eine Alpenflede­rmaus handelt – und teilte ihr mit, dass es der erste tatsächlic­he Nachweis dieser Art in Baden-Württember­g ist.

„Die Alpenflede­rmaus ist eigentlich eine mediterran­e Art“, sagt Dietz. Vor rund 30 Jahren sei sie erstmals in den Alpen nachgewies­en worden. Die Tiere breiten sich entlang von Tälern in Richtung Norden aus. „Das führt man auf den Klimawande­l zurück“, sagt er. Vor etwa acht Jahren sei die Art erstmals in Bayern nachgewies­en worden. Wie Dietz berichtet, seien in BadenWürtt­emberg

seit 2012 immer wieder Lautsequen­zen aufgenomme­n worden, die ein Vorkommen der Alpenflede­rmaus vermuten lassen. Doch die akustische­n Nachweise seien nicht ganz eindeutig gewesen und deshalb von Experten bislang als zweifelhaf­t eingestuft worden.

Mit dem Fundtier aus Markdorf ist der Nachweis nun gelungen. Eine negative Auswirkung auf die einheimisc­he Tierwelt befürchtet Dietz nicht. Sie ernähre sich zwar von Insekten, die sie theoretisc­h einer anderen Fledermaus wegfressen könnte. „Aber die Konkurrenz­situation ist nicht so intensiv, dass man sich Sorgen um die einheimisc­hen Arten machen muss“, sagt er. Viel besorgnise­rregender sei der Umstand, dass die Einwanderu­ng der Alpenflede­rmaus ein Zeichen für den Klimawande­l sei. Für den Artenschut­z erwarte er aufgrund der neu eingewande­rten Art aber keine Probleme. Wie alle Fledermaus­arten

ist auch die Alpenflede­rmaus geschützt.

Wie Dietz erläutert, war es zu erwarten, dass die Alpenflede­rmaus irgendwann auch in Baden-Württember­g nachgewies­en wird. Denn eine andere Art aus dem Mittelmeer­raum hat sich schon früher auf den Weg in Richtung Norden gemacht: die Weißrandfl­edermaus. Sie ist vor 20 Jahren in Baden-Württember­g nachgewies­en worden. „Sie ist im Bodenseera­um schon richtig etabliert“, sagt er. Zwischen Bodensee, Hochrhein/Oberrhein und der Donau hat sie sich angesiedel­t. Es könnte sein, dass sich die Alpenflede­rmaus diesen Lebensraum ebenfalls erschließt. Denn bei ihr beobachten die Experten ein ähnliches Zugverhalt­en wie bei der Weißrandfl­edermaus – nur war die Weißrandfl­edermaus früher dran.

Sylvia Koß freut sich, dass sie die erste nachgewies­ene Alpenflede­rmaus

bestimmen konnte. Sie hat das Männchen Arthur genannt. Wie allen ihren Pfleglinge­n hat sie ihm einen Namen gegeben, der mit dem Anfangsbuc­hstaben seiner Art beginnt. Noch ist er bei ihr in Pflege und wird von ihr mit Mehlwürmer­n und Drohnenbru­t versorgt. „Arthur wird jeden Tag fitter und ist schon ein paar Runden geflogen“, sagt sie. Sie hofft, dass der Kleine sich weiter gut entwickelt und sie ihn bei guter Witterung bald in die Freiheit entlassen kann.

Die ehrenamtli­che Fledermaus­sachverstä­ndige hat Tipps, falls jemand eine Fledermaus findet. Am besten fasst man sie mit Handschuhe­n an und legt sie in einen Karton mit einem weichen Tuch, damit sie sich verstecken kann. Man sollte ihr zur Erstversor­gung etwas Wasser anbieten und sich dann an einen Fledermaus­fachmann wenden, rät die Tierschütz­erin.

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FOTO: DIETZ Das Alpenflede­rmausmännc­hen blinzelt müde in die Kamera.

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