Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Alpenfledermaus erstmals am See nachgewiesen
Das Tier kriecht in eine Wohnung in Markdorf – Ausbreitung der Art ist ein Zeichen für den Klimawandel
MARKDORF - In Markdorf ist eine Alpenfledermaus gefunden worden. Es handelt sich um den ersten Nachweis dieser Art in Baden-Württemberg. Das teilt der Nabu EriskirchMeckenbeuren mit. Das Tier war am 9. Februar vermutlich durch eine offene Balkontür in eine Wohnung eines Mehrfamilienhauses in der Innenstadt gekrochen.
Der Bewohner kontaktierte Sylvia Koß aus Ettenkrich, die als ehrenamtliche Fledermausschützerin im Bodenseekreis aktiv ist. Sie holte die kleine Fledermaus in Markdorf ab und begutachtete sie genau. „Die Katze des Finders hatte schon mit der Fledermaus gespielt und sie hatte etwas Blut verloren“, sagt sie. Nach der Erstversorgung versuchte sie, das Tier zu bestimmen. „Das ist gar nicht so einfach, weil die kleinen Fledermausarten sich ziemlich ähnlich sehen“, sagt sie. Weil sie ein etwas längeres Schwänzchen hat, hatte sie die Vermutung, dass es sich um eine Alpenfledermaus handeln könnte.
Um Gewissheit zu erlangen, zog sie den Fledermausexperten Christian Dietz aus Haigerloch hinzu. Er ist der regionale Ansprechpartner der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg und hat schon zahlreiche Fachbücher verfasst. Nachdem sie ihm Fotos geschickt hatte, kam er bei ihr vorbei, um die Fledermaus selbst zu begutachten. Er bestätigte, dass es sich um eine Alpenfledermaus handelt – und teilte ihr mit, dass es der erste tatsächliche Nachweis dieser Art in Baden-Württemberg ist.
„Die Alpenfledermaus ist eigentlich eine mediterrane Art“, sagt Dietz. Vor rund 30 Jahren sei sie erstmals in den Alpen nachgewiesen worden. Die Tiere breiten sich entlang von Tälern in Richtung Norden aus. „Das führt man auf den Klimawandel zurück“, sagt er. Vor etwa acht Jahren sei die Art erstmals in Bayern nachgewiesen worden. Wie Dietz berichtet, seien in BadenWürttemberg
seit 2012 immer wieder Lautsequenzen aufgenommen worden, die ein Vorkommen der Alpenfledermaus vermuten lassen. Doch die akustischen Nachweise seien nicht ganz eindeutig gewesen und deshalb von Experten bislang als zweifelhaft eingestuft worden.
Mit dem Fundtier aus Markdorf ist der Nachweis nun gelungen. Eine negative Auswirkung auf die einheimische Tierwelt befürchtet Dietz nicht. Sie ernähre sich zwar von Insekten, die sie theoretisch einer anderen Fledermaus wegfressen könnte. „Aber die Konkurrenzsituation ist nicht so intensiv, dass man sich Sorgen um die einheimischen Arten machen muss“, sagt er. Viel besorgniserregender sei der Umstand, dass die Einwanderung der Alpenfledermaus ein Zeichen für den Klimawandel sei. Für den Artenschutz erwarte er aufgrund der neu eingewanderten Art aber keine Probleme. Wie alle Fledermausarten
ist auch die Alpenfledermaus geschützt.
Wie Dietz erläutert, war es zu erwarten, dass die Alpenfledermaus irgendwann auch in Baden-Württemberg nachgewiesen wird. Denn eine andere Art aus dem Mittelmeerraum hat sich schon früher auf den Weg in Richtung Norden gemacht: die Weißrandfledermaus. Sie ist vor 20 Jahren in Baden-Württemberg nachgewiesen worden. „Sie ist im Bodenseeraum schon richtig etabliert“, sagt er. Zwischen Bodensee, Hochrhein/Oberrhein und der Donau hat sie sich angesiedelt. Es könnte sein, dass sich die Alpenfledermaus diesen Lebensraum ebenfalls erschließt. Denn bei ihr beobachten die Experten ein ähnliches Zugverhalten wie bei der Weißrandfledermaus – nur war die Weißrandfledermaus früher dran.
Sylvia Koß freut sich, dass sie die erste nachgewiesene Alpenfledermaus
bestimmen konnte. Sie hat das Männchen Arthur genannt. Wie allen ihren Pfleglingen hat sie ihm einen Namen gegeben, der mit dem Anfangsbuchstaben seiner Art beginnt. Noch ist er bei ihr in Pflege und wird von ihr mit Mehlwürmern und Drohnenbrut versorgt. „Arthur wird jeden Tag fitter und ist schon ein paar Runden geflogen“, sagt sie. Sie hofft, dass der Kleine sich weiter gut entwickelt und sie ihn bei guter Witterung bald in die Freiheit entlassen kann.
Die ehrenamtliche Fledermaussachverständige hat Tipps, falls jemand eine Fledermaus findet. Am besten fasst man sie mit Handschuhen an und legt sie in einen Karton mit einem weichen Tuch, damit sie sich verstecken kann. Man sollte ihr zur Erstversorgung etwas Wasser anbieten und sich dann an einen Fledermausfachmann wenden, rät die Tierschützerin.