Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gericht verhandelt sexuelle Übergriffe
Ein ehemaliger Auszubildender soll sich an Schutzbefohlenen vergangen haben.
SIGMARINGEN - Wegen sexueller Übergriffe und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen muss sich ein 28-jähriger Mann aus dem Landkreis Sigmaringen seit Dienstag vor dem Sigmaringer Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, sich während seiner Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher an einer geistig behinderten Jugendlichen und einer geistig behinderten Frau vergangen zu haben. Der Beschuldigte bestreitet die Taten, die sich im Frühjahr 2018 zugetragen haben sollen.
Wie Staatsanwalt Markus Engel berichtete, werden dem 28-Jährigen zwei Vorfälle zur Last gelegt. Demnach soll der Mann die Jugendliche geküsst sowie an der Brust und am Oberschenkel angefasst und gestreichelt haben. Wegen der geistigen Behinderung habe das Mädchen in diesem Moment aber nicht entscheiden können, ob es damit einverstanden ist, sagte Engel. Dem Angeklagten wiederum sei das egal gewesen.
Im zweiten Fall soll sich der Mann in seiner Freizeit mit einer damals 26-jährigen Klientin getroffen haben, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen. Wegen ihrer Intelligenzstörung habe die Frau nicht selbst über sexuelle Handlungen bestimmen können, sagte Markus Engel. Dennoch habe der Angeklagte sie dazu gebracht, ihn zu küssen und mit der Hand sexuell zu befriedigen.
Zum Prozessauftakt am Dienstag äußerte sich der Angeklagte selbst zu den Vorwürfen. Wie er aussagte, hatte er nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr bei einer sozialen Einrichtung im Landkreis Sigmaringen seine Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher angetreten. In einer sozialtherapeutischen Wohngruppe kam er mit der erwachsenen Klientin in Kontakt. Diese habe ihn in seiner Freizeit dreimal gezielt angesprochen, sagte der 28-Jährige. „Als sie beim dritten Mal an meiner Wohnungstür geklingelt hat, habe ich ihr eine Ansage verpasst: In meiner Freizeit will ich mit Klienten nichts zu tun haben.“Zu keiner Zeit habe die Frau seine Wohnung betreten.
Dass die Frau ihm heute einen sexuellen Übergriff vorwirft, erklärt sich der Mann mit Eifersucht. Im Februar 2019 sei er mit seiner jetzigen Freundin zusammengekommen, sagte er. Das habe die Klientin mitbekommen. Kurz darauf sei ihm der angebliche sexuelle Missbrauch vorgeworfen worden. „Das muss doch mit Eifersucht zu tun haben“, sagte der 28-Jährige. „Wie sonst kommt man ein Jahr später auf eine solche Idee?“
Auch dass er sich an der Jugendlichen vergangen haben soll, wies der Angeklagte entschieden zurück.
Das Mädchen habe die Freizeit damit verbracht, Sexgeschichten zu schreiben, sagte er. „Sie kichert darüber, das macht ihr Spaß.“Ein ehemaliger Arbeitskollege bestätigte diese Aussage. „Ganz kurioses Zeug“habe sich die Jugendliche ausgedacht, sagte er. So habe sie etwa Bilder von knutschenden Mitarbeitern der Einrichtung gemalt. Laut einer Sexualtherapeutin habe sie solche Dinge getan, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Eindeutig äußerte sich der Betreuer der Jugendlichen. Als diese ihm von dem Vorfall erzählt habe, habe sie gegrinst und gelacht, sagte er. „Das kann natürlich Unsicherheit gewesen sein, war aber wohl eher eines ihrer Spielchen, die sie immer mal wieder gespielt hat.“Mehrmals habe das Mädchen Dinge erzählt, die sich später als unwahr herausgestellt hätten. Die Jugendliche selbst begreife solche Vorkommnisse vermutlich aber nicht als Lüge, sondern eben als Spiel. „Sie hat das aufgebauscht“, sagte auch eine Mitarbeiterin der Einrichtung vor Gericht.
Der Staatsanwalt aber deutete an, dass die Aussagen des Mädchens möglicherweise zu leichtfertig als unbegründet abgetan wurden. „So ein Vorfall kann ja durchaus auch tatsächlich geschehen“, sagte Engel.
Für den Angeklagten haben die Anschuldigungen jedenfalls schon jetzt weitreichende Folgen: Ihm wurde nach den beiden Vorfällen gekündigt. Inzwischen hat er eine Ausbildung zum Verkäufer absolviert. „Für den Schutz der Klienten wird so viel getan. Aber wer schützt uns Mitarbeiter?“, fragte er. Mit Herzblut habe er den Beruf des Jugend- und Heimerziehers ergreifen wollen. „Aber diese Anschuldigungen haben mir so viel genommen – dabei war ich doch nur ein ganz normaler Azubi.“
Seine Lebensgefährtin, die vor Gericht als Zeugin aussagte, stand dem 28-Jährigen bei. „Er ist ein guter Mensch, ein guter Vater, ein guter Sohn“, sagte sie unter Tränen. „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er so etwas nicht macht.“
Die Verhandlung vor dem Sigmaringer Amtsgericht wird am Dienstag, 16. März, fortgesetzt.