Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ex-Saulgauerin sucht Zeitzeugen des Weltkriegs
Conny Scheck wohnt in den Niederlanden und will die Erinnerungen in einem Buch festhalten
BAD SAULGAU (mf) - Wer gegenwärtig in Deutschland lebt, hat Glück: Seit 76 Jahren herrscht hier Friede. Eine Zeitspanne, die in der von häufigen Kriegen heimgesuchten Vergangenheit wohl einmalig sein dürfte. Welches Leid der Zweite Weltkrieg den Menschen zugefügt, welchen Kampf ums Überleben er ihnen abverlangt hat, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Doch es gibt Seniorinnen und Senioren in Bad Saulgau und Umgebung, die den Krieg und die Nachkriegszeit noch selbst im damaligen Saulgau erlebt haben. Angesprochen sind auch Menschen, die als Geflüchtete nach Saulgau kamen. Dass sie sich erinnern und davon erzählen, wünscht sich die gebürtige Saulgauerin Conny Scheck. Sie möchte die Geschichten sammeln und in Form eines Buches herausgeben mit dem Ziel, diese für die Nachwelt zu bewahren. Das „Nicht- Vergessen“der jungen Menschen liegt ihr dabei besonders am Herzen: Erinnerung als Mahnung, wachsam zu sein und Kriege, Diskriminierung und Willkür nie wieder zuzulassen.
Conny Scheck ist in Saulgau aufgewachsen, wohnt jedoch seit mehr als 30 Jahren mit ihrem Mann in den Niederlanden. Die Idee, Kriegserinnerungen für die Nachwelt zu erhalten, hängt mit einer traurigen Begebenheit in ihrer Familiengeschichte zusammen. Wenige Monate vor Kriegsende verlor der junge Anton Schmid, ein Vetter ihrer Mutter Lore Scheck, geborene Schmid, bei einem Flugzeugabsturz über Holland sein Leben.
Wo genau zwei mit V1-Bomben bestückte deutsche Maschinen zusammenprallten, erfuhren Anton Schmids Familienangehörige erst im Jahr 2019. Junge Holländer, die mit ihrem inzwischen verstorbenen Vater schon seit Jahren die Absturzstelle per Metalldetektoren untersuchten, stießen auf Indizien, die Anton Schmid als Piloten des Flugzeugwracks auswiesen. Die jungen Männer waren von ihren Funden so beeindruckt, dass sie Nachforschungen anstellten, um Angehörige des Verunglückten zu finden. Sie interessierten sich für die Geschichte dieses Kriegsopfers, das nun einen Namen hatte. Die Anfrage ging auch an das Bad Saulgauer Stadtarchiv, wo Mary Gelder die Verwandtschaft mit Lore Scheck ausfindig machte. Um die Erinnerung an den sinnlosen Tod Anton Schmids, seiner Besatzung und der Abermillionen von Kriegsopfern wachzuhalten, wollen die jungen Holländer einen entsprechenden Gedenkstein gestalten.
Auch eine engagierte Arbeitsgruppe im Dörfchen Kekerdom, Conny Schecks jetziger Heimat, suchte nach Möglichkeiten, „Wider das Vergessen“zu wirken. Als Ergebnis ist das Buch „Kekerdom in bange dagen“entstanden, in dem Zeitzeugen erzählen, wie sie selbst, ihre Familie, ihre Freunde den Krieg und die deutsche Besatzung erlebt haben. Die Geschichten wurden durch entsprechende Fotos gestützt, wobei Conny Scheck für die Bild-Redaktion verantwortlich zeichnete. Die große Bereitschaft zur Mitarbeit vieler Kekerdomer Seniorinnen und Senioren und der Erfolg des niederländischen Buches hat die Ex-Saulgauerin bewogen, ein ähnliches Projekt auch in und für ihre Heimatstadt anzubieten.
Dazu hofft sie auf möglichst viele Bürger aus Bad Saulgau sowie dem Umland, die ihre großen und kleinen Geschichten zu Papier bringen. Wem dies nicht möglich ist, der kann seine Erinnerungen oder per Telefon weitergeben. Willkommen sind Fotos, Briefe und Dokumente dieser Zeit.