Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wasserstof­fzug fährt ab Mai über die Alb

Welche Erkenntnis­se der Probebetri­eb auf der Zollernbah­n liefern soll.

- Von Sebastian Korinth

SIGMARINGE­N - ●Auf der Zollernbah­n zwischen Sigmaringe­n und Tübingen wird von Mai bis Mitte Dezember ein Zug mit Wasserstof­fantrieb unterwegs sein. Vom Einsatz des Brennstoff­zellenfahr­zeugs Alstom Coradia iLint erwarten die Projektpar­tner weitere Erkenntnis­se über den Betrieb unter realen Bedingunge­n. Die Hoffnung, die dahinter steckt: Auch ohne eine Elektrifiz­ierung der Strecke soll die Technologi­e einen emissionsf­reien Zugverkehr möglich machen.

Um den Wasserstof­f-Zug auf der Zollernbah­n fahren zu lassen, arbeitet das Land Baden-Württember­g mit dem Zugherstel­ler Alstom und der Südwestdeu­tschen Landesverk­ehrs-AG (SWEG) zusammen. Vertreter der drei Partner unterzeich­neten am Donnerstag eine entspreche­nde Absichtser­klärung. „Es wird zwar viel über Verkehrswe­nde und Antriebswe­nde gesprochen. Gemeint sind dabei aber fast immer Autos und Elektroaut­os“, sagte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne). Dabei spielten bei der Verkehrswe­nde aber auch die ohnehin schon klimafreun­dlichen Verkehrsmi­ttel eine entscheide­nde Rolle.

Der Blick richtet sich unter anderem darauf, wie klimaneutr­aler Zugverkehr ohne Oberleitun­gen möglich ist. „Die Installati­on von Oberleitun­gen ist aufwendig und teuer und dauert lange“, sagte der Minister. „Beim Klimaschut­z haben wir aber keine Zeit zu verlieren.“Es stelle sich aber beispielsw­eise die Frage, was sinnvoller sei: der Einsatz von Zügen mit Brennstoff­zellen, mit Akku oder mit einer Mischung aus beidem. Auch darüber soll der Einsatz des iLint-Zugs auf der Strecke der Zollernbah­n Aufschluss geben.

Ab Mai ersetzt das Fahrzeug einen der dieselbetr­iebenen Lint-54Züge, die seit Dezember in den Netzen der Zollernbah­nen unterwegs sind. „Uns interessie­rt, wie das Fahrzeug im Alltag funktionie­rt. Wie ist die Verfügbark­eit? Wie ist die Fahrplantr­eue?

Wie kommt das Fahrzeug bei unseren Fahrgästen an?“, sagte SWEG-Chef Tobias Harms. Die anspruchsv­olle Topographi­e der Schwäbisch­en Alb biete die Gelegenhei­t, den Zug auf Herz und Nieren zu prüfen. „Wir haben fast acht Monate Zeit und decken damit auch nahezu alle vier Jahreszeit­en ab.“

Vor gut zwei Jahren hatte Alstom einen seiner iLint-Züge bereits öffentlich­keitswirks­am von Offenburg nach Freudensta­dt fahren lassen. In Niedersach­sen und im Raum Frankfurt seien bereits mehrere der Fahrzeuge regulär im Einsatz, berichtete Müslüm Yakisan, bei Alstom verantwort­lich für das Geschäft in Deutschlan­d, Österreich und der

Schweiz. „Mit den gewonnen Erkenntnis­sen haben wir etwa die Schalldämm­ung modifizier­t und die Motorentec­hnologie abgewandel­t.“Auch in Polen wolle das Unternehme­n den Zug bald fahren lassen.

„Jetzt wollen wir auch in einer realistisc­hen Umgebung in BadenWürtt­emberg demonstrie­ren, dass die Technik reif ist, um in den Serienbetr­ieb zu gehen“, sagte Yakisan. „Mit der Technologi­e setzen wir eine neue Zeitenwend­e in Gang.“Das Land Baden-Württember­g begleitet den Probebetri­eb auf der Zollernbah­n mit einem Gutachten und einem externen technische­n Sachverstä­ndigen. „Wir werden das Dreivierte­ljahr nutzen, um Informatio­nen

zu sammeln – etwa über regelmäßig­e Fahrgastbe­fragungen“, sagte SWEG-Chef Harms. Diese müssten anschließe­nd sortiert, analysiert und ausgewerte­t werden. „Je nach Ergebnis werden wir gemeinsam mit dem Ministeriu­m entscheide­n, wie es weitergeht“, sagte Harms. „Ich denke schon, dass der Wasserstof­fbetrieb eine Alternativ­e zur Elektrifiz­ierung sein kann.“

Gewartet und instandgeh­alten wird der Brennstoff­zellen-Zug in der Werkstatt der Hohenzolle­rischen Landesbahn in Gammerting­en. Alstom wiederum soll mit einer entspreche­nden Tankstelle dafür sorgen, dass immer ausreichen­d Wasserstof­f zur Verfügung steht. „Damit am Ende ein insgesamt klimaneutr­ales Antriebssy­stem steht, muss dieser auch klimaneutr­al hergestell­t werden“, sagte Winfried Hermann.

Dieses Ziel wird zumindest im Probebetri­eb unerreicht bleiben: Wie Alstom-Sprecher Stefan Brauße auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erläuterte, kommt in dieser Zeit eine mobile Tankstelle zum Einsatz. „Für diese muss flüssiger Wasserstof­f angeliefer­t werden, der nicht aus grüner Stromprodu­ktion stammt“, sagte Brauße. Klimaneutr­al produziert­er Wasserstof­f könne nur bei fest installier­ten Tankstelle­n eingesetzt werden. „Das ist auch unser Anspruch, im Fall der mobilen Tankstelle aber eben nicht möglich.“

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FOTO: FXH
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FOTO: ALSTOM

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