Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wasserstoffzug fährt ab Mai über die Alb
Welche Erkenntnisse der Probebetrieb auf der Zollernbahn liefern soll.
SIGMARINGEN - ●Auf der Zollernbahn zwischen Sigmaringen und Tübingen wird von Mai bis Mitte Dezember ein Zug mit Wasserstoffantrieb unterwegs sein. Vom Einsatz des Brennstoffzellenfahrzeugs Alstom Coradia iLint erwarten die Projektpartner weitere Erkenntnisse über den Betrieb unter realen Bedingungen. Die Hoffnung, die dahinter steckt: Auch ohne eine Elektrifizierung der Strecke soll die Technologie einen emissionsfreien Zugverkehr möglich machen.
Um den Wasserstoff-Zug auf der Zollernbahn fahren zu lassen, arbeitet das Land Baden-Württemberg mit dem Zughersteller Alstom und der Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG) zusammen. Vertreter der drei Partner unterzeichneten am Donnerstag eine entsprechende Absichtserklärung. „Es wird zwar viel über Verkehrswende und Antriebswende gesprochen. Gemeint sind dabei aber fast immer Autos und Elektroautos“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dabei spielten bei der Verkehrswende aber auch die ohnehin schon klimafreundlichen Verkehrsmittel eine entscheidende Rolle.
Der Blick richtet sich unter anderem darauf, wie klimaneutraler Zugverkehr ohne Oberleitungen möglich ist. „Die Installation von Oberleitungen ist aufwendig und teuer und dauert lange“, sagte der Minister. „Beim Klimaschutz haben wir aber keine Zeit zu verlieren.“Es stelle sich aber beispielsweise die Frage, was sinnvoller sei: der Einsatz von Zügen mit Brennstoffzellen, mit Akku oder mit einer Mischung aus beidem. Auch darüber soll der Einsatz des iLint-Zugs auf der Strecke der Zollernbahn Aufschluss geben.
Ab Mai ersetzt das Fahrzeug einen der dieselbetriebenen Lint-54Züge, die seit Dezember in den Netzen der Zollernbahnen unterwegs sind. „Uns interessiert, wie das Fahrzeug im Alltag funktioniert. Wie ist die Verfügbarkeit? Wie ist die Fahrplantreue?
Wie kommt das Fahrzeug bei unseren Fahrgästen an?“, sagte SWEG-Chef Tobias Harms. Die anspruchsvolle Topographie der Schwäbischen Alb biete die Gelegenheit, den Zug auf Herz und Nieren zu prüfen. „Wir haben fast acht Monate Zeit und decken damit auch nahezu alle vier Jahreszeiten ab.“
Vor gut zwei Jahren hatte Alstom einen seiner iLint-Züge bereits öffentlichkeitswirksam von Offenburg nach Freudenstadt fahren lassen. In Niedersachsen und im Raum Frankfurt seien bereits mehrere der Fahrzeuge regulär im Einsatz, berichtete Müslüm Yakisan, bei Alstom verantwortlich für das Geschäft in Deutschland, Österreich und der
Schweiz. „Mit den gewonnen Erkenntnissen haben wir etwa die Schalldämmung modifiziert und die Motorentechnologie abgewandelt.“Auch in Polen wolle das Unternehmen den Zug bald fahren lassen.
„Jetzt wollen wir auch in einer realistischen Umgebung in BadenWürttemberg demonstrieren, dass die Technik reif ist, um in den Serienbetrieb zu gehen“, sagte Yakisan. „Mit der Technologie setzen wir eine neue Zeitenwende in Gang.“Das Land Baden-Württemberg begleitet den Probebetrieb auf der Zollernbahn mit einem Gutachten und einem externen technischen Sachverständigen. „Wir werden das Dreivierteljahr nutzen, um Informationen
zu sammeln – etwa über regelmäßige Fahrgastbefragungen“, sagte SWEG-Chef Harms. Diese müssten anschließend sortiert, analysiert und ausgewertet werden. „Je nach Ergebnis werden wir gemeinsam mit dem Ministerium entscheiden, wie es weitergeht“, sagte Harms. „Ich denke schon, dass der Wasserstoffbetrieb eine Alternative zur Elektrifizierung sein kann.“
Gewartet und instandgehalten wird der Brennstoffzellen-Zug in der Werkstatt der Hohenzollerischen Landesbahn in Gammertingen. Alstom wiederum soll mit einer entsprechenden Tankstelle dafür sorgen, dass immer ausreichend Wasserstoff zur Verfügung steht. „Damit am Ende ein insgesamt klimaneutrales Antriebssystem steht, muss dieser auch klimaneutral hergestellt werden“, sagte Winfried Hermann.
Dieses Ziel wird zumindest im Probebetrieb unerreicht bleiben: Wie Alstom-Sprecher Stefan Brauße auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erläuterte, kommt in dieser Zeit eine mobile Tankstelle zum Einsatz. „Für diese muss flüssiger Wasserstoff angeliefert werden, der nicht aus grüner Stromproduktion stammt“, sagte Brauße. Klimaneutral produzierter Wasserstoff könne nur bei fest installierten Tankstellen eingesetzt werden. „Das ist auch unser Anspruch, im Fall der mobilen Tankstelle aber eben nicht möglich.“