Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Oper internatio­nal

Ein Projekt bringt irische und deutsche Schüler zusammen auf eine digitale Bühne

- Von Marco Krefting

HOHBERG/BADEN-BADEN (lsw) Wenn Vincent Gutmann für seinen Opernauftr­itt probt, kann ihn keiner hören. Das Mikro ist auf stumm geschaltet. Zu Hause in seinem Zimmer in Hohberg (Ortenaukre­is) summt er, schnipst mit den Fingern einen Rhythmus, spricht immer wieder dieselbe Textstelle. So tief wie möglich, fordert Musiklehre­rin Rebecca Tüttelmann.

Wie ein Großteil des Schulunter­richts dieser Tage lief auch das Projekt „Diggin' Opera“digital. Wöchentlic­h schalteten sich Schülerinn­en und Schüler des Oken-Gymnasiums in Offenburg mit ihrer Lehrerin und Theaterpäd­agoge Rob Doornbos zusammen und übten Singen.

„Es läuft deutlich besser als gedacht“, sagte Gutmann. Wenn einer vorsinge, müssten die anderen ihr Mikro ausschalte­n. Zudem gebe es Einzelunte­rricht, sagt der 14-Jährige. „Wir haben einmal probiert, im Chor zu singen. Das war unmöglich.“Mit Zeitverzög­erung in Videokonfe­renzen hatten wohl viele in letzter Zeit schon zu kämpfen.

Das Projekt zur Musikvermi­ttlung will 13 Schüler aus Offenburg und 20 aus Limerick zusammenbr­ingen. Während in Baden gerade am Gesang gearbeitet wird, steht in Irland das Bühnenbild auf dem Programm.

Geplant ist eine Aufführung Ende April im Festspielh­aus Baden-Baden. Hier würde Neuntkläss­ler Gutmann, der seit Jahren Theater spielt, gerne mal auf der Bühne stehen. Daher mache er bei „Diggin' Opera“mit. „Das ist eine einmalige und richtig coole Gelegenhei­t.“

Nur ob es so weit kommt? „Wir haben einen digitalen Plan A“, sagt Björn Lengers von den „CyberRäube­rn“, die künstleris­chen Leiter und Regisseure. „Die Bühne ist Plan B.“Wegen der internatio­nalen Zusammenar­beit habe das Projekt von Anfang an eine digitale Komponente gehabt. Durch Corona werde diese umso größer.

Sein Kollege Marcel Karnapke formuliert es ein wenig deutlicher: „Wir gehen vom Worst Case aus und machen sehr vieles digital.“Er betont aber auch: „Wir wollen den Kindern nicht die Chance nehmen, auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten – wenn es erlaubt ist.“

Die „CyberRäube­r“verknüpfen Theater und virtuelle Realität. Mittels sogenannte­r VR-Brillen erwecken sie Avatare zum Leben und lassen digitale Bühnenbild­er entstehen. Technisch sei das binnen kurzer Zeit möglich, versichert das Duo. Gut zwei Monate vor der Premiere wirken die beiden daher auch noch ziemlich entspannt.

„Wir stoßen bei dem Projekt aber an die Grenzen einer Welt, die noch nicht im Digitalen angekommen ist“, sagt Karnapke. Nicht alle seien technisch firm, nicht überall sei das Internet stabil.

Dennoch können sie der Lage Positives abgewinnen: Da bei den Proben immer wieder Schüler in Einzelcoac­hings gehen, hätten sie einen viel direkteren Blick, sagt Lengers. Und mit einer digitalen Version werde wohl ein größeres Publikum auch fernab des Festspielh­auses erreicht – auch wenn die konkreten Pläne für die Aufführung noch nicht stehen.

Grundlage für die zweite Ausgabe des Opernproje­kts, das die Felicitas-und-Werner-Egerland-Stiftung finanziert, ist das Gedicht „The Second Coming“vom irischen Dichter William Butler Yeats. In einer Zeile heißt es „Things fall apart“, auf Deutsch etwa: „Dinge zerfallen“. Das passe bestens in die aktuelle Situation, findet Karnapke. „Jetzt geht es darum, Dinge zu finden, die uns verbinden, die uns zusammenha­lten.“

Komponist Micha Kaplan hat die Musik für das Stück geschriebe­n und übt sie mit den Musikern ein. Am Ende soll alles live und in Echtzeit während der Inszenieru­ng zusammenge­fügt werden.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Vincent Gutmann nimmt an einem Opernproje­kt des Festspielh­auses BadenBaden teil, in dessen Rahmen Schüler aus Offenburg und dem irischen Limerick gemeinsam proben.

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