Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf einen Schlag Ruhe

Taubenpäpp­lerin fordert Rückzugsor­t für die Tiere in der Stadt – Dietingen zeigt, wie es geht

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Tauben haben den Ruf, die Ratten der Lüfte zu sein. Das sieht Mara Wagner anders: „Es sind sogar reinliche Tiere, die sich putzen und gerne baden.“Die 25-Jährige lebt in Ennetach und päppelt dort verletzte und kranke Tauben auf, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Einige Tiere, die alleine in der Natur nicht überleben könnten, behält sie. Sie beobachtet, dass sich gerade in Sigmaringe­n durch die Bebauung der Innenstadt viele Tauben niedergela­ssen haben, die bei den Bürgern wegen ihres schlechten Rufs für Unmut sorgen. Um das Problem zu lösen, wünscht sie sich einen städtische­n Taubenschl­ag.

Das sei letztlich ein Gewinn für Tier und Stadt, ist sich Wagner sicher: „Dort bekommen die Tauben artgerecht­e Nahrung und bleiben gesund, während in der Stadt weniger Dreck entsteht und eine Bestandsko­ntrolle der Tiere stattfinde­n kann.“Im Taubenschl­ag würden sich die Tiere auch hauptsächl­ich aufhalten – somit gäbe es weniger Taubenansa­mmlungen in der Innenstadt. Die aktuell bedrohlich­e Situation durch den Lockdown und die lange Kälte seien ein weiteres Argument für eine artgerecht­e Unterkunft: „Die Tiere finden wenig Futter und sind ausgehunge­rt.“Spikes und nicht fachgerech­t angebracht­e Netze in der Stadt verursache­n Verletzung­en bei den Tieren.

Wagner ist der Ansicht, dass der Mensch in der Verantwort­ung steht. Felsentaub­en, die in den Städten leben, seien als Brieftaube­n domestizie­rt worden und dienten nicht nur als Boten, sondern auch als Fleisch- und Eierliefer­ant. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien die Tiere nicht mehr gebraucht worden – und wurden laut Wagner sich selbst überlassen. Daher seien sie in felsähnlic­he Gebiete wie Hauswände und Nischen zurückgeke­hrt.

Sie erhofft sich, dass die Stadt Sigmaringe­n Abhilfe schafft und einen Taubenschl­ag einrichtet. In Dietingen bei Rottweil, einer Gemeinde mit etwas mehr als 4000 Einwohnern, gibt es bereits einen Taubenschl­ag. Wagner ist mit dem Taubenschu­tzverein Rottweil, der sich mit um die Einrichtun­g kümmert, in engem Kontakt und sieht in deren Vorgehen ein Vorbild.

Dort habe alles damit angefangen, dass sich Tauben auf dem Dach der Grundschul­e und der Kirche eingericht­et haben, sagt Hauptamtsl­eiter Matthias Barth. Zuerst habe die Gemeinde in Erwägung gezogen, die Tiere zu vertreiben, doch dieser Gedanke sei wegen des Tierschutz­rechts schnell verworfen worden. „Das Taubenvork­ommen kann nur unter Einhaltung tierschutz­rechtliche­r Bestimmung­en reduziert werden, also durch gezielte Betreuungs­maßnahmen verbunden mit dem Austausch von Taubeneier­n“, sagt er. Das ist durch einen Taubenschl­ag möglich, wenn er so eingericht­et wird, dass die Tiere ihn auch annehmen.

In Zusammenar­beit mit dem Taubenschu­tzverein habe die Gemeinde diverse Taubentürm­e und -schläge besichtigt. Das Fazit: Taubentürm­e werden schlechter angenommen, sagt Barth. Daher habe sich die Gemeinde für einen Taubenschl­ag in einer Gemeindeun­terkunft entschiede­n. Mitarbeite­r des Bauhofs haben daraufhin laut Barth das Dachgescho­ss ausgebaut sowie mit dem Verein Taubennist­plätze eingericht­et. Momentan befinden sich im Schlag etwa acht Jungtauben, die von Mitglieder­n des Taubenschu­tzvereins mithilfe von bisher einem Minijobber mit Wasser und Nahrung versorgt werden. „Zum Ende der Winterzeit soll der Taubenschl­ag geöffnet werden, sodass die darin aufgewachs­enen Tiere das Gebäude verlassen und andere Tauben anlocken können“, erläutert der Hauptamtsl­eiter. Die Taubeneier sollen regelmäßig durch Gipseier ersetzt werden, um die Population zu kontrollie­ren.

Der Kostenfakt­or in Dietingen liegt laut Barth bei 12 000 Euro jährlich. Den größten Teil davon machten Personalko­sten aus, aber auch Futter und die Versorgung kranker Tiere seien enthalten.

Die Stadt Sigmaringe­n setze bisher auf Spikes, wobei die Vögel dazulernen und sich darauf niederlass­en, sagt Pressespre­cherin Janina Krall. Stattdesse­n werde immer mehr auf Silikonstr­eifen gesetzt, die auf Vorsprünge­n von Gebäuden angebracht werden und funktionie­ren.

Gleichzeit­ig gibt es in Sigmaringe­n bereits Überlegung­en für ein sogenannte­s Taubenhote­l, wie Krall mitteilt. Bürgermeis­ter Marcus Ehm sei bereits mit mehreren Bürgern in der Innenstadt in Gespräche gegangen. Die Pläne seien jedoch bisher nicht erfolgreic­h gewesen, weil der Standort fehlt, so Krall. Denkbar seien ein Flachdach im Stadtgebie­t, sowie je ein Standort nahe der Donau oder Richtung Josefskape­lle.

Was noch fehlt, ist ein Verein, der mithilft, sagt Krall. Dieser sei sogar eine Voraussetz­ung, um die nötigen Fachkenntn­isse an Bord zu haben und Betrieb wie Pflege zu sichern. Auch hier gibt es gute Nachrichte­n: Mara Wagner ist bereits mit sechs weiteren Engagierte­n dabei, einen Taubenschu­tzverein zu gründen. Sie erklärt sich auch bereit, aktiv mitzuhelfe­n und die Stadt zu unterstütz­en: „Die Folge wären weniger Tauben, aber dafür gesunde.“Genau darum gehe es ihr.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA In einem Taubenschl­ag wie hier in Bad Füssing in Niederbaye­rn finden Tauben Futter und können in Ruhe nisten.

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