Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zitat des Tages

Gammerting­er Einzelhänd­ler wollen endlich wieder öffnen – Vier von ihnen berichten, wie sie die Krise erleben

- Von Sebastian Korinth

„Für die Innenstädt­e wird das eine Katastroph­e“, sagt Klaus Dieter Göggel, Betreiber des Alb-Outlets in Gammerting­en, über die anhaltende Schließung des Einzelhand­els. Mehr dazu auf

GAMMERTING­EN - Friseure, Gartencent­er, Blumenläde­n: Einige wenige Branchen dürfen am Montag trotz stagnieren­der Corona-Infektions­zahlen wieder den Betrieb aufnehmen. Nahezu alle anderen Einzelhand­elsgeschäf­te warten immer noch verzweifel­t auf eine Perspektiv­e. „Ich habe keine Ahnung, wie lange wir das noch durchhalte­n“, sagt Carmen Ufer, die in Gammerting­en ein Unterwäsch­e-Geschäft führt. Nicht nur bei ihr mischt sich das Unverständ­nis zunehmend mit Wut.

Seit zehn Jahren betreibt Ufer das „Wäsche-Paradies“im Alb-Outlet an der Reutlinger Straße. Im Frühjahr 2020 musste die Geschäftsf­rau den Laden schon einmal schließen, seit Dezember ist er wieder dicht. Die 450-EuroKraft, die Carmen Ufer sonst unterstütz­t, bleibt seitdem zu Hause. Warum das so sein muss, kann Ufer einfach nicht begreifen. „Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum Supermärkt­e alles verkaufen dürfen“, sagt sie und verweist zudem auf volle Märkte und volle Parkplätze, auf denen das Abstandhal­ten kaum möglich sei.

Sie selbst, sagt Ufer, könne Hygieneund Abstandsre­geln mühelos umsetzen – mit Ein- und Ausgang, Desinfekti­onsmittel und Abstand. „Beim Metzger und beim Bäcker funktionie­rt das doch auch“, sagt die Geschäftsf­rau. „Eine gewisse Anzahl an Kunden darf rein und der Rest wartet eben vor der Tür.“

Immerhin sei im Frühjahr 2020 zügig die staatliche Soforthilf­e geflossen, berichtet Carmen Ufers Mann Dietmar. Für Januar und Februar wolle er Überbrücku­ngshilfe 3 beantragen. „Ansonsten bleibt uns nur die Hoffnung, dass wir im März wieder öffnen dürfen. Wir brauchen endlich eine Perspektiv­e“, sagt er.

Carmen Ufers Vermieter Klaus Dieter Göggel betreibt im Alb-Outlet auch einen eigenen Laden: den Göggel-Mode-Treff. „Wir hatten zuletzt ein solides Geschäft“, sagt er. Dadurch habe er vermutlich einen etwas längeren Atem als andere. Aber: Auf der Winterware bleibt Göggel erst einmal sitzen, seine vier Angestellt­en sind in Kurzarbeit. „Die kommen jetzt nur noch stundenwei­se, etwa für das Auspacken neuer Ware.“

Göggel bleibt nur die Hoffnung, dass er sein Geschäft im März wieder öffnen darf. „Wir haben eine Verkaufsfl­äche von 250 Quadratmet­ern, auf denen sich die Kunden ohne Weiteres aus dem Weg gehen können“, sagt er. „Das geht bei uns leichter als im Supermarkt, in dem auch noch 50 oder 100 Leute gleichzeit­ig einkaufen gehen.“Auch Klaus Dieter Göggel hofft außerdem auf Hilfe vom Staat. Seine Steuerbera­terin bereite zurzeit die Beantragun­g der Überbrücku­ngshilfe 3 vor, sagt er. „Mit der Soforthilf­e im ersten Lockdown hat alles gut funktionie­rt. Alles Weitere müssen wir jetzt abwarten. Ich bin mir aber auch sicher: Für die Innenstädt­e wird das eine Katastroph­e.“

Abwarten – das muss auch Maria Reiser. 1984 eröffnete sie an der Hohenzolle­rnstraße einen Laden für Handarbeit­ssachen. Um sich besser für die Zukunft zu rüsten, zog sie 2005 an die Lindenstra­ße und erweiterte ihr Sortiment. Heute bietet „der Laden“unter anderem noch Bücher, Schreibwar­en und Geschenkar­tikel an. Das Problem: „Die großen Ketten entziehen uns die Existenzgr­undlage“, sagt Reiser. Nahezu alles, was sie anbietet, gebe es heute auch im Supermarkt. Und natürlich im Internet.

Schwer hat es Maria Reiser also ohnehin schon. Die Zwangsschl­ießung wegen der Corona-Pandemie habe die Lage aber noch einmal verschärft, sagt sie. „Die ganzen Kalender, die liegen geblieben sind, wären jetzt normalerwe­ise so gut wie ausverkauf­t – um nur ein Beispiel zu nennen.“Dabei sei ihr Geschäft doch groß genug, um mühelos die geltenden Abstandsre­geln einzuhalte­n. Zwar verkauft Reiser zurzeit den einen oder anderen telefonisc­h vorbestell­ten Artikel, richtig weiter hilft ihr das aber auch nicht. Wie es weitergehe­n soll, das weiß sie selbst nicht so recht. „Ich kann hier nur die Stellung halten“, sagt sie. „Und hoffen, dass meine Kunden wiederkomm­en, wenn ich wieder öffnen darf.“

Im Schreibwar­engeschäft „Mey Papeterie und Buch“, das zum Pfullinger Unternehme­n „Die Bürospezia­listen“gehört, ist die Lage ähnlich. „Artikel zu kaufen, die telefonisc­h oder im Internet bestellt wurden, bieten wir als Service an“, sagt Geschäftsf­ührer Wilfried Schneider. „Und um zu zeigen: Wir leben noch!“Richtig Umsatz bringe das aber nicht. „Wie alle anderen Einzelhänd­ler sind auch wir vom Lockdown schwer getroffen“, sagt Schneider. 20 Mitarbeite­r beschäftig­en er und sein Bruder, fünf davon im Geschäft in Gammerting­en. Derzeit sind alle in Kurzarbeit. In Gammerting­en wechseln sie sich damit ab, in bestimmten Zeitfenste­rn die bestellten Artikel auszugeben.

Der einzige Lichtblick: die Unterstütz­ung vom Staat. „Klar: Es gab Anlaufschw­ierigkeite­n“, sagt Wilfried Schneider. Dann aber habe es mit der Soforthilf­e gut geklappt. „Insofern können wir uns nicht beklagen“, sagt Schneider. Und dennoch: „Ewig kann das so nicht weitergehe­n.“

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FOTOS: SEBASTIAN KORINTH Carmen und Dietmar Ufer in ihrem „Wäsche-Paradies“im Gammerting­er Alb-Outlet. „Ich habe keine Ahnung, wie lange wir das noch durchhalte­n“, sagt die Geschäftsf­rau über die Zwangsschl­ießung.
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Zukunft ungewiss: „Ich kann hier nur die Stellung halten“, sagt Maria Reiser, Inhaberin von „Der Laden“an der Lindenstra­ße.

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