Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Zitat des Tages
Gammertinger Einzelhändler wollen endlich wieder öffnen – Vier von ihnen berichten, wie sie die Krise erleben
„Für die Innenstädte wird das eine Katastrophe“, sagt Klaus Dieter Göggel, Betreiber des Alb-Outlets in Gammertingen, über die anhaltende Schließung des Einzelhandels. Mehr dazu auf
GAMMERTINGEN - Friseure, Gartencenter, Blumenläden: Einige wenige Branchen dürfen am Montag trotz stagnierender Corona-Infektionszahlen wieder den Betrieb aufnehmen. Nahezu alle anderen Einzelhandelsgeschäfte warten immer noch verzweifelt auf eine Perspektive. „Ich habe keine Ahnung, wie lange wir das noch durchhalten“, sagt Carmen Ufer, die in Gammertingen ein Unterwäsche-Geschäft führt. Nicht nur bei ihr mischt sich das Unverständnis zunehmend mit Wut.
Seit zehn Jahren betreibt Ufer das „Wäsche-Paradies“im Alb-Outlet an der Reutlinger Straße. Im Frühjahr 2020 musste die Geschäftsfrau den Laden schon einmal schließen, seit Dezember ist er wieder dicht. Die 450-EuroKraft, die Carmen Ufer sonst unterstützt, bleibt seitdem zu Hause. Warum das so sein muss, kann Ufer einfach nicht begreifen. „Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum Supermärkte alles verkaufen dürfen“, sagt sie und verweist zudem auf volle Märkte und volle Parkplätze, auf denen das Abstandhalten kaum möglich sei.
Sie selbst, sagt Ufer, könne Hygieneund Abstandsregeln mühelos umsetzen – mit Ein- und Ausgang, Desinfektionsmittel und Abstand. „Beim Metzger und beim Bäcker funktioniert das doch auch“, sagt die Geschäftsfrau. „Eine gewisse Anzahl an Kunden darf rein und der Rest wartet eben vor der Tür.“
Immerhin sei im Frühjahr 2020 zügig die staatliche Soforthilfe geflossen, berichtet Carmen Ufers Mann Dietmar. Für Januar und Februar wolle er Überbrückungshilfe 3 beantragen. „Ansonsten bleibt uns nur die Hoffnung, dass wir im März wieder öffnen dürfen. Wir brauchen endlich eine Perspektive“, sagt er.
Carmen Ufers Vermieter Klaus Dieter Göggel betreibt im Alb-Outlet auch einen eigenen Laden: den Göggel-Mode-Treff. „Wir hatten zuletzt ein solides Geschäft“, sagt er. Dadurch habe er vermutlich einen etwas längeren Atem als andere. Aber: Auf der Winterware bleibt Göggel erst einmal sitzen, seine vier Angestellten sind in Kurzarbeit. „Die kommen jetzt nur noch stundenweise, etwa für das Auspacken neuer Ware.“
Göggel bleibt nur die Hoffnung, dass er sein Geschäft im März wieder öffnen darf. „Wir haben eine Verkaufsfläche von 250 Quadratmetern, auf denen sich die Kunden ohne Weiteres aus dem Weg gehen können“, sagt er. „Das geht bei uns leichter als im Supermarkt, in dem auch noch 50 oder 100 Leute gleichzeitig einkaufen gehen.“Auch Klaus Dieter Göggel hofft außerdem auf Hilfe vom Staat. Seine Steuerberaterin bereite zurzeit die Beantragung der Überbrückungshilfe 3 vor, sagt er. „Mit der Soforthilfe im ersten Lockdown hat alles gut funktioniert. Alles Weitere müssen wir jetzt abwarten. Ich bin mir aber auch sicher: Für die Innenstädte wird das eine Katastrophe.“
Abwarten – das muss auch Maria Reiser. 1984 eröffnete sie an der Hohenzollernstraße einen Laden für Handarbeitssachen. Um sich besser für die Zukunft zu rüsten, zog sie 2005 an die Lindenstraße und erweiterte ihr Sortiment. Heute bietet „der Laden“unter anderem noch Bücher, Schreibwaren und Geschenkartikel an. Das Problem: „Die großen Ketten entziehen uns die Existenzgrundlage“, sagt Reiser. Nahezu alles, was sie anbietet, gebe es heute auch im Supermarkt. Und natürlich im Internet.
Schwer hat es Maria Reiser also ohnehin schon. Die Zwangsschließung wegen der Corona-Pandemie habe die Lage aber noch einmal verschärft, sagt sie. „Die ganzen Kalender, die liegen geblieben sind, wären jetzt normalerweise so gut wie ausverkauft – um nur ein Beispiel zu nennen.“Dabei sei ihr Geschäft doch groß genug, um mühelos die geltenden Abstandsregeln einzuhalten. Zwar verkauft Reiser zurzeit den einen oder anderen telefonisch vorbestellten Artikel, richtig weiter hilft ihr das aber auch nicht. Wie es weitergehen soll, das weiß sie selbst nicht so recht. „Ich kann hier nur die Stellung halten“, sagt sie. „Und hoffen, dass meine Kunden wiederkommen, wenn ich wieder öffnen darf.“
Im Schreibwarengeschäft „Mey Papeterie und Buch“, das zum Pfullinger Unternehmen „Die Bürospezialisten“gehört, ist die Lage ähnlich. „Artikel zu kaufen, die telefonisch oder im Internet bestellt wurden, bieten wir als Service an“, sagt Geschäftsführer Wilfried Schneider. „Und um zu zeigen: Wir leben noch!“Richtig Umsatz bringe das aber nicht. „Wie alle anderen Einzelhändler sind auch wir vom Lockdown schwer getroffen“, sagt Schneider. 20 Mitarbeiter beschäftigen er und sein Bruder, fünf davon im Geschäft in Gammertingen. Derzeit sind alle in Kurzarbeit. In Gammertingen wechseln sie sich damit ab, in bestimmten Zeitfenstern die bestellten Artikel auszugeben.
Der einzige Lichtblick: die Unterstützung vom Staat. „Klar: Es gab Anlaufschwierigkeiten“, sagt Wilfried Schneider. Dann aber habe es mit der Soforthilfe gut geklappt. „Insofern können wir uns nicht beklagen“, sagt Schneider. Und dennoch: „Ewig kann das so nicht weitergehen.“