Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Lize muss G9 im Namen streichen
Schule tauft den neunjährigen Weg zum Abitur „Lize9“– Streit hinter den Kulissen
SIGMARINGEN - Gibt es an der Liebfrauenschule nun G9 oder nicht? Zwar können Schüler an der kirchlichen Schule in neun Jahren den Weg zum Abitur gehen, doch die Bezeichnung G9 muss die Liebfrauenschule streichen. Entschieden hat dies das Regierungspräsidium, wie Pressesprecher Stefan Meißner bestätigt.
Diesen Mittwoch in der Gemeinderatssitzung erkundigte sich Robert Lehn (Freie Wähler), welche Kriterien gelten, um einen G9-Zweig anzubieten. Das Gremiumsmitglied stach mit seiner Frage in ein Wespennest. Bürgermeister Marcus Ehm antwortete mit einem klaren Nein. „Die Liebfrauenschule hat keine Zulassung für G9.“Vielmehr sei die Umstellung der Schule eine Art der Werbung. Es sei zwar richtig, dass das Abitur an der Liebfrauenschule in neun Jahren gemacht werden könne, aber G9 sei das deshalb trotzdem nicht.
Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“ergaben, dass in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen ein Streit um den Vorstoß der Liebfrauenschule ausgetragen wurde. Die Schule bietet ab dem kommenden Schuljahr Fünftklässlern an, sich bereits bei der Anmeldung für den neunjährigen Weg zum Abitur zu entscheiden.
Den neuen Fünftklässlern wird garantiert, wenn sie sich fürs Aufbaugymnasium anmelden, dass sie geschlossen mit den anderen G9Schülern aufs Aufbaugymnasium wechseln, das es seit sieben Jahren an derselben Schule gibt. Bislang ist es so, dass Schüler sich in der sechsten Klasse für das Aufbaugymnasium entscheiden und dann wechseln mussten.
Die Berichterstattung in unserer Zeitung am 4. Februar hatte zur Folge, dass sich das Regierungspräsidium mit der Materie befasste. Wer die Tübinger Behörde darauf aufmerksam machte, ist nicht bekannt. Doch die Entscheidung fiel eindeutig aus. Der Pressesprecher Stefan Meißner sagt über die Begründung, warum sich das Lize nicht mehr G9-Schule nennen darf: „Es sind zwei Bildungsgänge, die miteinander verzahnt werden.“Bei einem reinrassigen neunjährigen Gymnasium, wie es im Kreis nur vom Störck-Gymnasium in Bad Saulgau angeboten wird, finde kein Wechsel vom einen zum anderen Bildungsgang statt, sondern der Zug sei durchgängig.
In der Folge musste das Lize seine Homepage umschreiben und Werbematerial ändern. Die Stadtverwaltung lehnte außerdem einen Beitrag ab, der im „Stadtspiegel“erscheinen sollte, mit dem Hinweis auf die Begrifflichkeit G9.
Der Erste Beigeordnete Manfred Storrer sagt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir möchten hier nicht griffelspitzerisch wirken, aber trotzdem müssen die Unterschiede zwischen G9 und dem Angebot der Liebfrauenschule klar benannt werden.“Storrer schickt noch hinterher: Die Stadt sei nicht an einem Streit interessiert, da sie froh sei, dass es in Sigmaringen mehrere Gymnasien gebe.
HZG-Schulleiter Martin Hoffmann über die G9-Debatte: „Ich möchte kein Öl in ein Feuer gießen, das sowieso schon da ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man in der Begrifflichkeit ehrlich sein muss.“
Aus Sicht von Hoffmann ist es richtig, dass die Liebfrauenschule dem Kind G9 nun einen anderen Namen geben muss. „Wir nennen das jetzt Lize9“, sagt Lize-Schulleiter Gerald Eisen. Es sei ein Streit ums Wort, kritisierte Gerhard Stumpp (Grüne) in der Gemeinderatssitzung: Die Liebfrauenschule sei ein Aufbaugymnasium, daher sei das möglich. „Es ist G9, heißt dort aber Lize9“, so Stumpp, der Lehrer am Lize ist. Ehm sei das durchaus bewusst, sagte er, blieb aber dabei, dass es sich nicht um G9 handelt.
Ob er die Kritik für gerechtfertigt hält? Auf diese Frage antwortet Gerald Eisen indirekt. Es gehe seiner Schule nicht darum, auf Kosten anderer Schulen mehr Schüler zu bekommen. Vielmehr wolle er den Schülern ein möglichst gutes Angebot machen – gerade jetzt in der Corona-Zeit, die vielen Schülern das Lernen erschwere. In einem guten Gespräch habe er Bürgermeister Ehm das so gesagt. „Zudem soll es die enge Kooperation mit dem HZG zum Wohle unserer Schüler weiter geben. Das ist mir extrem wichtig.“In bestimmten Fächern arbeiten beide Schulen zusammen.
Was sagt Eisen zu der Kritik an der Bezeichnung G9? Die Schule hält sich an die Vorgabe aus Tübingen, nachvollziehen könne er das nur bedingt. Er habe im Internet eine Reihe von Beispielen gefunden, nach denen staatliche Realschulen explizit mit G9 werben würden. Außerdem seien ihm Aussagen von Kultusministerin Susanne Eisenmann bekannt, nach denen sie gesagt haben soll: Baden-Württemberg brauche kein G9, weil das Land ja die Realschulen habe – und die Schüler über den Umweg der beruflichen Gymnasien das Abitur machen könnten. Die Links habe er nach Tübingen geschickt. Die Antwort, die er bekam, ist bekannt.