Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lize muss G9 im Namen streichen

Schule tauft den neunjährig­en Weg zum Abitur „Lize9“– Streit hinter den Kulissen

- Von Michael Hescheler und Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Gibt es an der Liebfrauen­schule nun G9 oder nicht? Zwar können Schüler an der kirchliche­n Schule in neun Jahren den Weg zum Abitur gehen, doch die Bezeichnun­g G9 muss die Liebfrauen­schule streichen. Entschiede­n hat dies das Regierungs­präsidium, wie Pressespre­cher Stefan Meißner bestätigt.

Diesen Mittwoch in der Gemeindera­tssitzung erkundigte sich Robert Lehn (Freie Wähler), welche Kriterien gelten, um einen G9-Zweig anzubieten. Das Gremiumsmi­tglied stach mit seiner Frage in ein Wespennest. Bürgermeis­ter Marcus Ehm antwortete mit einem klaren Nein. „Die Liebfrauen­schule hat keine Zulassung für G9.“Vielmehr sei die Umstellung der Schule eine Art der Werbung. Es sei zwar richtig, dass das Abitur an der Liebfrauen­schule in neun Jahren gemacht werden könne, aber G9 sei das deshalb trotzdem nicht.

Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“ergaben, dass in den vergangene­n Wochen hinter den Kulissen ein Streit um den Vorstoß der Liebfrauen­schule ausgetrage­n wurde. Die Schule bietet ab dem kommenden Schuljahr Fünftkläss­lern an, sich bereits bei der Anmeldung für den neunjährig­en Weg zum Abitur zu entscheide­n.

Den neuen Fünftkläss­lern wird garantiert, wenn sie sich fürs Aufbaugymn­asium anmelden, dass sie geschlosse­n mit den anderen G9Schülern aufs Aufbaugymn­asium wechseln, das es seit sieben Jahren an derselben Schule gibt. Bislang ist es so, dass Schüler sich in der sechsten Klasse für das Aufbaugymn­asium entscheide­n und dann wechseln mussten.

Die Berichters­tattung in unserer Zeitung am 4. Februar hatte zur Folge, dass sich das Regierungs­präsidium mit der Materie befasste. Wer die Tübinger Behörde darauf aufmerksam machte, ist nicht bekannt. Doch die Entscheidu­ng fiel eindeutig aus. Der Pressespre­cher Stefan Meißner sagt über die Begründung, warum sich das Lize nicht mehr G9-Schule nennen darf: „Es sind zwei Bildungsgä­nge, die miteinande­r verzahnt werden.“Bei einem reinrassig­en neunjährig­en Gymnasium, wie es im Kreis nur vom Störck-Gymnasium in Bad Saulgau angeboten wird, finde kein Wechsel vom einen zum anderen Bildungsga­ng statt, sondern der Zug sei durchgängi­g.

In der Folge musste das Lize seine Homepage umschreibe­n und Werbemater­ial ändern. Die Stadtverwa­ltung lehnte außerdem einen Beitrag ab, der im „Stadtspieg­el“erscheinen sollte, mit dem Hinweis auf die Begrifflic­hkeit G9.

Der Erste Beigeordne­te Manfred Storrer sagt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir möchten hier nicht griffelspi­tzerisch wirken, aber trotzdem müssen die Unterschie­de zwischen G9 und dem Angebot der Liebfrauen­schule klar benannt werden.“Storrer schickt noch hinterher: Die Stadt sei nicht an einem Streit interessie­rt, da sie froh sei, dass es in Sigmaringe­n mehrere Gymnasien gebe.

HZG-Schulleite­r Martin Hoffmann über die G9-Debatte: „Ich möchte kein Öl in ein Feuer gießen, das sowieso schon da ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man in der Begrifflic­hkeit ehrlich sein muss.“

Aus Sicht von Hoffmann ist es richtig, dass die Liebfrauen­schule dem Kind G9 nun einen anderen Namen geben muss. „Wir nennen das jetzt Lize9“, sagt Lize-Schulleite­r Gerald Eisen. Es sei ein Streit ums Wort, kritisiert­e Gerhard Stumpp (Grüne) in der Gemeindera­tssitzung: Die Liebfrauen­schule sei ein Aufbaugymn­asium, daher sei das möglich. „Es ist G9, heißt dort aber Lize9“, so Stumpp, der Lehrer am Lize ist. Ehm sei das durchaus bewusst, sagte er, blieb aber dabei, dass es sich nicht um G9 handelt.

Ob er die Kritik für gerechtfer­tigt hält? Auf diese Frage antwortet Gerald Eisen indirekt. Es gehe seiner Schule nicht darum, auf Kosten anderer Schulen mehr Schüler zu bekommen. Vielmehr wolle er den Schülern ein möglichst gutes Angebot machen – gerade jetzt in der Corona-Zeit, die vielen Schülern das Lernen erschwere. In einem guten Gespräch habe er Bürgermeis­ter Ehm das so gesagt. „Zudem soll es die enge Kooperatio­n mit dem HZG zum Wohle unserer Schüler weiter geben. Das ist mir extrem wichtig.“In bestimmten Fächern arbeiten beide Schulen zusammen.

Was sagt Eisen zu der Kritik an der Bezeichnun­g G9? Die Schule hält sich an die Vorgabe aus Tübingen, nachvollzi­ehen könne er das nur bedingt. Er habe im Internet eine Reihe von Beispielen gefunden, nach denen staatliche Realschule­n explizit mit G9 werben würden. Außerdem seien ihm Aussagen von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann bekannt, nach denen sie gesagt haben soll: Baden-Württember­g brauche kein G9, weil das Land ja die Realschule­n habe – und die Schüler über den Umweg der berufliche­n Gymnasien das Abitur machen könnten. Die Links habe er nach Tübingen geschickt. Die Antwort, die er bekam, ist bekannt.

 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA ?? G8 oder G9? Wie viele Jahre sollen sich die Schüler Zeit nehmen, um das Abitur zu machen? Nach dem Vorstoß der Liebfrauen­schule wird in Sigmaringe­n darüber lebhaft diskutiert.
FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA G8 oder G9? Wie viele Jahre sollen sich die Schüler Zeit nehmen, um das Abitur zu machen? Nach dem Vorstoß der Liebfrauen­schule wird in Sigmaringe­n darüber lebhaft diskutiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany