Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Ich bin bei den Jugendlichen nur zu Gast“
Als Streetworkerin der mobilen Jugendarbeit ist Dagmar Albrecht in Mengen unterwegs
MENGEN - Wenn Dagmar Albrecht mit ihrem Hund Henriette an der Mengener Ablach oder am Stadtgraben unterwegs ist, können die Reaktionen der Jugendlichen, die ihr begegnen, ganz unterschiedlich sein. Die Bandbreite reicht von einer freudigen Begrüßung und großem Redebedarf bis zum Straßenseitenwechsel oder Davonlaufen. „Das ist ganz normal“, sagt die Streetworkerin lachend. „Es gehört in der mobilen Jugendarbeit dazu, dass ich mich den jungen Menschen auf keinen Fall aufdränge.“Sie biete einfach ihr Ohr und ihre Unterstützung an und hoffe, dass die Jugendlichen sich bei Fragen oder Problemen an sie wenden.
Eineinhalb Jahre gehört Dagmar Albrecht schon zum Team der Jugendarbeit in Mengen. Sie ist bei der Mariaberger Ausbildungs- und Service gGmbH angestellt und im Auftrag der Stadt Mengen unterwegs. Im Gegensatz zur offenen Jugendarbeit, die im Jugendhaus im Mühlgässle stattfindet, gehören zur Zielgruppe von Albrecht die Jugendlichen, die sich andere Treffpunkte in der Stadt gesucht haben. „Dort schaue ich vorbei und versuche, Kontakte und Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen“, sagt sie. Dies geschehe zunächst zufällig und unverbindlich. „Ich spreche die Jugendlichen an, stelle mich vor und gebe ihnen eine Karte mit meinen Kontaktdaten“, sagt sie.
Läuft sie den Jugendlichen an einem anderen Tag wieder über den Weg, fragt sie, wie es ihnen geht oder lässt sich erzählen, was sie in ihrer Freizeit machen. „Das hat natürlich im vergangenen Jahr nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte“, bedauert sie. Durch die Beschränkungen der Corona-Verordnung und die Ausgangssperre hätten sich Cliquen nicht so treffen können, wie sie es gewohnt sind. „Wenn man sich draußen nur mit einer anderen Person treffen darf, verlagert sich alles mehr ins Private oder Versteckte“, sagt Albrecht. Deshalb entdecke sie auch immer neue Treffpunkte, die sie zu ihren Runden auf den Missionsberg, zu den Supermarktparkplätzen und Schulhöfen hinzufüge.
Wenn nichts dazwischen kommt, ist die Streetworkerin immer donnerstags zwischen 17.30 und 19 Uhr am Alten Fuchs anzutreffen. „Das wissen die Jugendlichen und können selbst entscheiden, ob sie mir an diesem Tag begegnen wollen oder nicht“, sagt sie. Mit den Jahren habe sie ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann die Jugendlichen mit sich selbst beschäftigt sind und ihre Anwesenheit unerwünscht ist. „Ich bin immer Gast bei den Jugendlichen und auf keinen Fall Vertreter einer Aufsichtsbehörde“, betont sie.
Alkohol- oder Drogenkonsum könne sie zwar ansprechen, aber nicht verbieten. „Möchte jemand eine Beratungsstelle aufsuchen, kann ich dabei helfen oder denjenigen begleiten.“Bewerbungen schreiben, eine Wohnung finden, Schuldenprobleme lösen oder bei einer Vorladung zur Polizei zu müssen – Dagmar Albrecht kann in diesen Situationen beraten und unterstützen. Vor allem, wenn das in der Familie der Jugendlichen nicht so gut funktioniert. „Ich bin dabei aber im Gegensatz zu Behörden parteiisch“, sagt sie. „Ich stehe auf der Seite des Jugendlichen und möchte für ihn oder sie das Beste.“Dies den Jugendlichen zu vermitteln, sei der wichtigste Punkt ihrer Arbeit.
Seit einem Jahr hat sie Henriette dabei. „Der Hund hat bei meinen Runden oft die Funktion eines Eisbrechers“, sagt sie. Über ihn komme sie ins Gespräch mit den Jugendlichen, aber auch mit anderen Menschen in der Stadt. Die Streetworkerin schätzt, dass es in Mengen etwa 30 bis 50 Jugendliche gibt, denen sie eine Hilfe sein könnte. „Das heißt aber nicht, dass ich die anderen links liegen lasse“, betont sie. „Je nach Entwicklung und Lebenssituation könnten sie auch Unterstützung brauchen. Und da ist es gut, wenn wir schon eine gewisse Beziehung zueinander aufgebaut haben und sie wissen, dass sie mich anrufen oder ansprechen können.“
Dass die Jugendlichen austesten, wie weit sie bei der Streetworkerin gehen können, gehöre auch dazu. „Da müssen auch Grenzen gezogen werden“, sagt Albrecht. Einladungen zu Bauwagen-Partys müsse sie ausschlagen und deutlich machen, dass nächtliche Anrufe nicht zielführend sind. Und wer vor seinen Freunden den coolen Typen markieren wolle, könne selbstverständlich später ein vertrauliches Gespräch mit ihr unter vier Augen ausmachen. Ideen, wie sie die Beziehungen zu den Jugendlichen vertiefen und ihre Anliegen auch gegenüber der Stadt und ihren Einwohnern vertreten kann, hätte Dagmar Albrecht genug. „Ich hoffe, dass die Corona-Verordnung bald wieder mehr Aktivitäten erlaubt“, sagt sie.
„Der Hund hat bei meinen Runden oft die Funktion eines Eisbrechers.“