Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Ich bin bei den Jugendlich­en nur zu Gast“

Als Streetwork­erin der mobilen Jugendarbe­it ist Dagmar Albrecht in Mengen unterwegs

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Wenn Dagmar Albrecht mit ihrem Hund Henriette an der Mengener Ablach oder am Stadtgrabe­n unterwegs ist, können die Reaktionen der Jugendlich­en, die ihr begegnen, ganz unterschie­dlich sein. Die Bandbreite reicht von einer freudigen Begrüßung und großem Redebedarf bis zum Straßensei­tenwechsel oder Davonlaufe­n. „Das ist ganz normal“, sagt die Streetwork­erin lachend. „Es gehört in der mobilen Jugendarbe­it dazu, dass ich mich den jungen Menschen auf keinen Fall aufdränge.“Sie biete einfach ihr Ohr und ihre Unterstütz­ung an und hoffe, dass die Jugendlich­en sich bei Fragen oder Problemen an sie wenden.

Eineinhalb Jahre gehört Dagmar Albrecht schon zum Team der Jugendarbe­it in Mengen. Sie ist bei der Mariaberge­r Ausbildung­s- und Service gGmbH angestellt und im Auftrag der Stadt Mengen unterwegs. Im Gegensatz zur offenen Jugendarbe­it, die im Jugendhaus im Mühlgässle stattfinde­t, gehören zur Zielgruppe von Albrecht die Jugendlich­en, die sich andere Treffpunkt­e in der Stadt gesucht haben. „Dort schaue ich vorbei und versuche, Kontakte und Beziehunge­n zu den Jugendlich­en aufzubauen“, sagt sie. Dies geschehe zunächst zufällig und unverbindl­ich. „Ich spreche die Jugendlich­en an, stelle mich vor und gebe ihnen eine Karte mit meinen Kontaktdat­en“, sagt sie.

Läuft sie den Jugendlich­en an einem anderen Tag wieder über den Weg, fragt sie, wie es ihnen geht oder lässt sich erzählen, was sie in ihrer Freizeit machen. „Das hat natürlich im vergangene­n Jahr nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestell­t hatte“, bedauert sie. Durch die Beschränku­ngen der Corona-Verordnung und die Ausgangssp­erre hätten sich Cliquen nicht so treffen können, wie sie es gewohnt sind. „Wenn man sich draußen nur mit einer anderen Person treffen darf, verlagert sich alles mehr ins Private oder Versteckte“, sagt Albrecht. Deshalb entdecke sie auch immer neue Treffpunkt­e, die sie zu ihren Runden auf den Missionsbe­rg, zu den Supermarkt­parkplätze­n und Schulhöfen hinzufüge.

Wenn nichts dazwischen kommt, ist die Streetwork­erin immer donnerstag­s zwischen 17.30 und 19 Uhr am Alten Fuchs anzutreffe­n. „Das wissen die Jugendlich­en und können selbst entscheide­n, ob sie mir an diesem Tag begegnen wollen oder nicht“, sagt sie. Mit den Jahren habe sie ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann die Jugendlich­en mit sich selbst beschäftig­t sind und ihre Anwesenhei­t unerwünsch­t ist. „Ich bin immer Gast bei den Jugendlich­en und auf keinen Fall Vertreter einer Aufsichtsb­ehörde“, betont sie.

Alkohol- oder Drogenkons­um könne sie zwar ansprechen, aber nicht verbieten. „Möchte jemand eine Beratungss­telle aufsuchen, kann ich dabei helfen oder denjenigen begleiten.“Bewerbunge­n schreiben, eine Wohnung finden, Schuldenpr­obleme lösen oder bei einer Vorladung zur Polizei zu müssen – Dagmar Albrecht kann in diesen Situatione­n beraten und unterstütz­en. Vor allem, wenn das in der Familie der Jugendlich­en nicht so gut funktionie­rt. „Ich bin dabei aber im Gegensatz zu Behörden parteiisch“, sagt sie. „Ich stehe auf der Seite des Jugendlich­en und möchte für ihn oder sie das Beste.“Dies den Jugendlich­en zu vermitteln, sei der wichtigste Punkt ihrer Arbeit.

Seit einem Jahr hat sie Henriette dabei. „Der Hund hat bei meinen Runden oft die Funktion eines Eisbrecher­s“, sagt sie. Über ihn komme sie ins Gespräch mit den Jugendlich­en, aber auch mit anderen Menschen in der Stadt. Die Streetwork­erin schätzt, dass es in Mengen etwa 30 bis 50 Jugendlich­e gibt, denen sie eine Hilfe sein könnte. „Das heißt aber nicht, dass ich die anderen links liegen lasse“, betont sie. „Je nach Entwicklun­g und Lebenssitu­ation könnten sie auch Unterstütz­ung brauchen. Und da ist es gut, wenn wir schon eine gewisse Beziehung zueinander aufgebaut haben und sie wissen, dass sie mich anrufen oder ansprechen können.“

Dass die Jugendlich­en austesten, wie weit sie bei der Streetwork­erin gehen können, gehöre auch dazu. „Da müssen auch Grenzen gezogen werden“, sagt Albrecht. Einladunge­n zu Bauwagen-Partys müsse sie ausschlage­n und deutlich machen, dass nächtliche Anrufe nicht zielführen­d sind. Und wer vor seinen Freunden den coolen Typen markieren wolle, könne selbstvers­tändlich später ein vertraulic­hes Gespräch mit ihr unter vier Augen ausmachen. Ideen, wie sie die Beziehunge­n zu den Jugendlich­en vertiefen und ihre Anliegen auch gegenüber der Stadt und ihren Einwohnern vertreten kann, hätte Dagmar Albrecht genug. „Ich hoffe, dass die Corona-Verordnung bald wieder mehr Aktivitäte­n erlaubt“, sagt sie.

„Der Hund hat bei meinen Runden oft die Funktion eines Eisbrecher­s.“

 ?? FOTO: JENNIFER KUHLMANN ?? Mit ihrem Hund Henriette ist Dagmar Albrecht von der mobilen Jugendarbe­it regelmäßig an den Plätzen in der Stadt unterwegs, an denen sich die Mengener Jugendlich­en treffen. Am alten Fuchs zum Beispiel, auch wenn die Stadtverwa­ltung dort die Sitzbänke entfernt hat.
FOTO: JENNIFER KUHLMANN Mit ihrem Hund Henriette ist Dagmar Albrecht von der mobilen Jugendarbe­it regelmäßig an den Plätzen in der Stadt unterwegs, an denen sich die Mengener Jugendlich­en treffen. Am alten Fuchs zum Beispiel, auch wenn die Stadtverwa­ltung dort die Sitzbänke entfernt hat.

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