Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bereit für den großen Sprung
Skispringer Karl Geiger möchte bei seiner Heim-WM auftrumpfen
OBERSTDORF - Es gibt nicht viele Athleten, die an einer Weltmeisterschaft in ihrem Heimatort teilnehmen dürfen. Karl Geiger hat dieses Privileg bereits zum zweiten Mal. Bei den Titelkämpfen 2005 wirkte er als Zwölfjähriger bei der Eröffnungsfeier mit. „Ich durfte als Fahnenkind die Fahne von Kasachstan tragen“, erinnert er sich, „obwohl man natürlich viel lieber die deutsche gehabt hätte.“16 Jahre später war Geiger wieder bei der Eröffnungsfeier dabei. Dieses Mal als Sportler in der offiziellen Kleidung des Deutschen Skiverbandes mit dem Bundesadler auf dem linken Ärmel.
„In Oberstdorf bin ich tief verwurzelt – da bin ich geboren, da bin ich aufgewachsen“, sagt Karl Geiger über die südlichste Gemeinde Deutschlands, seine Heimatgemeinde. Und so gibt der 28 Jahre alte Skispringer auch ohne Umschweife zu: „Heimweh nach Oberstdorf habe ich im Winter des Öfteren. Ich bin viel unterwegs. Wenn ich wieder nach Hause komme und die Bergkulisse vor mir aufsteigen sehe, dann geht mir das Herz auf und ich merke, wo ich daheim bin und wie schön ich es daheim habe.“Seit dem vergangenen
September gefällt es ihm zu Hause noch ein wenig besser. Natürlich hat er in Oberstdorf seine Freundin Franziska geheiratet. Seit Dezember vervollständigt Tochter Luisa die junge Familie.
An welchen Orten hält sich der Skiflug-Weltmeister am liebsten auf ? Auf Platz eins seiner persönlichen Rangliste steht das Schattenbergstadion. „Dort praktiziere ich das, was ich am liebsten mache: Skispringen“, sagt der Ingenieur der Energie- und Umwelttechnik. Mit einem Leuchten in den Augen denkt er an seine Kinderzeit zurück: „Ich kann mich noch bestens an die Siege von Martin Schmitt erinnern, der zwischen 1998 und 2000 dreimal hintereinander den Tourneeauftakt gewonnen hat.“Am 29. Dezember 2020 triumphierte Geiger schließlich selbst auf der Schanze, auf der auch bei den Weltmeisterschaften die Medaillen vergeben werden. „Unglaublich, ich habe den Heimsieg realisiert, den ich mir immer erträumt habe.“Dabei, verrät er, liege ihm der große Bakken eigentlich gar nicht so sehr.
Direkt über den Auslauf der Schanzenanlage führt die Seilbahn hinauf auf den Oberstdorfer Hausberg Nebelhorn. „Den Ausblick vom Gipfel finde ich extrem schön“, beschreibt er den Blick. Im Winter gehe er dort gerne zum Skifahren. „Weil die Pisten relativ steil und sehr anspruchsvoll sind, sind nicht ganz so viele Leute dort.“Genauso gerne macht er sich im Sommer auf den Weg auf den 2224 Meter hohen Gipfel. Mit seinem Gleitschirm im Rucksack. „Beim Paragliden bekomme ich den Kopf frei, denn ich bin komplett allein in den Bergen, kann mit der Luft spielen“, beschreibt er seine Gefühle. Angestiftet zu diesem Hobby hat ihn sein Vater Roman.
Nicht bei jeder Freizeitbeschäftigung
hebt der bodenständige Allgäuer ab. Ganz im Gegenteil. Gerne unternimmt er ausgiebige Radtouren in die verschiedenen Täler und hoch auf die Berge. Manchmal wählt er auch die kurze Variante hinüber zum Freibergsee. „Meine Familie hat dort schon seit Generationen eine Hütte“, erzählt er. Im Sommer lege er sich dann gerne gemütlich an den See, um die Seele baumeln zu lassen und Kraft zu tanken. Sein Blick trifft dann auch auf den langen Anlaufturm der Heini-Klopfer-Flugschanze.
Doch Karl Geiger kann auch gemütlich. Oberhalb seines Elternhauses liegt der Moorweiher. „Um ihn gehe ich gerne abends mit meiner Frau Franziska, und im Sommer dann auch mit meiner Tochter Luisa, eine kleine Runde spazieren.“Von dem kleinen Plateau, auf dem der Weiher liegt, „kann man toll den Sonnenuntergang beobachten“.
Egal über welche Plätze seiner Heimat Karl Geiger erzählt, er kommt richtiggehend ins Schwärmen. „Ich darf da leben, wo andere Urlaub machen“, beschreibt er seine privilegierte Situation. Gekrönt würde dies noch, wenn er eine sportlich erfolgreiche Weltmeisterschaft erleben könnte. Am besten mit einem WM-Titel.