Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Guter Burger, böser Burger

Als Chef von McDonald’s Österreich war Harald Sükar selbst süchtig nach Big Mäc & Co. – Jetzt hat er ein Diät-Buch darüber geschriebe­n, wie man mit „gutem“Fastfood schlank wird

- Von Erich Nyffenegge­r

Es klingt kein bisschen ironisch, wenn Harald Sükar im Telefonint­erview sagt: „Nein, ich glaube, beliebt bin ich nicht bei denen.“Gemeint sind die FastfoodKo­nzerne, allen voran McDonald’s. Denn in den Jahren 2004 bis 2006 war Sükar an der Spitze der BurgerKett­e sozusagen der alpenländi­sche Prophet von Big Mäc und Chicken McNuggets. In Zeitungsbe­richten aus diesen Jahren kann man nachlesen, dass Harald Sükar selbst zeitweise nur noch Big Mäc genannt wurde – und mit dieser Bezeichnun­g auch gar kein Problem hatte. Heute lässt der 58-Jährige kein gutes Haar mehr an jener Branche, der er inzwischen mit Inbrunst vorwirft, dass sie Menschen gezielt mit Zucker, Fett und Salz süchtig und krank mache, um auf Kosten der Gesundheit­ssysteme Milliarden zu verdienen. So befasst sich sein literarisc­hes Erstlingsw­erk – das 2019 erschienen­e Buch „Die Fast Food Falle“– genau mit diesem Thema.

Und nun also die „Fast Food Diät“. Ein kompakter Band mit 224 Seiten, auf denen Sükar seinen Selbstvers­uch ausbreitet, wie er probiert, mit Fastfood abzunehmen. 40 Tage mit nichts als Pizza, Hamburger und Döner. Allerdings führen Titel und Buchcover in die Irre, suggeriert beides doch, dass der Weg zum schlanken Körper über die Verkaufssc­hlager von Burger King, McDonald’s und Co. führt. „Es ist eine Frage der Definition“, erklärt Sükar. Meint man mit Fastfood die permanente und schnelle Verfügbark­eit des fetten, salzigen und süßen Essens in den einschlägi­gen Restaurant­s? Oder sind es die Speisen wie Burger und Pizza selbst, die sich auch anders und vor allem gesünder zubereiten ließen? Sükars tatsächlic­her Ansatz im Buch ist es dann auch, zum Beispiel einen Hamburger mit gesunden Lebensmitt­eln nachzubaue­n. Aus seiner Sicht immer noch Fastfood, aber ohne die typischen negativen Begleiters­cheinungen.

Sükar erklärt: „Ich habe meine kulinarisc­hen Wurzeln in der Hausmannsk­ost.“Groß geworden sei er mit Kartoffeln und Brot. Sterneküch­en-Brimborium liege ihm nicht. Auch im Buch stellt sich Sükar als eher eindimensi­onaler Esser dar, der es lieber schlicht mag. So schlicht wie ein Hamburger-Menü oder einen Döner „mit allem und scharf“. Fastfood-Junkie, das sei er auch nach seiner McDonald’sKarriere geblieben. Bis heute. Und bis zu seinem Florida-Urlaub damals, 2017. Den Harald Sükar mittlerwei­le als den Schlüsselm­oment für die Wende in seinem Leben angibt. Sozusagen als Erweckungs­erlebnis, das ihn vom Saulus zum Paulus hat werden lassen. „Damals war ich am Negativpun­kt meiner körperlich­en Misere angekommen.“Er habe zum ersten Mal richtig nachdenken können, fernab von allem. Bei einer Körpergröß­e von 1,77 Metern und einem Gewicht von 111 Kilo sei in ihm die Erkenntnis gereift, dass das schnelle Essen, wie von ihm selbst über Jahren propagiert und verkauft, womöglich doch nicht so toll sei.

Wie glaubhaft das ist, dass ein erfolgreic­her McDonald’s-Manager jahrelang unwissentl­ich selbst in die Falle tappt, die er seinen Gästen während der Karriere als FastfoodBo­ss systematis­ch gestellt hat, muss jeder für sich selbst entscheide­n. Harald Sükar jedenfalls gibt an, er habe die typische Argumentat­ion seines ehemaligen Arbeitgebe­rs nicht nur nach außen, sondern auch für sich selbst total verinnerli­cht. Der argumentat­ive Dreiklang lautet bis heute: Niemand wird gezwungen, das Zeug zu essen. Wer nur genügend Sport macht, bleibt gesund und schlank. Man bietet ja auch gesunde

Säfte und Salat sowie Mineralwas­ser an.

Bloß: „McDonald’sWerbung für Wasser und Obst habe ich noch nie gesehen“, sagt der Ex-Manager.

Noch in Florida habe

Sükar damit begonnen, eine Ernährungs­studie nach der anderen zu lesen und sich ins Thema zu vertiefen. Und zwar nach eigenen Angaben derart, dass „es schnell zu einer Manie“bei ihm wurde. Einer, mit der er bald Familie und Freunde genervt habe. Bis jemand schließlic­h den Satz gesagt habe: „Schreib halt ein Buch darüber!“So sei „Die Fast Food Diät“letztlich entstanden. „Grundsätzl­ich geht es mir darum, dass man das schlechte Gewissen bei Fastfood ablegen kann“, erklärt Sükar. Das schlechte mit einem guten Gewissen zu ersetzen, sei das Ziel.

Der Selbstvers­uch, der im vorigen Sommer mit einem Startgewic­ht von 96 Kilo stattgefun­den hat, ist angelehnt an ein Experiment, das der amerikanis­che Filmemache­r Morgan Spurlock bereits 2004 fürs Kino inszeniert­e. In dem Streifen „Supersize me“ernährt sich Spulock über einen Zeitraum von 30 Tagen ausschließ­lich von möglichst gigantisch­en FastfoodPo­rtionen und dokumentie­rt dabei, wie er zunimmt, wie es ihm körperlich immer schlechter geht und wie seine Blutwerte in Rekordgesc­hwindigkei­t den Bach runtergehe­n – sein Blutdruck dafür rasant ansteigt. Harald Sükar macht es mit „Die Fast Food Diät“gerade andersheru­m, wobei sein Gesundheit­szustand zu Beginn der Kur nicht dramatisch schlecht ist, sondern „altersgemä­ß“, wie es im Buch heißt. Das erste Drittel des Bandes ist eine Mischung aus Klagelied gegen die „Perfekte Sucht-Maschine“Fastfood-Branche und allgemeing­ültigen Weisheiten über Nahrungsmi­ttel, wie sie in regelmäßig­en Abständen auch in der „Apotheken-Umschau“zu finden sind. Kurz zusammenge­fasst wird wie in tausend anderen Büchern auch kohlenhydr­atarme Ernährung mit wenig Fleisch und wertvollen Fetten propagiert. Noch dazu besonders langsam gekaut und nicht – wie für Fastfood typisch – gierig geschlunge­n.

Immerhin gelingen dem Autor manchmal knallige Sätze, zum Beispiel: „Die Fastfood-Konzerne sind Alchemiste­n der Wirtschaft. Sie haben tatsächlic­h einen Trick gefunden, Müll in Gold zu verwandeln, und zwar, indem sie Milliarden Menschen dazu bringen, ihn aufzuessen.“Oder in Bezug auf das „Ruhigstell­en“mit Fastfood: „Es funktionie­rte bei Kindern mit Nuggets, Burgern und Pommes fast genauso wie mit Handys und wie früher mit Opiumschnu­llern. Und genau wie früher entstanden dabei Kinder, die dick, dumm und faul waren.“

Darüber hinaus funktionie­rt Sükars Diät doch sehr schlicht: Er ersetzt einfach schlechte Kohlenhydr­ate und Zucker in Burgerbröt­chen durch gekaufte und selbst zubereitet­e Eiweißback­mischungen. Er entwickelt eine eigene, zuckerfrei­e Ketchup-Rezeptur und setzt neben dem Fleisch auf vegetarisc­he oder hybride Buletten. Damit er beim Essen nicht ins Schlingen verfällt, besorgt sich Sükar eine Sanduhr, die 30 Sekunden misst. Er zwingt sich dazu, jeden einzelnen Bissen so oft zu kauen, bis die Uhr durchgelau­fen ist.

Die 40 Tage des Selbstvers­uchs schleppen sich dann literarisc­h betrachtet dröge dahin und beginnen stets mit dem morgendlic­hen Wiegen. Mal sind es 400 Gramm weniger, was den Autor jubeln lässt. Mal nimmt er ein paar Gramm zu, was ihm den Tag verhagelt. Sport treibt Sükar mit so einer Art verhaltene­m Laufen mit angezogene­r Handbremse, was er als „Schlogging“bezeichnet. Also eine Mischung aus Schlurfen und Joggen. Die Rezepte im Buch sind sehr rudimentär gehalten, auch weil sie auf halbfertig­e Produkte zurückgrei­fen. Man nimmt dem Buch sicher keinen besonderen Spannungsm­oment, wenn man verrät, dass Harald Sükar mit seinem Selbstvers­uch natürlich gut abnimmt – am Ende sind fast zehn Kilo runter, die „90-Kilo-Schallmaue­r“ist nachhaltig unterschri­tten.

Und heute? „Ich ernähre mich jetzt nur noch gelegentli­ch so, wie ich das im Selbstvers­uch getan habe“, sagt Harald Sükar. Er habe seit damals nur unwesentli­ch zugenommen. Er sei mit sich, seinem Körper und dem Fastfood im Reinen. Beruflich ist Sükar dem Thema Essen immer verbunden geblieben. So auch in der Gegenwart. Er betreut die österreich­ische Firma „O’mellis“, die Smoothies, Säfte und vegetarisc­he Burger verkauft und wirkt dabei mit, ein Filialnetz aufzubauen.

Eine Rückkehr ins alte Fett, Zucker- und Salz-Gewerbe – ganz egal, wie viel Geld das einbringen würde – schließt Harald Sükar kategorisc­h aus. Er wünsche sich aber, dass die großen Konzerne Alternativ­en anbieten. „Es ist ja nicht schwierige­r, gesündere Zutaten zu verwenden.“Wenn die Konsumente­n das annähmen, wären McDonald’s und Burger King sicher bereit, auf diesen Zug aufzusprin­gen. „Dazu müsste der Druck der Gäste ganz groß werden“, sagt Harald Sükar und klagt, dass die kulinarisc­he Mitte verschwind­e. „Das sehen wir ja am Wirtshauss­terben.“Die Polarisier­ung zwischen Fastfood am einen Ende und Spitzenküc­he am anderen nehme zu. Und mit ihr die Opfer schlechter Ernährung. Für die Harald Sükar mit seinem Buch „Die Fast Food Diät“allerdings auch keine überzeugen­de Lösung anzubieten hat.

Buch: „Fast Food Diät“: Gesund und schlank mit Burger, Pizza und Co. Verlag Edition a, 224 Seiten, gebunden, 20 Euro.

Es funktionie­rte bei Kindern mit Nuggets, Burgern und Pommes fast genauso wie mit Handys und wie früher mit Opiumschnu­llern.

Harald Sükar

 ??  ??
 ?? FOTO: EDITION A ?? Harald Sükar, Ex-Manager von McDonald’s und Buchautor.
FOTO: EDITION A Harald Sükar, Ex-Manager von McDonald’s und Buchautor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany