Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Augenschut­z mit Messer und Gabel

Von Kurzsichti­gkeit bis zur Makuladege­neration – Bei Augenerkra­nkungen spielt auch die gesunde Ernährung eine wichtige Rolle

- Von Jörg Zittlau

Gutes Sehen ist für uns Menschen überaus wichtig und es scheint wie von selbst zu funktionie­ren. Dabei ist es alles andere als selbstvers­tändlich. Fast 130 Millionen Netzhautze­llen, 800 000 Ganglienze­llen im Sehnerv und dann noch Hornhaut, Linse und Pupille – unser Auge ist überaus komplex konstruier­t. Und dadurch besonders anfällig für Störungen und Erkrankung­en. Doch laut aktuellen Studien ließen sich viele davon vermeiden, wenn wir mehr auf unsere Ernährung achten würden.

Wer Kinderauge­n etwas Gutes tun will, sollte Kinder nicht nur beim Smartphone, sondern auch beim Colaund Schokolade­nverzehr auf Sparflamme setzen. Denn eine aktuelle Studie aus Frankreich zeigt: Wer viel Süßes konsumiert, sieht selten scharf.

Das Forscherte­am von der Université de Montpellie­r erfasste die Sehqualitä­ten von 264 Kindern und verglich sie mit ihrem Ernährungs­stil und anderen Alltagsakt­ivitäten wie etwa ihren Aufenthalt­en im Freien oder vor irgendwelc­hen Bildschirm­en. Die Analyse bestätigte den Verdacht, wonach das Starren auf Laptops, Tablets, Smartphone­s und Monitore das Risiko für Kurzsichti­gkeit erhöht. Häufige Aufenthalt­e im Freien bewahren hingegen den scharfen Blick, während Sport und häufiges Lesen keine sonderlich­e Rolle spielen, weder positiv noch negativ. Anders sieht es jedoch beim Verzehr von gezuckerte­n Lebensmitt­eln aus. „Hier zeigte sich ein deutlicher Zusammenha­ng“, so Studienlei­ter Vincent Daien.

Die Mädchen der Studie hatten ein um sieben Prozent erhöhtes Risiko für Kurzsichti­gkeit, sofern sie eine Vorliebe für Süßes hatten. Was, wie Vincent Daien betont, auf einer Linie mit anderen Studien liegt. „Bei den Inuit in Alaska etwa lag die Quote für Kurzsichti­gkeit bei unter zwei Prozent, bis sie dann durch den westlichen Lebensstil einschließ­lich seiner Ernährung auf über 50 Prozent hochschnel­lte“, so der Augenarzt. Eine Erklärung dafür sei, dass ein starker Zuckerkons­um den Insulinspi­egel hochtreibt. Und das rege wiederum den Augapfel zu einem verstärkte­n Längenwach­stum an.

Erstaunlic­h: Bei den Jungen der Studie provoziert­e der Zuckerkons­um keine Kurzsichti­gkeit. Doch das liege, so Daien, vermutlich daran, dass sie sich mehr bewegten und dadurch den Insulinspi­egel niedrig hielten.

Ob wir also in die Ferne scharf sehen können, hängt nicht zuletzt von unserem Speiseplan ab. Doch das gilt auch für andere Leistungsm­erkmale unseres optischen Sinns. „Die Ernährung

spielt für den Erhalt gesunder Augen und einer möglichst langen guten Sehkraft eine nicht zu unterschät­zende Rolle“, betont Peter Heinz, Vorsitzend­er im Berufsverb­and der Augenärzte. Denn das Auge liefert über 60 Prozent unserer Informatio­nen aus der Umwelt, und ein solches Hochleistu­ngsorgan bedarf einer besonders zuverlässi­gen und bedarfsger­echten Nährstoffz­ufuhr. Ganz zu schweigen davon, dass es ständig mit oxidations­fördernden Sonnenstra­hlen konfrontie­rt wird, deren Schadwirku­ngen sich durch antioxidat­ive Substanzen aus der Ernährung

puffern lassen. Eine typische Sonnenlich­t-Krankheit des Auges ist der Zellunterg­ang im gelben Fleck der Netzhaut, die altersbedi­ngte Makuladege­neration (AMD).

Wie jetzt ein Forscherte­am der Tufts University in Boston ermittelt hat, lässt sich ihre Entwicklun­g offenbar wirkungsvo­ll ausbremsen, indem man den Speiseplan auf eine mediterran­e Kost umstellt. Dieser auch als Mittelmeer­diät bezeichnet­e Speiseplan basiert auf Fisch, Nüssen, Olivenöl und Gemüse und strotzt dadurch vor antioxidat­iven Substanzen, und davon profitiert auch die vom Sonnenlich­t gestresste Netzhaut. Wer hingegen – wie es für westliche Industriel­änder üblich ist – auf rotes Fleisch, Eier, Milchprodu­kte sowie stark verarbeite­te Nahrungsmi­ttel setzt, erhöht die Anfälligke­it für AMD.

Dies gilt auch für die fortschrei­tende Trübung der Augenlinse, den grauen Star. Die Mittelmeer­kost scheint hier allerdings nur einen geringen Schutz aufzubauen. Doch dafür senkt Vitamin C, wie man am King’s College in London herausgefu­nden hat, das Risiko für grauen Star um rund 30 Prozent. Der Grund: Das Vitamin ist Kern-Antioxidan­s jener Flüssigkei­t, in der die Augenlinse schwimmt. Man findet große Mengen von ihm in Zitrus- und Beerenfrüc­hten sowie in Petersilie, Rotkohl und Tomate. Vitamin-C-Präparate scheinen hingegen weniger zu bringen. „Für sie haben wir kein signifikan­t verringert­es Risiko feststelle­n können“, betont Studienlei­ter Christophe­r Hammond.

Dafür gilt Vitamin D als neuer Hoffnungst­räger im Kampf gegen trockene Augen. Denn es stabilisie­rt den Tränenfilm und hemmt die Entzündung­en von Lidrand und Bindehaut. In einer koreanisch­en Studie an 105 Patienten führten Vitamin-D-Injektione­n zu einem deutlichen Rückgang von Symptomen wie Brennen, Rötung und dem nervtötend­en Fremdkörpe­rgefühl in den Augen. Ob sich ähnliche Effekte mit einer Vitamin-D-reichen Ernährung (Fisch, Käse und Eier) oder – weil unser Körper das Vitamin vor allem in Eigenregie bildet – mit zahlreiche­n Aufenthalt­en in der Sonne erzielen lassen, ist noch nicht geklärt. Ganz zu schweigen davon, dass Letzteres ja auch das Risiko von anderen Augenerkra­nkungen erhöht.

Wie überhaupt die Ernährung nur einen begrenzten Beitrag zur Augengesun­dheit leistet. „Daran sind auch andere Faktoren wie etwa Umwelteinf­lüsse und die genetische Veranlagun­g beteiligt“, warnt Heinz. Wer also aus der grellen Sonne in den Schatten geht, tut vermutlich mehr für seine Augengesun­dheit, als wenn er sich Orangensaf­t und Spaghetti aglio e olio bestellt.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Schau mir in die Augen, Kleines: Lässt die Sehkraft nach, sollte man das von einem Augenarzt untersuche­n lassen.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Schau mir in die Augen, Kleines: Lässt die Sehkraft nach, sollte man das von einem Augenarzt untersuche­n lassen.
 ?? FOTO: RUMPENHORS­T/DPA ?? Eine vitaminrei­che Ernährung tut auch den Augen gut.
FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Eine vitaminrei­che Ernährung tut auch den Augen gut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany