Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Augenschutz mit Messer und Gabel
Von Kurzsichtigkeit bis zur Makuladegeneration – Bei Augenerkrankungen spielt auch die gesunde Ernährung eine wichtige Rolle
Gutes Sehen ist für uns Menschen überaus wichtig und es scheint wie von selbst zu funktionieren. Dabei ist es alles andere als selbstverständlich. Fast 130 Millionen Netzhautzellen, 800 000 Ganglienzellen im Sehnerv und dann noch Hornhaut, Linse und Pupille – unser Auge ist überaus komplex konstruiert. Und dadurch besonders anfällig für Störungen und Erkrankungen. Doch laut aktuellen Studien ließen sich viele davon vermeiden, wenn wir mehr auf unsere Ernährung achten würden.
Wer Kinderaugen etwas Gutes tun will, sollte Kinder nicht nur beim Smartphone, sondern auch beim Colaund Schokoladenverzehr auf Sparflamme setzen. Denn eine aktuelle Studie aus Frankreich zeigt: Wer viel Süßes konsumiert, sieht selten scharf.
Das Forscherteam von der Université de Montpellier erfasste die Sehqualitäten von 264 Kindern und verglich sie mit ihrem Ernährungsstil und anderen Alltagsaktivitäten wie etwa ihren Aufenthalten im Freien oder vor irgendwelchen Bildschirmen. Die Analyse bestätigte den Verdacht, wonach das Starren auf Laptops, Tablets, Smartphones und Monitore das Risiko für Kurzsichtigkeit erhöht. Häufige Aufenthalte im Freien bewahren hingegen den scharfen Blick, während Sport und häufiges Lesen keine sonderliche Rolle spielen, weder positiv noch negativ. Anders sieht es jedoch beim Verzehr von gezuckerten Lebensmitteln aus. „Hier zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang“, so Studienleiter Vincent Daien.
Die Mädchen der Studie hatten ein um sieben Prozent erhöhtes Risiko für Kurzsichtigkeit, sofern sie eine Vorliebe für Süßes hatten. Was, wie Vincent Daien betont, auf einer Linie mit anderen Studien liegt. „Bei den Inuit in Alaska etwa lag die Quote für Kurzsichtigkeit bei unter zwei Prozent, bis sie dann durch den westlichen Lebensstil einschließlich seiner Ernährung auf über 50 Prozent hochschnellte“, so der Augenarzt. Eine Erklärung dafür sei, dass ein starker Zuckerkonsum den Insulinspiegel hochtreibt. Und das rege wiederum den Augapfel zu einem verstärkten Längenwachstum an.
Erstaunlich: Bei den Jungen der Studie provozierte der Zuckerkonsum keine Kurzsichtigkeit. Doch das liege, so Daien, vermutlich daran, dass sie sich mehr bewegten und dadurch den Insulinspiegel niedrig hielten.
Ob wir also in die Ferne scharf sehen können, hängt nicht zuletzt von unserem Speiseplan ab. Doch das gilt auch für andere Leistungsmerkmale unseres optischen Sinns. „Die Ernährung
spielt für den Erhalt gesunder Augen und einer möglichst langen guten Sehkraft eine nicht zu unterschätzende Rolle“, betont Peter Heinz, Vorsitzender im Berufsverband der Augenärzte. Denn das Auge liefert über 60 Prozent unserer Informationen aus der Umwelt, und ein solches Hochleistungsorgan bedarf einer besonders zuverlässigen und bedarfsgerechten Nährstoffzufuhr. Ganz zu schweigen davon, dass es ständig mit oxidationsfördernden Sonnenstrahlen konfrontiert wird, deren Schadwirkungen sich durch antioxidative Substanzen aus der Ernährung
puffern lassen. Eine typische Sonnenlicht-Krankheit des Auges ist der Zelluntergang im gelben Fleck der Netzhaut, die altersbedingte Makuladegeneration (AMD).
Wie jetzt ein Forscherteam der Tufts University in Boston ermittelt hat, lässt sich ihre Entwicklung offenbar wirkungsvoll ausbremsen, indem man den Speiseplan auf eine mediterrane Kost umstellt. Dieser auch als Mittelmeerdiät bezeichnete Speiseplan basiert auf Fisch, Nüssen, Olivenöl und Gemüse und strotzt dadurch vor antioxidativen Substanzen, und davon profitiert auch die vom Sonnenlicht gestresste Netzhaut. Wer hingegen – wie es für westliche Industrieländer üblich ist – auf rotes Fleisch, Eier, Milchprodukte sowie stark verarbeitete Nahrungsmittel setzt, erhöht die Anfälligkeit für AMD.
Dies gilt auch für die fortschreitende Trübung der Augenlinse, den grauen Star. Die Mittelmeerkost scheint hier allerdings nur einen geringen Schutz aufzubauen. Doch dafür senkt Vitamin C, wie man am King’s College in London herausgefunden hat, das Risiko für grauen Star um rund 30 Prozent. Der Grund: Das Vitamin ist Kern-Antioxidans jener Flüssigkeit, in der die Augenlinse schwimmt. Man findet große Mengen von ihm in Zitrus- und Beerenfrüchten sowie in Petersilie, Rotkohl und Tomate. Vitamin-C-Präparate scheinen hingegen weniger zu bringen. „Für sie haben wir kein signifikant verringertes Risiko feststellen können“, betont Studienleiter Christopher Hammond.
Dafür gilt Vitamin D als neuer Hoffnungsträger im Kampf gegen trockene Augen. Denn es stabilisiert den Tränenfilm und hemmt die Entzündungen von Lidrand und Bindehaut. In einer koreanischen Studie an 105 Patienten führten Vitamin-D-Injektionen zu einem deutlichen Rückgang von Symptomen wie Brennen, Rötung und dem nervtötenden Fremdkörpergefühl in den Augen. Ob sich ähnliche Effekte mit einer Vitamin-D-reichen Ernährung (Fisch, Käse und Eier) oder – weil unser Körper das Vitamin vor allem in Eigenregie bildet – mit zahlreichen Aufenthalten in der Sonne erzielen lassen, ist noch nicht geklärt. Ganz zu schweigen davon, dass Letzteres ja auch das Risiko von anderen Augenerkrankungen erhöht.
Wie überhaupt die Ernährung nur einen begrenzten Beitrag zur Augengesundheit leistet. „Daran sind auch andere Faktoren wie etwa Umwelteinflüsse und die genetische Veranlagung beteiligt“, warnt Heinz. Wer also aus der grellen Sonne in den Schatten geht, tut vermutlich mehr für seine Augengesundheit, als wenn er sich Orangensaft und Spaghetti aglio e olio bestellt.