Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Medizinerp­aar vertritt umstritten­e Thesen

Querdenker: Ärztekamme­r tut sich mit Sanktionen bislang schwer

- Von Johannes Böhler

SIGMARINGE­N - Seit Herbst 2020 gibt es die sogenannte­n „Lichtspazi­ergänge“im Kreis Sigmaringe­n, auf denen sich die Gegner der CoronaMaßn­ahmen versammeln. Unter den Sympathisa­nten der ideologisc­h den sogenannte­n „Querdenker­n“nahe stehenden Bewegung ist ein Medizinere­hepaar aus dem Kreis Sigmaringe­n: die homöopathi­schen Ärzte Dr. Eva und Michael Blum aus Meßkirch.

Dass die beiden Ärzte mit der Bewegung der „Querdenker“zumindest sympathisi­eren, geht aus EMails hervor, in welchen sich Dr. Michael Blum bei unserer Redaktion über die Berichters­tattung zu den „Lichtspazi­ergängen“im Kreis Sigmaringe­n beschwert hatte. Ein bereits am 30. November im „Südkurier“veröffentl­ichter Leserbrief der Eheleute Blum gibt noch genaueren Aufschluss über ihre Überzeugun­gen. In dem Meinungsst­ück bestreiten die beiden Mediziner nicht nur die vor Ansteckung schützende Wirkung des Maskentrag­ens, sondern impliziere­n sogar eine gesundheit­sschädlich­e Wirkung der Maßnahme. In einer Google-Rezension wird das Medizinerp­aar dafür von einem Bürger aus der Region heftig kritisiert. Er wolle sich bei niemandem behandeln lassen, der solche Ansichten vertrete.

Mit ihren Äußerungen sorgen die Blums jedoch nicht nur unter Patienten, sondern auch unter Kollegen für Furore: Die Wirksamkei­t des Maskentrag­ens und des Abstandhal­tens sei physikalis­ch nachweisba­r und mittlerwei­le auch praktisch erprobt, sagt Dr. Bettina Boellaard, die Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft Sigmaringe­n: „Das sind alles Dinge, die unter Leuten unumstritt­en sind, die auch an die Mondlandun­g glauben.“

Weiter führt die Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft aus: „Meinungsfr­eiheit ist in Deutschlan­d ein hohes Gut.“Deshalb könne auch die Ärztekamme­r keine Sanktionen gegen Kollegen verhängen, die Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet­en. Gleichwohl treibe die politische Betätigung von Medizinern wie dem Ehepaar Blum bei den Lichtspazi­ergängern so manchem Kollegen die Zornesröte ins Gesicht.

In der Auseinande­rsetzung der Medizin mit den „Querdenker­n“sieht die Vorsitzend­e der Sigmaringe­r Kreisärzte­schaft einen ganz grundlegen­den Unterschie­d zu herkömmlic­hen wissenscha­ftlichen Debatten: Die Überzeugun­gen der „Querdenker“fußten nicht auf einer wissenscha­ftlichen Grundlage. „Das, was diese Leute verbreiten, betrifft ganz grundsätzl­iche Punkte, über die nur Verschwöru­ngstheoret­iker streiten wollen“, sagt sie.

„Wir wissen, dass wir als Ärzte einen hohen Vertrauens­vorschuss genießen“, sagt die Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft. Für sie sei es daher nur schwer zu ertragen, dass die Ärztekamme­r keine Handhabe gegen Kollegen habe, die dieses Vertrauen missbrauch­ten. Mediziner, die sich ideologisc­h in die Nähe der Querdenker begäben, schädigten mit ihrem Verhalten das Ansehen des gesamten Berufsstan­des in der Gesellscha­ft. Schlimmer noch: Sie gefährdete­n den Fortschrit­t der Pandemiebe­kämpfung und damit die Gesundheit der Menschen.

Konsequenz­en gegen Mediziner, die sich gegen die Corona-Maßnahmen ausspreche­n, gebe es bislang nur vereinzelt. „Dabei schreibt die Berufsvero­rdnung eigentlich vor, dass Ärzte das Ansehen des Berufsstan­des wahren müssen“, so Boellaard. Für bloße Meinungsäu­ßerungen sei eine solche ansehenssc­hädigende Wirkung allerdings juristisch nur sehr schwer nachzuweis­en.

Ganz klar strafbar machten sich Ärzte aber, wenn sie aus Gefälligke­it Atteste ausstellte­n, etwa für CoronaLeug­ner, die keine Maske tragen wollten. Auch ein öffentlich­er Aufruf, gegen die Corona-Verordnung zu verstoßen, sei ein relevantes Vergehen, wenn dabei der eigene Beruf als Mediziner in der Argumentat­ion verwendet werde. „Es kommt aber immer darauf an, ob jemand als Privatpers­on oder in seiner Eigenschaf­t als Mediziner auftritt“, erklärt Boellaard.

Werde ein solches Vergehen der Ärztekamme­r gemeldet, werde auch der Kammeranwa­lt aktiv, um eventuelle disziplina­rische Konsequenz­en wie Geldstrafe­n zu prüfen.

Ein im Zuge unserer Recherchen gemachtes Angebot von Dr. Michael Blum, seine Position bei einem Termin in seiner Praxis genauer zu erläutern, nahm die Redaktion an. Hinterher jedoch untersagte der Homöopath es der Redaktion, auch nur irgendeine der Aussagen zu veröffentl­ichen, die er in einem rund zweistündi­gen Interview gemacht hatte.

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ARCHIVFOTO: MAREIKE KEIPER Mit Laternen, Kerzen und Lichterket­ten stehen die Teilnehmer eines „Lichtspazi­ergangs“Mitte Januar auf dem Sigmaringe­r Marktplatz.

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