Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Mit dem Herzen dabei“

Fußball: Seit der Jugend hat er für den SSV Ulm 1846 gespielt: Günter Berti wird im Sommer 66 Jahre alt, kickt aber immer noch in der AH der Spatzen

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Wenn einst ein Fußballspi­eler die Nummer vier des SSV Ulm 1846 zum Gegner hatte, konnte er sicher sein, dass dies für ihn kein gemütliche­r Nachmittag werden würde. Denn die Vier trug bei den Spatzen in den 1970er- und 1980er-Jahren (auch vorher schon) Günter Berti.

Der gehörte zwar zu den eher kleinen Spielern in der Mannschaft, aber er hatte ein riesiges Kämpferher­z. Drahtig, bissig und immer hoch konzentrie­rt, das zeichnete den Ulmer Abwehrspie­ler aus. Dabei verfügte der Beißer auch über spielerisc­he Mittel und ließ mitunter Offensivdr­ang aufkommen, was durch seine vier Tore in der Zweiten Bundesliga schon belegt ist. Seine eigentlich­en Stärken spielte er aber hinten aus, insbesonde­re im Zweikampf. Am „Gin“kam so schnell keiner vorbei. Sein letztes Punktspiel ist jetzt über 32 Jahre her, aber schlank und drahtig ist er heute noch, auch wenn sein Schnauzer längst gefallen ist und seine Haare leicht ergraut sind. Der Klasse-Kicker von einst wird im Sommer 66 Jahre alt.

„Gin“ist Bertis Spitzname, und bis heute weiß er nicht so recht, wie er dazu eigentlich gekommen ist. „Am Getränk lag es nicht“, versichert der Ex-Spatz. „Ich habe zu meiner aktiven Zeit keinen Alkohol getrunken und heute gönne ich mir nur gelegentli­ch ein Glas Rotwein.“Berti vermutet, dass der Spitzname noch aus der Schulzeit stammt: „Nach dem Unterricht sind einige von uns immer auf den Sportplatz gegangen. Da war ein Italiener, der hat immer Ginni oder Gingi zu mir gesagt. Als ich zum ersten Mal bei der württember­gischen Auswahl in Stuttgart war, kamen die anderen auf meinen Spitznamen. Sie dachten, ich würde Gin mögen und nannten mich dann so. Dabei blieb es und irgendwann habe ich gar nicht mehr reagiert, wenn jemand ’Günter’ rief. Ich war nur noch der ’Gin’.“

Als solcher hatte er sich einen Namen gemacht, nicht nur in der Region und der Konkurrenz. Er war ein starker Spieler und hat deshalb in sechs Zweitligaj­ahren mit den Spatzen insgesamt 186 Partien bestritten. „Ich fiel damals wohl auch Erstligist­en auf, jedenfalls bekam ich Angebote vom 1. FC Nürnberg, von Borussia Mönchengla­dbach und vom 1. FC Köln. Klar, in der Bundesliga zu spielen, wäre reizvoll gewesen. Aber, wer weiß, wie es gekommen wäre. Ich war bodenständ­ig, in Ulm total zufrieden und meine Devise war: Wenn ein anderer nach Ulm kommt und meine Position hat, muss er besser sein als ich. Das hat keiner geschafft. Außerdem bin ich immer zweigleisi­g gefahren.“

Berti hatte während seiner Fußballkar­riere eine Ausbildung zum Industriek­aufmann gemacht und war in einem Söflinger Betrieb beschäftig­t. „Ich war Halbprofi, habe immer bis 14 Uhr gearbeitet und bin dann nachmittag­s ins Training gegangen“, berichtet Berti, der heute noch bei den Alten Herren des SSV mitspielt, wenn es möglich ist. „Das war damals oft stressig. Wenn wir mal unter der Woche auswärts spielten und erst spät nachts heimkamen, war ich am nächsten Morgen pünktlich um 7.15 Uhr bei der Arbeit. So war meine Einstellun­g.“Die Zweigleisi­gkeit hat sich bis heute ausgezahlt. Er hat sich auf Textilstof­fe verlegt und arbeitet seit dreieinhal­b Jahren als Selbststän­diger im Textilhand­el.

Den Fußballtra­um hat sich Berti schon als Kind erfüllt. Von klein auf hat er gekickt – stets beim SSV Ulm 1846. Als er noch 17, also A-Jugendlich­er, war, holte ihn der damalige Trainer Zeljko Cajkowski in die erste Mannschaft. Zunächst bestritt er mit seinem Team einige Oberligasp­iele, dann ging es hoch in die Zweite Liga, als er in den besten Fußballer-Jahren war. Es gab ein gewisses Auf und Ab zwischen Zweiter Liga und Oberliga, aber Berti war immer eine feste Größe. 1979/80, 1980/81 und 1983/84 bestritt er jeweils 35 Spiele für die Spatzen, 1984/85 und 1986/87 stand er jeweils 33-mal auf dem Platz, 1987/88 waren es dann nur noch 15-mal. „Ich hatte damals eine Leistenope­ration, ich war 33 Jahre alt und wir stiegen in die Oberliga ab. Das war für mich der richtige Zeitpunkt aufzuhören.“Mit Frau und Tochter ließ er sich in Pfuhl nieder, wo er heute noch lebt. Nach einem Ausflug in den Trainerjob (SSV 1846 II, SV Oberelchin­gen, TSV Neu-Ulm) „stellte ich fest, dass das nicht das Richtige für mich ist“, erzählt er. Sein Lieblingst­rainer bei den Spatzen war übrigens Jörg Berger: „Da haben wir die größte Entwicklun­g gemacht. Für ihn wären wir durchs Feuer gegangen.“

Auch sonst waren die Jahre damals für ihn eine „richtig schöne Zeit. Da war ich mit tollen Typen zusammen.“Mit dem verstorben­en Walter Kubanczyk zum Beispiel, Willi Hoffmann, Walter Modick, Erich Steer, Peter Szupak, Josef Beller oder dem Stürmerduo Uwe Spies/Marcus Sorg. In 16 Jahren als aktiver Kicker hatte Günter Berti nicht eine schwere Verletzung. Nur eben am Karriereen­de die Leistenope­ration und vor einem halben Jahr einen Adduktoren­sehnenanri­ss, den er sich beim Tennis zuzog.

Eines der Top-Erlebnisse hatte Berti mit den Spatzen, als sie in Liga zwei bei Absteiger Hannover 96 antraten: „Zwar verloren wir 0:2, obwohl wir besser waren, aber das vor 45 000 Zuschauern. Das war ein Riesenerle­bnis.“Ein paar Kontakte zu ehemaligen Spielern hat er noch, nicht aber zu den Spatzen von heute. „Ich verfolge deren Spiele, gehe ab und zu auch ins Stadion. Ich wünsche ihnen den Aufstieg, denn mit dem Herzen bin ich schon dabei.“

 ?? FOTO: IMAGO-IMAGES/PRESSEFOTO BAUMANN ?? Günter Berti (in der Luft), der seit der Jugend für den SSV Ulm 1846 spielte, konnte als Defensivsp­ieler austeilen, musste wie hier im Jahr 1981 aber auch einiges einstecken.
FOTO: IMAGO-IMAGES/PRESSEFOTO BAUMANN Günter Berti (in der Luft), der seit der Jugend für den SSV Ulm 1846 spielte, konnte als Defensivsp­ieler austeilen, musste wie hier im Jahr 1981 aber auch einiges einstecken.
 ?? FOTO: STEFAN KÜMMRITZ ?? Heute ohne Schnauzer: Günter Berti wird im Sommer 66 Jahre alt.
FOTO: STEFAN KÜMMRITZ Heute ohne Schnauzer: Günter Berti wird im Sommer 66 Jahre alt.

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