Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Eine Dosis Zuversicht
Antonie Burgmaier erhält in Hohentengen ihre erste Corona-Impfung – Mit ihr sind es täglich rund 500 Impflinge
SIGMARINGEN - An der Seite ihrer Tochter reiht sich Antonie Burgmaier in die Schlange vor dem Impfzentrum ein und wartet. Fiebermessen, Hände desinfizieren – den Termincode vorzeigen, der zum Eintritt berechtigt. Die Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes erledigen den Eintritt bestimmt und routiniert. Sogar der medizinische Leiter hilft beim Fiebermessen aus und lotst die Impflinge in den ersten Wartebereich.
„Wenn jemand keine Berechtigung hat, werde ich gerufen“, sagt der stellvertretende Leiter der Verwaltung, Werner Müller. Zwar ist das die Ausnahme, aber es kommt vor, dass über 80-Jährige auf gut Glück das Kreisimpfzentrum ansteuern – und trotzdem den ersehnten Piks erhalten. Antonie Burgmaier hat sowohl einen Termincode als auch die Berechtigung, obwohl die Ertingerin erst 72 ist. „Im Pflegeheim spiele, stricke oder singe ich mit alten Menschen“, klärt sie über den Hintergrund auf. Weil ihr Arbeitgeber hofft, dass sie dieser Tätigkeit bald wieder nachgehen kann, bekommt sie die Impfung vor anderen Menschen aus dieser Altersgruppe.
An diesem Tag ist in Hohentengen im Impfzentrum auf dem Areal der früheren Oberschwabenkaserne mehr los als an früheren Tagen. Das hängt damit zusammen, dass die Zahl der Termine deutlich ansteigt. Mehr als 500 Impflinge täglich erhalten seit März ihren Piks – rechnet man die mobilen Impfungen hinzu, sind es im Kreis täglich rund 750. Im Vergleich zum Start im Januar ist das eine enorme Steigerung, „aber es ist immer noch gut zu schaffen“, sagt der medizinische Leiter, Franz Konrad. Heißt: Wenn mehr Impfstoff verfügbar wäre, könnten über Nacht mehr Impftermine angeboten werden.
„Lukas – komm bitte schnell“– der Verwaltungsleiter Willi Römpp macht Dampf. Ein Computer streikt. Und wenn der Computer streikt, stockt der Betrieb. Lukas Maier ist als Helfer in der Not zur Stelle, wenn die Technik hakt. Um die Daten tagesaktuell ans Robert-Koch-Institut weitermelden zu können, arbeitet das Impfzentrum vernetzt. Computer erfassen jeden Arbeitsschritt. Ein zu hoher bürokratischer Aufwand?
„In den USA fahren sie mit den Autos vor und bei uns?“, sagt ein Besucher und verdeutlicht damit die vergleichsweise hohe Bürokratie. Impfpass, Personalausweis und den Termincode müssen die Impflinge vorzeigen, dazu eine Berechtigung, wenn sie jünger als 80 Jahre sind. Zusätzlich werden weitere Daten abgefragt. Der medizinische Leiter Franz Konrad verteidigt diese Bürokratie ein Stück weit: Durch die rasante Zulassung der Impfstoffe seien in Klinikstudien wenig Daten zu den Impfungen
gesammelt worden. „Wir holen das jetzt nach“, sagt Konrad. Sobald Hausärzte in den Impfkanon einsteigen, müsse Schluss sein mit dieser Bürokratie.
Antonie Burgmaier sitzt vor einer Plexiglasscheibe und muss die Fragen von Nadine Saad-Eddin beantworten. Ob sie Blutverdünner nehme oder frühere Impfungen gut vertragen habe? Nach etwa einer Minute ist das Frage-Antwort-Spiel erledigt. Die sogenannte Anamnese ist Station 1. Es folgt ein Aufklärungsgespräch
mit dem Arzt. Fünf Kabinen stehen bereit. Hinter dem Vorhang wartet Manuela Schmid auf die 72Jährige. In einem Gespräch macht sich die Ärztin ein Bild von Antonie Burgmaier. „Unter medizinischen Gesichtspunkten ist das die wichtigste Station“, sagt Verwaltungsmann Müller.
Wenn der Arzt grünes Licht gibt, ist der Piks nicht mehr weit. Zu den Standardfragen von Manuela Schmid gehört, ob ihr Gegenüber bei früheren Impfungen auf Impfstoffbestandteile allergisch reagiert habe. Wenn ja, könnte es zu Problemen kommen. „Das sind die Leute, die im Fernsehen kommen“, sagt Manuela Schmid, „und das wollen wir nicht“. Antonie Burgmaier verneint auch diese Frage und verabschiedet sich durch die Hintertür aus der Arztkabine.
Im Impfzentrum ist unter den 25 Mitarbeitern und den Impflingen eine geschäftige Ruhe zu beobachten. Ärztin Manuela Schmid, die direkt nach dem Studium im Impfzentrum anheuerte, obwohl sie eigentlich ihre Doktor-Arbeit schreiben wollte, die Schwestern, die Helfer – sie alle haben ein Lächeln auf den Lippen und empfangen die Impflinge mit einem freundlichen Wort. Von Hektik keine Spur. „Die Kompetenz und die Art, wie man mit uns umgeht – das entschädigt für die Mühe, bis wir den Termin bekommen haben“, sagt die 90-jährige Irmgard Klaiber aus Pfullendorf.
Dritte und letzte Station: Antonie Burgmaier macht den linken Arm frei, weil sie Rechtshänderin ist. „Ich denke, das wird schon gut werden“, sagt die 72-Jährige. Den Stich merkt sie kaum. Nun heißt es nochmals warten. Eine halbe Stunde, um den Kreislauf stabil zu halten, und 21 Tage bis zum zweiten Impftermin.
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