Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Begegnung auf Augenhöhe
Jugendliche von der Schwäbischen Alb konfrontieren Landtagskandidaten mit ihren Fragen
GAMMERTINGEN - Mobilität, Unterstützung für junge Familien, die Zukunft der Landwirtschaft: Jugendliche von der Schwäbischen Alb haben bei einer Online-Diskussion am Donnerstagabend die Landtagskandidaten unterschiedlicher Parteien mit Themen konfrontiert, die ihnen unter den Nägeln brennen. Eingeladen zur Runde unter dem Motto „Pizza und Politik“hatten die Jugendhäuser aus Gammertingen, Sonnenbühl, Engstingen und Hohenstein, die allen Teilnehmern eine Pizza frei Haus spendierten
Rede und Antwort standen Manuel Hailfinger und Ann-Cathrin Müller (CDU), Cindy Holmberg (Grüne), Klaus Käppeler (SPD) und Joachim Steyer (AfD), Kandidaten aus dem Wahlkreis Hechingen-Münsingen. Rudi Fischer (FDP) und Petra Braun-Seitz (Linke) konnten wegen technischer Probleme nicht teilnehmen. Außerdem dabei: Peter Hildebrand, Kandidat von „Die Partei“im Wahlkreis Sigmaringen.
Der 15-jährige Kai Rauscher aus Ödenwaldstetten (Gemeinde Hohenstein),
der dort in der Landwirtschaft seiner Eltern hilft, legte den Finger direkt in die Wunde: „Wie stellt sich die Politik die Zukunft der Landwirtschaft vor?“, fragte er und sprach Lebensmittelimporte aus dem Ausland und Discounter-Preise an. „Um die kleinbäuerlichen Betriebe auf der Alb mache ich mir auch Sorgen“, sagte Cindy Holmberg. Sie schlug vor, landwirtschaftliche Betriebe zu bündeln und mit einer eigenen Marke zu stärken. Gleichzeitig müsse etwa die regionale Schlachtung erhalten bleiben.
Joachim Steyer appellierte an die Verbraucher, regionale Produkte zu kaufen. Schuld am Dilemma der Landwirte sei vor allem die Europäische Union. Das wollte Klaus Käppeler so nicht stehen lassen. „Deutschland gehört zu den Ländern, die am meisten von der EU profitieren“, sagte er. „Die offenen Grenzen erlauben es uns, zum Beispiel Autos und Maschinen im Ausland zu verkaufen.“
„Wieso darf man in Deutschland mit 16 noch nicht Auto fahren, in den USA aber schon?“, fragte Andreas Heinz aus Gammertingen, der nächste Woche seinen 17. Geburtstag feiert.
Er absolviert eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik und fährt dafür jeden Tag mit dem Zug von Gammertingen nach Herbertingen, wobei Hin- und Rückweg jeweils zwei Stunden dauern. „Wenn man mit 16 die nötige Eignung hat, spräche aus meiner Sicht auch nichts dagegen, in dem Alter Auto fahren zu dürfen“, sagte Manuel Hailfinger. Peter Hildebrand wiederum forderte bessere Verbindungen im Nahverkehr. „Aber auch ich glaube nicht, dass 16-Jährige unbedingt schlechter fahren als 17-Jährige.“
Benjamin Pötter (20) aus Engstingen beklagte, dass das Land junge Eltern nicht genug unterstütze. „Wir kennen einige Eltern, die sich alle die gleiche Frage stellen: Warum kriegt Baden-Württemberg keine kostenlose Kinderbetreuung hin?“, fragte er. „Andere Bundesländer schaffen das doch auch.“Klaus Käppeler wies auf die SPD-Forderung nach kostenlosen Kindergärten hin. Ann-Cathrin Müller blieb zurückhaltender: „Wir müssen uns überlegen, wie wir das finanzieren. Aber 400 Euro für einen Kindergartenplatz finde ich auch zu viel. 100 bis 150 Euro wären okay.“
Auf unterschiedliche Meinungen stieß Marvin Amann aus Gammertingen mit seiner Forderung nach öffentlichen Plätzen, auf denen sich Jugendliche treffen können. Cindy Holmberg, Ann-Cathrin Müller und Joachim Steyer sprachen sich dafür aus, Klaus Käppeler dagegen.
Mit einigen Fragen taten sich die Kandidaten sichtlich schwer. „Warum habe ich schlechtere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen als andere, obwohl meine Familie seit 40 Jahren in Deutschland lebt?“, fragte etwa Enes Aktepe aus Gammertingen. Und Studentin Nadja (23) aus Mägerkingen wollte wissen, warum sie den Rundfunkbeitrag bezahlen muss. „Nur, weil ich freiwillig auf Bafög verzichte – obwohl es mir zustehen würde“, sagte sie.
Richtig weiterhelfen konnte den beiden niemand. Aber: Ihre Anliegen fanden trotzdem Gehör. Das lobte der Gammertinger Jugendbeauftragte Otto Sommer zum Schluss der zweieinhalbstündigen Diskussion. „Danke für Ihre verständlichen Antworten“, sagte er. „Das ist im Kontakt zwischen Erwachsenen und Jugendlichen nicht selbstverständlich.“