Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Putzen allein hält die Zähne nicht gesund

Ernährung und Essverhalt­en spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Karies

- Von Tom Nebe

WITTEN (dpa) - Wer immer gut seine Zähne putzt, darf alles essen? Schön wäre es, aber so einfach ist es leider nicht. Denn egal wie gut man schrubbt oder bürstet: Es nützt alles nichts, wenn man ständig das Falsche isst oder trinkt. „Karies ist eine ernährungs­abhängige Erkrankung“, sagt der Zahnmedizi­ner Stefan Zimmer. „Und sie entsteht vor allem dadurch, dass wir uns zu ungesund – das heißt mit zu vielen niedermole­kularen Kohlenhydr­aten, also Zucker – ernähren.“Zimmer ist Professor für Zahnerhalt­ung und Präventive Zahnmedizi­n an der Uni Witten/Herdecke.

Es ist ein Zusammensp­iel von Zahnbeläge­n und Zucker, das Karies entstehen lässt. Denn die Bakterien auf den Zahnbeläge­n „warten“auf Zucker. Daraus produziere­n sie Säuren und diese entkalken die Zähne – Karies ist irgendwann die Folge dieser Prozesse.

Wer keine Zahnbeläge hat, muss auch den Zucker nicht fürchten. Nur schafft man es nie, sie aus allen Ecken, Nischen und Zwischenrä­umen zu entfernen. Oder wie Zimmer sagt: „Zähne sind nicht so leicht zu reinigen wie ein Rotweingla­s.“Beim Zähneputze­n arbeite man an einer komplexen Struktur in einem kleinen, dunklen Raum. „Perfekt sauber, also frei von allen Belägen, kriegt man sie nicht. Da kann man so lange putzen, wie man will.“Also tut man gut daran, den Belägen mit seiner Ernährung nicht die nötige Munition zu liefern. Dabei kommt es nicht nur darauf an, was man isst, sondern auch wann – und wie. Die Tipps im Überblick:

Pausen einlegen

Im Mundraum laufen komplexe Prozesse ab. Dort sind – wie oben beschriebe­n – bakteriell­e Beläge am Werk, die aus Zucker Säuren produziere­n. Dann fällt der pH-Wert unter eine kritische Marke – und die Zähne entkalken. „Es dauert ungefähr eine Dreivierte­lstunde, bis der pH-Wert wieder den Wert überschrei­tet“, erklärt Zimmer. „In der Zeit ist der Zahn angreifbar.“

Die gute Nachricht: Der Körper regelt das selbst, wenn man ihm Zeit lässt. Das bedeutet: zwischen den Mahlzeiten mehrere Stunden Pause machen und nicht zwischendu­rch wieder irgendetwa­s naschen oder etwas Süßes oder Saures trinken. „Dann wird durch den Speichel der pH-Wert im Mund wieder normalisie­rt und der Zahn durch das Kalzium im Speichel wieder mineralisi­ert“, so Zimmer. Ein zuckerfrei­er Kaugummi hilft dabei, weil er den Speichelfl­uss anregt. Wer hingegen immer wieder Brötchen, Süßes oder eine Cola dazwischen konsumiert, sorgt dafür, dass die Flora im Mund dauerhaft saurer bleibt – und die Zähne leiden.

Die richtigen Snacks

Wenn einen zwischen Frühstück

und Mittagesse­n oder am Nachmittag doch einmal der Hunger packt, ist aus zahngesund­heitlicher Sicht Gemüse der Snack der Wahl.

Und zwar „möglichst zuckerarm, kauaktiv und fest“, sagt Zimmer und nennt Stangensel­lerie als ideales Beispiel. Der sei reich an Fasern, die beim Reinbeißen die Zähne sogar ein bisschen reinigen. Möhren, Paprika oder Kohlrabi seien auch perfekt für zwischendu­rch.

Wem eher nach etwas Süßem ist, der greift zu einem Apfel. „Da ist Zucker drin, aber nicht zu viel.“Und auch die Säure sei wohldosier­t, so der Experte. Sie rege die Speichelbi­ldung an.

Saures Obst, zum Beispiel eine Orange, taugt zwar auch als Snack – aber nur, wenn man nicht kurz danach die Zähne putzt. „Dann würde man die angeätzte Zahnstrukt­ur direkt wegbürsten“, sagt Zimmer. Nach dem Orangengen­uss werden die Zähne im Idealfall einige Stunden lang nicht geputzt.

Man lässt stattdesse­n den Speichel die Arbeit machen und den pH-Wert im Mund normalisie­ren.

Ganz anders liegt der Fall bei Bananen. Nach dem Verzehr von solch süßem Obst sollte die Zahnbürste zeitnah zum Einsatz kommen und die Beläge auf den Zähnen wegschrubb­en.

O-Saft in großen Schlucken

Was ist eigentlich mit dem Orangensaf­t zum Frühstück? Nach dieser Logik ist der ja keine gute Idee, weil die Säure den Zahn angreift – man nach dem Frühstück jedoch seine Zähne putzen sollte. Zahnarzt Zimmer hat hier folgende Lösung: In großen Schlucken trinken, statt immer wieder zu nippen. Dadurch bleibt weniger Orangensaf­t an den Zähnen haften. Die Empfehlung gilt übrigens auch für Cola und andere Softgeträn­ke.

Was nach Angaben des Vereins für Zahnhygien­e nichts bringt: Säfte verdünnen. Denn die Bakterien brauchten sehr wenig Zucker, um ihre kariesförd­ernde Wirkung zu entfalten. Ein Schuss Apfelsaft im Mineralwas­ser sei für die Zähne auch schon schädigend.

Lieber nichts Klebriges

Was klebt, lässt sich nicht so schnell wegspülen und das wird auf den Zähnen zu einem Problem. Lebensmitt­el können dann länger schädlich wirken. Chips zum Beispiel: „Die sind sehr klebrig und das merkt man, wenn sie auf den Kauflächen hängen bleiben“, sagt Zimmer. Aber die sind doch herzhaft – also kein Problem, oder? Davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Denn oft enthalten sie dennoch für die Zähne schädliche Kohlenhydr­ate.

Fluoridzuf­uhr sicherstel­len

In den meisten Zahncremes steckt Fluorid. Es schützt den Zahnschmel­z vor Säuren. Das Spurenelem­ent findet sich in Fleisch, Fisch, Vollkorn- und Milchprodu­kten. Erhöhen lässt sich die Zufuhr durch die Nutzung von fluoridier­tem Speisesalz, wie die Informatio­nsstelle für Kariesprop­hylaxe erklärt, deren Sprecher Stefan Zimmer ist. Um bei Kindern eine Fluorid-Überdosier­ung zu vermeiden, die sich durch weiße Flecken auf den Zähnen äußern kann (Fluorose), sollte man nach Angaben der Informatio­nsstelle nicht gleichzeit­ig fluoridier­te Zahnpasta, Jodsalz mit Fluorid und Fluorid-Tabletten nutzen. Es gilt die Regel: entweder auf das Salz oder die Tabletten verzichten.

Vitamine helfen

Früchte, grünes Blattgemüs­e und gelbes Gemüse enthalten nach Angaben der Initiative ProDente viel Vitamin A und das wiederum ist gut für die Mundschlei­mhaut. Vitamin C sei unter anderem unterstütz­end für die Festigkeit der Zähne, während sich Vitamin D günstig auf das Wachstum und die Zahnhärtun­g auswirkt.

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FOTO: HANS-JÜRGEN WIEDL/DPA Die Möhre ist ein perfekter Snack für zwischendu­rch.

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